So, dann haue ich auch mal meinen Senf raus...
1. zu den Stahlarten und einer groben Abgrenzung
Karbonstähle wie beispielsweise "Swedish Carbon", 1.3505/52100, Aogami (Super) und Shirogami, oder die eben auch von Omas Herder Schälmesser bekannten C-Stähle (C60, C75, etc):
+ im Vergleich zum Solinger rostträgen Molly-Stahl wie Zwilling & Co ihn nutzen weitaus leichter zu schärfen
+ erlauben hohe Härtegrade, kleinere Schneidwinkel und somit eine höhere Schärfe, bzw. eine bessere Schnittgeometrie
- reagieren mit säurehaltigen Lebensmittel und können diese verfärben und geben eventuell einen nach Eisen riechenden Geruch ab... alles harmlos, aber kann sich nicht jeder für begeistern...
- bilden eine Patina aus, die optisch nicht jedermanns Sache ist
- bei unsachgemäßer Pflege rosten die Messer... in der Spüle versenken und dann am besten noch für den restlichen Abend feiern gehen, oder feucht über einen längeren Zeitraum rumliegen ist also ein No Go
Ich
persönlich halte den Pflegeaufwand für eher unproblematisch, der ist also geringer als man es sich erst einmal vorstellt. Man muß aber klar sagen, daß die damit verbundene Disziplin nicht jedermanns Sache ist und es auch eine Reihe guter rostträger oder semi-rostträge Stahlsorten gibt, die sich leicht schärfen lassen und super schneiden, dank dünn ausgeschliffener Klingen mit geringen Schneidwinkeln... Es gibt aber gerade im Bereich der sogenannten Dreilagenmessern auch einige, bei denen der Karbonstahlkern in einen Mantel aus Edelstahl-Flanken eingebettet ist. Die sind eine kleine Ecke pflegeleichter als Monostahl-Karbonklingen. Von Dreilagen-Klingen mit Eisenflanken bin ich kein großer Freund, da häufig es das Eisen ist was am stärksten mit Lebensmitteln reagiert oder Flugrost anzieht und im Gegensatz zum Karbonkern, kriegt man die Eisenflanken auch mit einer erzwungenen Patina nie ganz ruhig gestellt.
Rostträge oder im Volksmund rostfreie Messer genannt...denn 100% rostfrei sind die nicht, nur tritt der Rost bei sachgemäßer Benutzung nicht auf... wenn du ein Zwillingsmesser aber in der Nordsee versenkts und Jahre später wieder rausfischst, oder ein Messer konsequent jahrelange durch die Spülmachine jagst, kriegst du auch irgendwann Korrosionsspuren...
+ keine Schnittgutverfärbung, keine Geschmacks oder Geruchsbeinträchtigung
+ wenn der Griff aus einem wasserfesten Material ist, würden sie auch ein Bad in der Spüle überleben... wovon ich aber eh von abrate, da ein im trüben Spülwasser versenktes Messer ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential hat... Spülmachine sollte man keinem Küchenmesser antun, was mehr als einen einstelligen Betrag gekostet hat...
- die meisten Stähle bei gängig erhältlichen Messern sind eher weich und schwer zu schärfen
- halten kleine Schneidwinkel schlechter, kommen also auf eine schlechtere Topschärfe und verlieren diese schneller...
Aber hier gibt es wie gesagt Ausnahmen...die hier im Forum beliebten Schwedenstähle wie AEB-L/13C26, 19C27 oder auch 14C28N, der von Schanz genutzte SB1 Stahl oder der auch Stähle wie VG10 oder Ginsan aus Japan, erlauben höhere Härtegrade und haben ein feines Stahlgefüge, was bei gut gewählter Klingengeometrie eine Performance ergibt, die für den normalen Hausgebrauch deutlich über dem Solinger Allerlei liegt und sich hinter Karbonstahlmessern nicht verstecken muß... Beispiele für Hersteller/Serien wurden ja schon genannt: Ashi Hamono, Schanz (Lucidus), Misono UX10 wären nur einige Beispiele...
Semirostträge Stähle liegen quasi zwischen den beiden Welten... Beispiele dafür wären SKD, SLD oder der Stahl der Carbonextreihe von JKI.
