Mit 20 Kilo Messer auf Reisen...

HeinrBoker

Moderator Forum Böker und CRKT
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Wer mit gut bestückter Messerkollektion durch die Welt fliegt, kann was erleben. "Willst Du erfolgreich Messer verkaufen, mußt Du Deinen Kunden beeindrucken." In meinem Fall besorge ich das nicht selbst – ich überlasse das meinem Messerkoffer mit etwa 50 Appetithappen, fein säuberlich aufgereiht. Dieser Grundsatz gilt auch z.B. für England und Rußland, was man vernünftigerweise per Flugzeug erreicht.

Flughafen Köln-Bonn, Sonntagabend. Gähnende Leere, nur noch mein Flieger nach London und eine Sardinenbüchse mit Propeller nach Innsbruck waren abzufertigen.
Der Flug nach London verspätete sich um sechzig Minuten. "Her Felix-Dalichow, bitte zum Schalter 19!" Mir war sofort klar was dahinter steckt: Meine Messer machten mich verdächtig – oder interessant?
"Diese Messer sind alle illegal !" behauptete der Oberbedienstete an den mir allzu bekannten Duchleuchtungsgeräten.
"Gegen welches Gesetz verstoßen sie denn?" war meine Gegenfrage.
"Es gibt ein ein neues Waffengesetz seit 2 Jahren."
"Das ist nicht ganz richtig! Das neue Waffengesetz ist seit 4 Jahren in Kraft uns keines dieser Messer verstößt dagegen."
"Das werden wir gleich haben, wir holen jetzt den BG."

Zwei junge Beamte des Bundesgrenzschutzes betreten die Szene.

"Guten Abend Herr Felix-Dalichow, Ihre Firma ist mir sehr bekannt. Toll, daß ich mal Ihre Produkte so aus der Nähe sehen kann. Was kostet denn das Heckler & Koch Messer heute im Laden? Mit diesem Kauf liebäugle ich schon lange."
Nach einem eingehenden Messerfachgespräch: "Wir wünschen Ihnen einen guten Flug, war wirklich toll Sie kennen zu lernen."

Mein Schlaumeier von der Sicherheit hatte sich inzwischen verzogen :p

Szenenwechsel: Flughafen Moskau, auf der Reise nach St. Petersburg. Erst nach einer kompletten Gepäckkontrolle darf man in Moskau überhaupt erst das Gebäude betreten. Was kommen mußte kam prompt: Auch der russischen Sprache nicht mächtig, war ich vorbereitet, zeigte Katalog, Visitenkarte und Paß um mich somit als Hersteller dieser Produkte auszuweisen. Ein Uniformierter mit noch mehr Orden oben links auf der Brust übernahm den Fall, klappte den Koffer zu "moment please" und verschwand mit meiner Kollektion hinter einer schmuddeligen Tür. Ich blieb ganz ruhig, hatte ich doch aus Erfahrung für solche unkalkulierbaren Zwischenfälle reichlich Zeit eingerechnet. Nach zwanzig Minuten öffnete sich die Schmuddel-Tür, meine 20 Kilo am langen Arm des besagten Uniformierten näherten sich mir. Freundliches Grinsen "OK" - ich war durch. Nicht ganz, denn bis ich endlich in das Auto meines Geschäftsfreundes am Flughafen von St. Petersburg steigen durfte, war mein Koffer noch dreimal Gegenstand der Diskussion an Sicherheitskontrollen. Das erhöht nicht gerade den Spaßwert dieser Reisen, ist aber Teil der Spielregeln.

Als ich nun endlich meinen Koffer zweckgebunden öffnen konnte, um die Böker-Messer auf meinen Kunden wirken zu lassen, war ich zunächst selbst perplex – hatte sich doch mein Uniformierter in Moskau selbst bedient und die Böker-Turbine "entnommen". Um meinen Schmerz zu lindern und keine häßliche Lücke in der Messerreihe entstehen zu lassen, kam er mir entgegen und füllte die Lücke mit einer häßlichen, widerlichen Möhre, die er wohl seit den 70ziger Jahren sein eigen nennt.

russen-messer.jpg


Jetzt liegt sie in meiner Sammlung von zahllosen Chinakopien unserer Böker-Modelle, allen voran, die unzähligen nachempfundenen Speedlock "Knock offs".

Derzeit bin ich wieder unterwegs .........

Beste Grüße
E.-W. Felix-Dalichow
 
Schöner Beitrag -

wer weiß, vielleicht ist die Möhre ein russisches Custom im Wert von 1200.- (Rubel) und er wollte Ihnen ein Gastgeschenk machen?
 
Hallo Herr Felix-Dalichow,

tut mir natürlich leid für Sie aber ich musste gerade heftig lachen! Tolle Schilderung!

