Kurze Definitionen haben den Vorteil, prägnant und scheinbar einfach zu sein. Der Nachteil ist, daß sie oft doch zu sehr vergröbern und zu kurz greifen.
Ich will mal versuchen, zu erklären, was das Wesen der Schnellarbeitsstähle ausmacht. Wer das vertiefen will, sollte das Standard-Werk von W. Haufe. " Die Schnellstähle und ihre Wärmebehandlung" zu Rate ziehen.
Also: Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es gelungen, Werkzeugstähle mit großer Reinheit herzustellen. Mit der stürmischen Entwicklung des Maschinenbaus stand man aber vor dem Problem, die Bearbeitszungszeiten für die Fertigung der immer größer werdenden Bauteile zu verkürzen. Die an sich vorzüglichen- und für die Fertigung feiner Schneiden nach wie vor unübertroffenen- Kohlenstoffstähle und leicht legierten Werkzeugstähle ertragen aber keine hohen Arbeitsgeschwindigkeiten, weil dadurch an der Werkzeugschneide Temperaturen von über 200 Grad C entstehen, die zum Erweichen des Werkzeugs und damit zum Verlust der Schneideigenschaften führen. Ein erster Schritt zur Entwicklung von Drehstählen für höhere Schnittgeschwindigkeiten ergab sich durch die Anhebung des Wolfram- und C- Gehalts, da die sehr harten Karbide die Verschleißfestigkeit schon deutlich erhöhten und auch die Anlaßbeständigkeit verbessert wurde.
Der wirkliche Durchbruch kam aber, als man bemerkte, daß hoch wolframlegierte Stähle bei Härtung aus hoher Temperatur am besten schnitten, wenn der Span des Werkstücks schon blau ablief.
Man entdeckte auf diese Art die neue Art der Wärmebehandlung mit Abschrecken von Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt und Anlassen bei ca. 550 Grad C, was zu einer Erhöhung der Härte gegenüber dem nicht angelassenen Zustand und zu einer mehrfach höheren Schnittgeschwindigkeit führte. Logischerweise wurde der Stahl, dessen Sekundärhärtemaximum bei 550-580 Grad C lag, auch bei einer Erhitzung im Einsatz auf diese Temperaturen nicht weicher.
Ursprünglich ging man davon aus, daß diese Fähigkeit, beim Einsatz als Drehmeißel wesentlich höhere Schnittgeschwindigkeit zu erlauben, allein vom Wolfram abhängig war. Bald entdeckte man aber, daß durch Beigabe von Chrom Wolfram gespart werden konnte und daß Molybdän und Vanadium das Wolfram ganz oder teilweise ersetzen konnten.
Die entscheidende Eigenschaft, die einen Stahl zum Schnellarbeitsstahl- besser eigentlich- Schnelldrehstahl- macht, ist die hohe Härte bei erhöhter Einsatztemperatur, bedingt durch das Auftreten eines ausgeprägten Härtemaximums bei Anlasstemperaturen um und über 550 Grad C.
Alle modernen Schnellarbeitsstähle enthalten um 4 % Chrom, Wolfram, Molybdän und Vanadium und -wenn es um besondere Warmfestigkeit geht- Kobalt.
Die Wirkung der einzelnen Legierungselemente ist teilweise austauschbar, teilweise aber auch spezifisch. Wolfram kann in etwa durch die Hälfte Molybdän ersetzt werden. Überwiegend wolframlegierte Schnellstähle werden im englischen Sprachgebrauch mit T= tungsten gekennzeichnet, überwiegend molybdänlegierte mit M. Vanadium wird zugesetzt, wenn durch extrem harte Karbide die Verschleißfestigkeit angehoben werden soll. Im korrekten Sprachgebrauch werden nur kobaltlegierte Schnellstähle als HSS= Hochleistungsschnellstähle bezeichnet. Da aber jeder mit "Hochleistung" protzen will, hat es sich eingebürgert, alle Schnellstähle mit HSS zu bezeichnen. Für unsere Zwecke ist das irreführend, da die kobaltlegierten Schnellstähle zwar höhere Schnittgeschwindigkeiten vertragen, aber weniger zäh sind.
Die Faustregel mit den 7 % Wolfram, Molybdän, Vanadium oder Kobalt ist irreführend: 7 % Wolfram allein würden noch keine Schnellstahleigenschaften bringen, ebensowenig die anderen Elemente.
Es ist immer ein Anteil von ca. 4 % Chrom erforderlich, die andern Elemente müssen gemeinsam etwa 8 % ausmachen. Im Krieg wurde wegen der Rohstoffknappheit ein Sparstahl mit ca. 1 % C, 4 % Chr, 3 % W, 3 % M und 2 % Van entwickelt, der die Anforderungen noch einigermaßen erfüllte.
Viele PM- Stähle sind so hoch legiert, daß sie unter die "7 %-Regel" fallen würden, haben aber gleichwohl keine Schnellstahleigenschaften. Der extrem verschleißfeste CPM 10 V etwa enthält 10 % Van. und etwas Molybdän, ist aber kein Schnellstahl.
Die Erhöhung des Chromgehalts bringt alleine auch nichts. Man hat in der alten Sowjetunion, die über reiche Chromlager verfügte, umfangreiche Versuche in dieser Richtung unternommen, die aber letztlich erfolglos blieben.
MfG. U. Gerfin