+ keine Schnittgutverfärbung, keine Geschmacks oder Geruchsbeinträchtigung
+ erlauben hohe Härtegrade, kleinere Schneidwinkel und somit eine höhere Schärfe, bzw. eine bessere Schnittgeometrie
+ leichter zu schärfen als das typische Solinger Kochmesser
- der Stahl kann eine leichte Patina mit der Zeit ausbilden
- der Stahl rostet zwar nicht so schnell wie echter Karbonstahl, man sollte die Messer aber schon zeitnah abtrocknen und nicht über längere Zeiträume im Wasser stehen lassen...
Ist eine nette Kompromißgeschichte, angesichts deines Budgets würde ich die aber übergehen und mich bei den guten rostträgen Stählen umschauen... oder eben je nach Einsatzgebiet über Karbonstahl nachdenken. Was mich zum Schluß meines Beitrags bringt:
10-15cm Petty oder 10-11cm Spick/Universalmesser: Würde ich persönlich aus einem guten rostträgen Stahl wählen. Weil das eben genau die Art von Messer sind, die am ehesten von Leuten/Gästen mitbenutzt werden, die sich um die Pflege wenig scheren oder die beispielsweise bei der Verarbeitung von Obst zum Einsatz kommen. Und gerade bei Obst geistern eben recht viele säurehaltige Lebensmittel rum...
Nakiri: hier geht eigentlich jede Stahlart recht gut, ist eben eine Budgetfrage... wenn man bei Petty und Slicer/Sujihiki etwas sparen kann, wäre mein Favorit wohl das 17cm Schanz Lucidus Nakiri, einfach weil der Markt an guten Nakiris mit westlichem Griff relativ klein ist oder man schnell in Budgetregionen landet, die weit jenseits deiner Vorstellung liegen (Tanaka R2)
Gyuto: Würde ich wie beim Petty zum rostfreien Stahl greifen, besonders wenn das Messer eventuell etwas grober herangenommen wird (Nüsse, viel Wiegeschnitt)... bei ~22cm wäre Schanz auch wieder eine gute Option, weil der Stahl eben sehr robust ist und trotzdem eine sehr gute Schärfe erzielt.
Slicer: Ist eben so eine Sache... Ob man da viel oder wenig Geld für einen Slicer verplant hängt, mMn vom Stellenwert bzw. der Nutzungshäufigkeit ab... dasselbe gilt für die Stahlwahl...wobei ich hier gewisse Vorteile beim Karbonstahl sehe, da man mit dem Messer ja in der Regel keine Zwiebeln würfelt oder Orangen filetiert und somit das Thema Säurehaltige Lebensmittel kein Problem darstellt. Dafür kann man aber theoretisch aus dem Stahl eine Schärfe rauskitzeln, die über dem von rostfreiem Stahl liegt... das wäre dann interessant, wenn du Lachs selber dünn aufschneidest und dann beizt, oder Planung in Richtung Sushi/Sashimi hast... wenn du
ein Messer suchst, mit dem du Wild tranchieren und große Lachsseiten von der Haut trennen willst, würde ich zu einem Slicer greifen, der länger als dein Kochmesser ist. Letzendlich führen bei der Verarbeitung von Fisch aber mehrere Wege nach Rom... du kannst den ganzen Lachs mit einem flexibel westlichen Filiermesser filetieren und dann die Haut mit dem großen Küchenmesser runterziehen... du kannst auch mit einem 15er Petty filetieren und dann mit einem langen Slicer die Haut runterziehen, der dann nebenher noch zum tranchieren von Braten dient... Oder eine andere Kombination zwischen den 4 Messern... Ich hab z.B. kein echtes kurzes Filetiermesser, aber besitze dank Impulskäufen und zeitweiligen Anflügen von Größenwahn gleich zwei Petty-Messer (14&20cm) und zwei Slicer (23&29cm)... hätte ich sie nicht, würde ich die Haut von einer Lachsseite auch mit einem großen Gyuto runterkriegen, aber mit dem Suji macht es eben doch irgendwie bisserl mehr Spaß und damit einen Braten zu tranchieren, sieht vor Gästen&Verwandten eben doch eine Spur imposanter aus, als mit einem kurzen Kochmesser den Weihnachtsbraten zu zersäbeln...
Theoretisch könntest du auch alles was du brauchst bei Herrn Schanz kriegen, nur geht das dann übers Budget hinaus (weil eben Nakiri&Kochmesser beide über 200€ sind und der speziell angefertigte Slicer mit Sicherheit erst recht)...andererseits ist die Qualität einfach auch 1a und die Messer werden dir ein Leben lang treue Dienste leisten und an etwaige Kinder vererbt denen dann auch noch...