Ich habe da ähnliche Erfahrung mit russischen Behörden. Sehen Sie's doch einfach als "übliche" Gebühren für die Zollabfertigung. ;)

-Walter
 
Das erinnert mit an die Uhrentauschszene zum Ende von "Red Heat"... :)

Aber soviel Sachkenntnis hätte ich dem russischen Herrn in Uniform gar nicht zugetraut...ich hätte auch das Turbine genommen! :hehe:
 
Sorry, aber ich schmeiß mich gerade weg vor Lachen.

Vielen Dank an Böcker für diese tolle Schilderung aus dem echten Leben. Ist doch ganz schön, dass man, mit etwas Verstand und gutem Willen, mit den "höchstgefährlichen, verbotenen Gegenständen" durchkommt.
Da sieht man mal, wie überflüssig die ganze Panik ist, die nur allzugerne gemacht wird...
 
Klasse Story

Schöne Geschichte , Danke.

Der Herr mit dem Kilogramm Orden an der Brust hat aber einen guten Geschmack,sein Benehmen möchte ich nicht bewerten.
Vielleicht ist es dort üblich?
 
Jetzt liegt sie in meiner Sammlung von zahllosen Chinakopien unserer Böker-Modelle, allen voran, die unzähligen nachempfundenen Speedlock "Knock offs".

Hi,

Vielen Dank für die Geschichte!
Hätten Sie nicht Lust einmal ein Bild von dieser Sammlung hier zu zeigen wenn sie wieder im Lande sind? Ich glaube, das wäre ein echter hingucker :eek:

Vielen Dank und Grüße
Olli
 
Klasse Beitrag:steirer: . Wenigstens hatte er Geschmack der Kamerad. Ich hätt in Russland auch net unbedingt bei so ner Aktion protestiert:D

Gruss Patrick
 
Habe eben mit meinem Nachbarn(kommt aus Weißru0land) darüber gesprochen. Der meinte der beamte kann von dem Erlöß des Messers bestimmt 4 Monate gut leben und zum Glück ist nur eines weggekommen, wenn auch ein sehr gutes.
 
Bin ich der einzige, dem bei "moment please" klar war, was kommt?

Ich hätte mir auch das Turbine ausgesucht. :D
 
Also ehrlich, ich dachte auch, dass mehr fehlt.

Wirklich schön, dass Sie dieses Geschichte zum Besten gegeben haben, aus dem Nähkästchen geplaudert gefällt mir gut. Die Vorstellung von Musterkoffern bei Waffen-/Messerhändlern löst bei mir immer ein ehrfürchtiges "ooohh" :staun: aus. Sowas ist toll...

Gruß

Patrick
 
sollte der gute Mann dieses Messer seit den 70er Jahren sein eigen genannt haben, muß ich aber den Hut vor der Sovjetischen Schneidwarenindustrei ziehen, das Design (sieh Bild unten) wäre für die Zeit doch sehr innovativ gewesen ...

Sehen Sie es positiv: Sollte die (oder das?) Turbine nicht versilbert worden sein, ist es bei diesem Herren bestimmt in gute Hände geraten!
 
Moin

Wie es in der Welt der Messer halt zugeht.:glgl:
Und ich habe die Geschichte mit Vergnügen gelesen.
Ich hoffe noch mehr so interessantes über Messer auf Reisen lesen zu dürfen.


Grüße Andy
 
Ich finde das turbine auch sehr schön. denke mir das hätte mir auch passieren können das ich mir das messer genauer anschaue und vergesse es zurückzulegen.
Aber auch nur wenn ich Russischer Beamter wäre.:glgl:
 
Hallo Herr Felix-Dalichow,
auch von mir ein Feedback an Sie: Sehr nette Stories.
Schreiben Sie die "Turbine" doch als Werbegeschenk ab (es war hoffentlich nicht die 001) und schicken Sie einen Magnum-Katalog an die
Offiziellen in St. Petersburg.
 
Hallo Herr Felix-Dalichow,
auch von mir ein Feedback an Sie: Sehr nette Stories.
Schreiben Sie die "Turbine" doch als Werbegeschenk ab (es war hoffentlich nicht die 001)

Das Problem ist aber nicht, dass sich Böker nicht ein paar verschenkte Messer leisten könnte, sondern dass man nackerd vorm Kunden steht. Wenn man schon in Naturalien bezahlen müsste, wärs nett, die Herren würden vorher ner Liste rausgeben, was denn so akzeptiert wird und welche Stückzahlen denn genehm wären. :steirer:

BTW, wusste gar nichts vom neuen Sondermodell der Turbine mit grünen Griffschalen. Nette Idee :lach:

BTW2, würde die Sammlung lieber erst nach weiteren Reisen in ferne Länder sehen. Einmal damit um die Welt und Sie haben eine Sammlung ortstypischer Schneidgegenstände.

Grüße
Pitter
 
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