Mein vorläufig ultimatives Gebrauchsmesser

dcjs

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so,
nach einer monate- bis jahrelangen planungs- design und modellierungsphase hier mein vorläufig ultimatives gebrauchsmesser 0.1 (beta-version ;) )

klinge: 3mm dicke, 1.2842, 107 mm länge, balliger schliff
griff: 117mm länge, 16mm dicke, canvas-micarta
gewicht. ?
versteckter erl

die klinge ist fast komplett am schreibtisch mit der feile entstanden, ein dolles finish habe ich mir gespart. ist halt ein funktionaler prototyp, da wollte ich keine kosmetik treiben.

wenn ich die zeit finde, schreibe ich noch einen sermon über die designphilosophie und die funktionalen vorteile.
jedenfalls habe ich mein ziel erreicht, die mir bekannten messer, die es in der grössenklasse gibt, für meine anforderungen zu übertreffen.

also, hier der angedrohte sermon:
am anfang stand der gedanke, endlich mal ein messer mit einem rundum brauchbaren griff zu entwickeln, die klinge ist erst recht spät ind er jetzigen form entstanden. das wachsmodell a. dürfte so um die zwei jahre alt sein.
es gibt eine menge griffe, die bei leichten schnippelarbeiten toll in der hand liegen. nur haben die entweder keinen brauchbaren handschutz (die gesamten skandinavier) oder sind für verschiedenen griffarten nicht zu gebrauchen (alles mit extremen fingerrillen oder griffabschlüssen etc.).
die "fingerrille" bei dem messer hier ist streng genommen eine "anderthalb-finger-rille", da sie breiter ist als für den zeigefinger nötig.
mein griff liegt bei normaler handhaltung im säbelgriff (1) sehr gut in der hand, gleichwohl wäre der "handschmeichelfaktor" bei einem klassischen bootsgriff zunächst grösser.
der punkt ist aber der, dass ich, wenn ich hartes material schneiden will und viel druck ausüben will (hammergriff), mit der hand automatisch in richtung handschutz rutsche. das habe ich versucht in bild (2) und (4) anzudeuten. bild (2) ist übrigens keine obszöne geste ;) , durch den abgespreizten mittelfinger wollte ich zeigen, dass der "buckel" an der griffunterseite jetzt praktisch in der mitte finger zum liegen kommt und die hand nun optimal ausfüllt. bei einem bootsgriff würde der griff beim hammergriff schlechter, hier wird er besser! als beispiel sei hier mal der kleine sumpfratten-gummigriff angeführt.
bei bild (4) sind wir auch schon beim nächsten punkt, der bei den meisten anderen messern fürchterlich daneben designt wird.
wenn ich wie beschrieben beim schneiden druck ausüben will, dann ist der abstand zwischen der vorderkante der faust im hammergriff und dem schnittgut entscheidend (hebelgesetz!). wenn ich da jetzt nen ellenlangen choil einbaue und den handschutz suboptimal ausforme, habe ich den abstand schnell auf 3cm gebracht. das ist funktional totaler murks. klar, als skinner ist so ein messer u.U. toll, aber als allzweckmesser nicht. in bild (4) sieht man, dass der relevante abstand nicht mal mehr einen zentimeter beträgt, ähnlich wie bei den skandinaviern, nur dass dennen halt der handschutz dazwischen fehlt :rolleyes:
im hammergriff liegt das ding dermassen gut ihn (meiner) hand, dass man es mit anlauf in einen baum rammen kann, ohne angst um seine fingerchen haben zu müssen.
bild (3) ist denke ich selbsterklärend, mit der schneide nach oben liegt das ding einfach prächtig und sicher in der hand.
die klingenform (ausbeinmesser-droppoint-bastard) hat sich dadurch ergeben, dass ich halt bei (b) den choil loswerden wollte und zu dem schluss gekommen bin, dass eine allzu breite klinge nicht nötig ist. ausserdem wollte ich eine "formrobuste" geometrie haben. die nach unten gezogene fehlschärfe hat den effekt, dass sich die klingenform durch häufiges nachschärfen (ein gebrauchsmesser ist ein "verbrauchsartikel") nicht wesentlich ändert. die form sieht halt von anfang an so aus, als wäre sie schon zwei jahre nachgeschärft worden ;) und damit ändert sich das erscheinungsbild im verlauf des "lebens" des messers nicht wesentlich.
ausserdem kann man sich mit einem choil immer irgendwo verheddern, wenn man z.b. ein netz oder eine plane zerschneiden will und das schnittgut in den choil rutscht ist feierabend, das sit in der praxis höchst nervig, kann hier aber nicht passieren.
ausserdem gehört es zum konzept, die klingenstärke über der schneide nach häufigem nachschärfen mit zu verringern, so dass ich im hinteren bereich bei ~0,5mm über der schneide bleibe.
über die vorteile eines balligen schliffes und "dünner" klingen zu schwadronieren spare ich mir mal :p
die konstruktion mit dem versteckten erl schien mir die einzig sinnvolle. ein flacherl ist vom stabilitätsgesichtspunkt aus totaler overkill, ausserdem ist es bei nicht rostfreiem stahl von grossem vorteil, wenn nur die klinge frei liegt. man muss halt nur die klinge nach der arbeit abwischen, der rest ist geschützt.
das nächste mal würde ich den erl noch schmaler machen, um den schwerpunkt weiter nach vorne zu bekommen, der gefällt mir nämlich noch nicht (liegt mitte "anderthalb-finger-rille).

