Messer geschmiedet?

foersterine

Mitglied
Beiträge
2
Hallo,

auf der Seite eines Messeranbieters fand ich folgende Aussage:

"Der Schmiedevorgang bewirkt eine Verdichtung des hochwertigen Stahls,
wodurch die Zähigkeit und Ausrichtung der Struktur enorm verbessert wird.
Dies wirkt sich insbesondere auf die Langlebigkeit der Schneide aus"

Ich persönlich halte das für Humburg. Was sagen die Fachleute?
Sehe ich das falsch?
 
Naja, Alex, Du bist ja auch noch neu im Forum. :D

Stahl kann man nicht verdichten. Die Struktur kann man allerdings durch Schmieden neu ausrichten und dadurch in einem gewissen Rahmen technische Verbesserungen erreichen.
 
In der Hoffnung, daß hinter der Frage echtes Interesse steckt, schließe ich mich der ersten Antwort an. Als Einstieg sind die Bücher von Havard Bergland zu empfehlen. Havard beschränkt sich auf die wesentlichen Gesichtspunkte und ist deshalb leicht zu verstehen und die vielen schönen Bilder sind eine gute Motivationshilfe.
Nach oben sind den Lese- und Erkenntnismöglichkeiten keine Grenzen gesetzt, gerade Deutschland hat eine vorzügliche Stahlliteratur, die allen Ansprüchen genügen kann.
Auch hier im Forum ist die Frage nach der Möglichkeit, durch Schmiedebehandlungen die Eigenschaften von Stahl zu verbessern, ausführlich erörtert worden.
Geht es nur um die Beantwortung einer beiläufig aufgekommenen Frage:
Die Verdichtung von Stahl durch Schmieden-oder wie auch immer- ist Humbug. Das würde voraussetzen, daß das spezifische Gewicht höher wird. Man hat das früher geglaubt, weil man aus den teilweise noch recht porösen und mit (spezifisch leichteren) Schlacken versetzten Eisenstücken die Poren und die Schlacken austreiben konnte und das spezifische Gewicht sich dadurch auf das der entsprechenden Eisen- oder Stahllegierung regulierte. Unterschiedliche Legierungen des Stahls können durchaus ein höheres oder niedrigeres spezifisches Gewicht haben. Hoch mit Wolfram legierte Stähle kommen auf über 8.
Sind Stähle aber normal schlacken- und porenfrei, wovon man bei den heutigen Qualitäten ausgehen kann, können sie durch Hämmern nicht verdichtet werden.
Richtige Schmiedebehandlung in Kombination mit durchdachter Wärmebehandlung kann das Gefüge bestimmter Stähle verfeinern, was eine deutliche Verbesserung der mechanischen Eigenschaften bewirkt -und zwar sämtlicher erwünschter Eigenschaften.
Durch falsche thermomechanische Behandlung kann man aber ebenso gut jeden Stahl verderben.
Man merke: Verbessern kann man nicht alle, versauen aber wohl !
MfG U. Gerfin
 
hallo Bernhard,

ob man da wirklich von einem Verdichten sprechen sollte? Beim Kaltverfestigen werden Gitterfehler im Material bereinigt. Erst durch diese wird Metall verformbar. Sind alle Gitterfehler "aufgebraucht" und das Gitter ist perfekt, dann ist das Material starr und spröde ähnlich wie bei einem Mineral.
Bei dem ganzen Prozess ändert sich nichts am spezifischen Gewicht des Stahls.

mfg
Ulrik
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für die Antworten! Sorry, ich habe nicht richtig auf meinen Punkt hingewiesen. Ich bin auf der Suche nach einem neuen Messer auf das Zitat aufmerksam geworden.

"Dies wirkt sich insbesondere auf die Langlebigkeit der Schneide aus"

Dieser Satz bedeutet, so wie ich ihn verstehe, in der Konsequenz, dass ein geschmiedetes Messer länger scharf bleibt. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob ein geschmiedetes Messer länger scharf bleibt oder ob ein gestanztes Messer genauso lange scharf bleibt, es also nichts mit Schmieden oder Stanzen zu tun hat.
 
Nur weil ein Messer geschmiedet ist bleibt es nicht länger scharf als ein nicht geschmiedetes Messer aus demselben Werkstoff, der dieselbe Wärmebehandlung erfahren hat, dasselbe Gefüge und dieselbe Schneidengeometrie aufweisst.

Ausserdem wird der Begriff "Schmieden" heute sehr oft ziemlich grosszügig verwendet und sehr viele Kunden haben völlig falsche Vorstellungen davon was hierunter zu verstehen ist. In den meisten Fällen bedeutet dies dass die Klinge im Gesenk geschmiedet wurde, d.h. der Rohling wird im glühenden Zustand in ein Gesenk eingelegt und mit einem Schlag in Form gebracht, Typischerweise geschieht dies in einem Folgegesenk so dass die gewünschte Form mittels einiger weniger Schläge in aufeinander abgestimmten Gesenken erzeugt wird.

Bei den geschmiedeten Küchenmessern verschiedener Solinger Hersteller wird z.B. die Verdickung zwischen Klinge und Griff (der Kropf) dadurch erzeugt dass Flachmaterial zwischen zwei hydraulischen Spannzangen gespannt wird, anschliessend ein entsprechend hoher Strom durch das gespannte Flachmaterial geleitet wird wodurch sich das Material bis zur Gelbglut erwärmt. Anschliessend werden die beiden Spannzangen hydraulisch zusammengefahren um das zu stauchen. Auch das wird als "Schmieden" bezeichnet, deckt sich aber sicher nicht mit dem was sich viele Messerkäufer darunter vorstellen.

Die Aussage dass ein Messer geschmiedet ist sagt also zunächst einmal nicht viel über dessen Qualität aus, viel wichtiger wären da z. B. präzise Angaben zum verwendeten Klingenstahl und zur Härte der Klinge.
 
Hallo,

ich will das Ganze nicht überstrapazieren, aber Post #7 ist sachlich nicht ganz richtig:

Klar, die plastische Verformung erfolgt durch die Bewegung von Fehlstellen im Material (="Versetzungen"). Richtig ist auch, dass einkristalline Materialien i.a. spröde sind.
Aber beim Kaltverformen werden erhebliche Mengen an Versetzungen zusätzlich in das Material eingebracht. Diese oder besser die Spannungsfelder (bildlich: Verzerrungen) um sie herum behindern sich gegenseitig in der Bewegung, daher die Verfestigung = erhöhter Widerstand gegen plastische Verformung.
Um die Defekte wieder auszuheilen, muss man schon die Temp. erhöhen, damit die Diffusion erleichtert wird = Atome wandern in die Lücken/Leerstellen.

Gruß,
Daniel
 
hallo!

ich muss euch beiden recht geben. ich habe da wohl meinem Lehrer ein wenig zu sehr vertraut. Habe mich gerade ein wenig in die Thematik eingelesen und nehme daher alles zurück :hmpf:

mfg
Ulrik
 
Zurück