Nitrieren von 1.4034

Norbert

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Hallo WB- Experten,

hier mal eine Frage zur Wärmebehandlung, die nicht direkt aus dem Messerbereich kommt.

Ein Zulieferer hat einen Vakuumgreifer aus 1.4034 fertigen und diesen zwecks Oberflächenhärtung
nitriert. Das Bauteil wurde keiner anderen Wärmebehandlung unterzogen. Gehärtet werden sollte das Bauteil,
um bei der abschließenden Schleif- und Läppbearbeitung bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Argumentiert wurde, dass die Nitrierung schneller geht als eine klassische Wärmebehandlung.
Im Betrieb war dieser Greifer einer leicht sauren Atmosphäre ausgesetzt
und er begann nach kurzer Zeit zukorrodieren.

Meine Frage zielt erstens darauf, ob es überhaupt Sinn macht, rostträge martensitische Stähle zu nitrieren.
Zweitens, wenn man das tut, ob es nicht notwendig ist, zusätzlich eine Wärmebehandlung durchzuführen,
um überhaupt nennenswerte Rostträgheit zu erhalten.

Bislang dachte im Zusammenhang mit Nitrierung immer an klassische Nitrierstähle wie zb: 31CrMo12
oder 31CrMoV9.

Vorab vielen Dank für Eure Hilfe.

Viele Grüße

Norbert
 
Hallo Norbert

Puh, was heißt denn "Leicht saure Atmosphäre"?
Ich glaube kaum, dass da ein "Rostträger" wie 4034 auch mit Nitrierschicht auch nur Ansatzweise bestehen kann. Allerhöchstens ein Va oder sowas. Aber kleine Ahnung ob es Sinn macht, den zu nitrieren.

Beim Nitrieren wird wohl üblicherweise nicht mehr gehärtet, das Grundbauteil aber vorher vergütet, um einen feinkörnigen, zähen Kern zu erhalten. Die Korrosionsbeständigkeit wird durch Nitrieren verbessert. Verbessert, mehr nicht!

Wenn man dann mit Säuredämpfen kommt, und sei es nur Essig, ist schluß mit Korrosionsbeständig. Sowieso bei geläppten Flächen, die auch geläppt bleiben sollen. Die niedriglegierten Nitrierstähle können das natürlich auch nicht. Es müssen hier Säurebeständige Stähle her, würde ich sagen!

Edit: Und wenn irgend möglich würde ich auf eine Wärmebehandlung ganz verzichten und Hartmetall auflöten oder sowas.
 
Grande Problem...

na da hat man den Teufel mit dem Belzebub versucht auszutreiben.
Chromstähle im allgemeinen lassen sich oft nur schwer nitrieren.

Chrom ist ein besonders starker Stichstoffbinder und sobald N zutritt wird Chrom sofort gebunden in Nitride.
Das führt dazu, dass der Chrom aus der Grundmasse verschwindet. Diese Chromverarmung ist dann gleichzeitig dafür verantwortlich, dass die Korrosionsbeständigkeit des Grundmaterials dramatisch abnimmt.

Zudem kommt noch dass sich die, für die Korrosionsbeständigkeit beim Nitriren entscheidnede Nitrierschicht nicht geschlossen ausbilden kann.

Ergebnis Lochkorrosion und Flugrost.

Ergo falscher Werkstoff, bzw flasches verfahren für den Job

Für diesen Tipp knöpft Dir ein Werkstoffsachverständiger oder Anlagenhersteller mal gleich ein paar tausend Euronen ab.
 
@ Arno,

danke für die schnelle Reaktion.

Zur Korrosionbeständigkeit nach Nitrierung habe ich folgendes gefunden:

Bei korrosionsbeständigen Stählen ist zu beachten, dass keineVS [Verbindungsschicht]
wie bei den niedriger legierten und unlegierten Stählen entsteht
und dass die Korrosionsbeständigkeit durch Nitrieren oder Nitrocarburieren herabgesetzt wird.

Zitat aus:
Merkblatt 447
„Wärmebehandlung von Stahl – Nitrieren und Nitrocarburieren“
Ausgabe 2005 ISSN 0175-2006
Herausgeber: Stahl-Informations-Zentrum,
Postfach 10 48 42, 40039 Düsseldorf


Zum Einsatzfeld:

Es besteht hier kein prinzipielles Werkstoffproblem, Greifer aus vergütetem 50cr13 oder aus 1.4112 überstehen die leicht saure , ameisensäuredampfhaltige Stickstoffatmosphäre auf Dauer ohne Probleme.
Hartmetall wäre wegen der Härte und den damit erreichbaren Oberflächengüten wünschenswert, ist aber nicht mit vertretbaren Kosten bearbeitbar.

Wie gesagt, mir gehts nur darum, ob eine Nitrierung anstelle einer vernüftigen WB überhaupt sinnvoll bzw., ob diese nicht unvorteilhaft ist.

Meine Vermutung ist, der erwähnte Fertiger wollte es sich einfach machen und verfügt nicht über entsprechedes know How.

@ Roman,

da hast Du schon geantwortet, während ich gerade tippe. Auch Dir recht vielen Dank für die fundierte Antwort,
das bestätigt ja komplett meinen Verdacht.

Ich habe hier aus privatem Interesse gefragt, weil mir das schon sehr quer vorkam,
zumal kein Bedürfnis vorlag, irgendwie rum zu experimentieren,
da ja ordentlich behandelte martensitische Stähle die Aufgabe hervorragend erledigen.
Wir hatten nur die Infos über diese Vakuumgreifer an einen Projektpartner weitergegeben
und er hat jetzt diese nitrierten Greifer aufschwatzen lassen.

Besten dank euch beiden!

viele Grüße

Norbert
 
Man müsste vielleicht sagen:

Werkstoff ist schon gut und sinnvoll in dem Zusammenhang aber halt nicht mit einer Nitrierung zusammen.

Wie Du schon sagst, solche Werkstoffe anständig behandelt (Härten und Anlassen) tun die ganz sauber ihren Job.
 
Ach ja,
warum solche Stähle wie der 4034 usw.

Wegen der Kernfestigkeit. Eine Nitrierung kann zwar gegen Rost und Verschleiß eingesetzt werden, aber wenn man einen Nitrierstahl benutzt wie Du angführt hast, dann fehlt dem die Kernfestigkeit um gegen Druckbeanspruchung oder plastisches Verformen entsprechend wiederstandsfähig zu sein.

Modell: Sachertorte/ Ei, aussen hart innen weich.
 
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