wenn ich amerikanische messermacher wäre, würde ich das jetzt das ultimative hyper-tactical spezialmesser nennen :eek: , mir gefällt die bezeichnung wolf im schafspelz besser :p .
insgesamt sieht es finde ich nämlich noch recht zivil aus, obwohl ich es im "ernstfall" gegen die üblichen "tacticals" ums verrecken nicht tauschen würde.
 

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Zuletzt bearbeitet:
Ist genau mein Typ von Messer, sehr schön! Ein Werkzeug, das geradezu danach schreit, gebraucht zu werden. Viel Spass damit!

gruß vic

PS: Wie hast du eigentlich den Griff befestigt?
 
Ja da ist ja wirklich was rausgekommen, das sehr brauchbar aussieht!
Die "besten" Messer sind halt doch die selbstgemachten :super:
Wegen des Griffs wollte ich auch fragen: Hast Du dafür aus einem Schalenpaar eine Vertiefung für den Erl rausgefräst und dann verklebt, oder wie hast Du das gemacht?

Grüße Rainer
 
wie in der natur..

probieren,
verwerfen,
probieren,
wieder verwerfen,
schlichte linien,
schöne form,
perfektes handling

:)

gratulation!!!
 
hiho,
schön, dass es noch ein paar leute gibt, die gebrauchsmessern was abgewinnen können :rolleyes:
ja, der erl ist in zwei eingefräste vertiefungen in die schalen eingelassen. er hat ungefähr die kontur wie das eine kunststoff-modell der klinge (e.), das man auf dem bild sieht (bei dem modell (d.) lassen sich die klingen wechseln, (e.) ist ein modell, dass darstellen soll, wie die klingenkontur nach häufigem schärfen aussieht).
das "fräsen" geht übrigens recht gut auf der bohrmaschine. kleinen proxxon-stiftfräser rein, hohe drehzahl einstellen(!) und das micarta auf dem bohrtisch bei eingestellter frästiefe mit der hand entlang der aufgezeichneten kontur des erls führen. verklebt habe ich den griff dann mit uhu endfest. ich kann jedenfalls die klinge recht weit biegen und mit schmackes mit der flachen seite auf eine tischkante hauen, ohne dass sich an der verklebung was tut. scheint also zu halten.
 
Tolle Klinge. :super:

optimale Länge, 3mm stark (viele Messer werden mit 4mm gefertigt, was ich für die meisten Anwendungen für Überdimensioniert halte),
spitzen Stahl, balliger Schliff, ein perfektes Paket.

Du solltest viel Freude an Deinem Messer haben. :D
 
Ich bin begeistert von deinem Designkonzept und dem daraus resultierenden Messer! Es ist interessant, ein so funktionales Design zu sehen und nicht nur anhand der Bilder zu vermuten, was sich der Designer dabei gedacht hat, sondern dies auch noch in schriftlicher Form vorliegen zu haben. Schön, das du über einen doch recht langen Zeitraum an deiner Idee festgehalten und sie weiterentwickelt hast. Durch die verschiedenen Modelle ist dieser Prozess sehr anschaulich dokumentiert.
Woraus besteht das Modell b. genau?

Schönen Gruß

BlackBlade

P.S.: In schwarz würde mir der Griff jetzt noch besser gefallen... :steirer:
 
irgendwie sind doch starke anleihen beim "mad-dog attack" gemacht worden. was ich jedoch keinesfalls kritisiere.....im gegenteil...........das mad-dog ist immer noch DAS messer mit der besten handlage schlechthin . :super:
 
BlackBlade schrieb:
Ich bin begeistert von deinem Designkonzept und dem daraus resultierenden Messer! Es ist interessant, ein so funktionales Design zu sehen und nicht nur anhand der Bilder zu vermuten, was sich der Designer dabei gedacht hat, sondern dies auch noch in schriftlicher Form vorliegen zu haben. Schön, das du über einen doch recht langen Zeitraum an deiner Idee festgehalten und sie weiterentwickelt hast. Durch die verschiedenen Modelle ist dieser Prozess sehr anschaulich dokumentiert.
Woraus besteht das Modell b. genau?

Schönen Gruß

BlackBlade

hiho,
jo, ich habe sozusagen meinen jahrelangen ärger über schlechtes messerdesign angestaut und dann in kreativität umgestetzt :haemisch:


die modelle (b), (d) und (e) beststehen aus hartschaumplatten aus dem baumarkt ("protex light"), das ist das optimale zeug zum messer-modellbau. 3mm stark, lässt sich mit dem cutter schneiden, feilen, schleifen, sägen, schnitzen...
und v.a. mit sekundenkleber bestens verkleben. dadurch lassen sich nicht nur flächenhafte modelle, sondern durch übereinanderkleben mehrerer schichten auch dreidimensionale (griffe!) erzeugen.. (b) und (d) sind modelle, deren griffe dreidimensional genau so geformt sind wie der des endprodukts. mit der kunststoffklinge kann ich schon druck ausüben und am modell testen, ob die griffgeometrie bei belastung stimmt. da ich studienbedingt meist in meiner kleinen bude am schreibtisch sitze, ist es vorteilhaft, viel zeit in die modelle zu investieren und erst dann, wenn alles passt, "in stahl" zu arbeiten.


@jag: jein. sicher sieht`s ein bisschen so aus, das design ist aber buchstäblich aus wachs in meinen händen entstanden. die parallelen, die da sind, sind also eher zufälliger natur. ausserdem hat mad dog eine fingerrille, ich habe eine "anderthalb-finger-rille" mit den beschriebenen vorteilen!
 
Zuletzt bearbeitet:
dcjs schrieb:
die modelle (b), (d) und (e) beststehen aus hartschaumplatten aus dem baumarkt ("protex light"), das ist das optimale zeug zum messer-modellbau.
Super, vielen Dank für die schnelle Antwort! Danach werde ich beim nächsten Besuch im Baumarkt Ausschau halten.

Schönen Gruß

BlackBlade
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mag Messer, die "evolutionär" aus Prototypen entstanden sind. Vor allem, wenn die "Evolution" so gut dokumentiert ist und man quasi die einzelnen Evolutionsschritte mitverfolgen bzw. nachvollziehen kann! Besser kann man IMHO ein Messer nicht auf die persönlichen Bedürfnisse abstimmen. Wenn dann noch Material und Wärmebehandlung stimmen, sind das IMHO perfekte Messer. 3 mm Klingenstärke und balliger Schliff bei ca. 25 mm Klingenhöhe klingt auch vernünftig, was die Schneidleistung angeht.

Klasse Design! Ich finde es super. Entspricht auf alle Fälle dem F3-Konzept (F3 = Form Follows Function) und meinem M3-Konzept (M3 = Materials & Methods Matter). :D
Gruß
Lars
 
Tolles Messer und toller Thread. Auch ohne die Erläuterungen hat dein Messer schon einen sehr durchdachten Eindruck gemacht - aber wenn man jetzt die eingeflossenen Gedanken (Überl****gen kann ich leider nicht schreiben :D ) so anschaulich nachvollziehen kann, wird es noch mal ungleich interessanter. Ich wünschte, das würde bei mehr Messern (auch von den Profis) so gemacht.

Alle von Dir vorgebrachten Punkte kann ich für ein Gebrauchsmesser dieser Art sehr gut nachvollziehen und wären mir auch wichtig: geringe Klingenstärke, flexible Griffposition, geringer Abstand zwischen Griff und Schneide, Klingengeometrie usw. Insofern gefällt es mir das Messer sehr gut und ich glaube ohne es in der Hand gehabt zu haben, dass es ein toller User ist.

Nur bei einem Detail würde ich persönlich mich anders entscheiden: beim Handschutz. Bei mir kommt es relativ oft vor, dass ich auf Unterlagen schneide und der Handschutz verhindert, dass man den hinteren Teil der Schneide (gerade den Teil, wo man Kraft ausüben kann) dafür nutzen kann. Ich mag es deshalb eher, wenn der Handschutz so in den Griff eingearbeitet ist, wie z.B. Kevin Wilkins das macht. Bedenken mit der Hand in die Schneide zu rutschen, habe ich da nicht. So richtig Sinn macht ein ausgeprägter Handschutz meiner Meinung nach nur bei Fightern.
 
@mark23: was die wärmebehandlung angeht: die hat jürgen gemacht/machen lassen und ich kann ihn in der hinsicht nur weiterempfehlen! keine ausbrüche bei kontakt mit harten materialien und geschärft ist das ding im moment so auf ~0,8 Roman :teuflisch
ich kann eins von meinen relativ dünnen haaren zwischen zwei fingern gehalten ca. 1cm von den fingern entfernt durchschneiden :)

@lacis: das mit dem handschutz ist anscheinend eine geschmacks- bis glaubensfrage. meine ansicht dazu ist: wenn ich eine scheibe wurst schneiden will kann ich das notfalls auch mit handschutz, wohingegen ich gewisse sachen ohne handschutz nicht (gefahrlos) machen kann.

@jürgen: der griff würde mir noch ein kleines bisschen besser gefallen, wenn das micarta oliv wäre :rolleyes:
war das gerade nicht vorrätig?
 
Zuletzt bearbeitet:
ich hab noch mal eine der interessanteren klingenvariationen ausgegraben.
wie gesagt, es gab viele um- und abwege... das hier ist ein gedanke für einen reinen skinner. könnte aber auch was für die leute sein, denen der handschutz sonst zu weit vorsteht ;)

@jürgen: jaaa... genau :haemisch:
 

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@dcjs,
sorry - beim nächsten mal bekommst du ein paar extra....
aber ich wusste doch gleich - das braune sieht besser aus :)
 
Moin,

nachdem nun gut ein Jahr der Benutzung vergangen ist, kann ich sagen, dass das Messer meine Erwartungen im wesentlichen erfüllt hat. Das Design "funktioniert" für mich hervorragend, was man vor allem daran merkt, dass ich seitdem kein Fixed dieser Grössenordnung mehr mit begehrlichen Blicken bedacht habe - es gibt einfach nichts zu kaufen, was meine Anforderungen an ein Gebrauchsmesser insgesamt besser erfüllen würde.
Das Messer ist mein Fixed-EDC, entweder in der rechten vorderen Jeanstasche in der "Kydex-Nickerscheide" oder im Rucksack.
Da ich gerne die Grenzen von Messern auslote, um ein Gefühl für die Belastbarkeit des Materials zu bekommen, habe ich die Schneide nicht geschont (alles mögliche und unmögliche schneiden und hacken, Dosen öffnen etc. :rolleyes: ) und hin und wieder sogar gezielt misshandelt (aus Brusthöhe mit der Spitze auf Beton fallen lassen :eek: ).
Durch das viele Nachschärfen (das ganze war ja sozusagen ein Verschleisstest im Zeitraffer ;) ) hat die Klinge an der Schneide schon einiges an Material verloren, was aber aufgrund der Klingenform nicht weiter negativ auffällt - das Konzept der "Formrobustheit" funktioniert! :)
Ein Lob noch mal an Jürgens Wärmebehandlung, die Klinge ist bei allen Misshandlungen weitgehend von Ausbrüchen verschont geblieben und liess sich mit Handschleifmitteln in kurzer Zeit wieder herrichten. Nur der "Spitze vs: Betonboden"-Test hat ~1,5mm der Spitze gekillt, aber das war nicht anders zu erwarten und auch per Hand wieder auszubügeln.
Dieses Messer war von Anfang an als Prototyp gedacht, um im zweiten Anlauf aus der praktischen Erfarung heraus Verbesserungen anbringen zu können. Viel mehr als leichte kosmetische Änderungen werden aber wohl nicht nötig sein, zumindest nicht was die Form angeht.
Die nächste Version bekommt wohl eine Klinge aus 1.2552 und dann endlich einen olivgrünen Micartagriff (Jürgen, steht dein Angebot noch? :steirer:).
Ausserdem habe ich noch eine etwas größere Ausgabe im Modellstadium - mehr Zeit müsste man haben!

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