Viele und ganz exakte Angaben zum Kornwachstum in Zusammenhang mit Temperatur und Zeit findet man, wie Roman schon geschrieben hat, im "Atlas der Wärmebehandlungen".
Zusammengefasst kann man sagen, daß auch bei längerer Erwärmung auf normale Härtetemperatur- bei leicht legierten Stählen meist um 800 Grad- mit Kornvergröberung nicht gerechnet werden muß.
Maiks Frage zielt aber offensichtlich auf etwas anderes ab: Was passiert bei kurzfristiger deutlicher Überhitzung um vielleicht 100 oder 200 Grad ?.
Ob es dazu eine Zusammenstellung exakter Meßwerte gibt, weiß ich nicht.
Aus der Erfahrung mit dem Induktionshärten weiß man aber, daß die dabei stattfindende kurzzeitige Überhitzung im Bereich von wenigen Sekunden nicht zu Kornwachstum führt und gerade wegen des Feinkorns höhere Härten bei besserer Zähigkeit erzielt werden.
Die Zahnspitzenhärtung hochwertiger Sägen kann da als Beispiel dienen. Dabei werden mit einfachsten Stählen -unlegiert oder leicht legiert mit ca 0,7 % C Härtewerte erzielt, die in HV gemessen werden, umgerechnet aber 70-72 HRC entsprechen. Die Zähigkeit ist wegen des Feinkorns oft so gut, daß ein Anlassen unterbleiben kann.
Die Technik des kurzfristigen Überhitzens kann man sicher auch in einem Härtebad ausführen. Ich experimentiere mit einer ähnlichen Technik gelegentlich beim Härten im Schmiedefeuer und habe dabei subjektiv bessere Ergebnisse, als beim an sich korrekten Härten aus dem Härteofen. Das ist aber ein nicht ganz einfacher Balanceakt zwischen Optimum und vielleicht doch eintretender Schädigung wegen zu langer Überhitzung mit Kornwachstum.
Bei so kleinen Teilen wie Messerklingen gibt es nach dem Schmieden und Normalisieren sicher keine Gefügeunterschiede an der Oberfläche und im Kern.
Längeres Überhitzen -und damit meine ich schon eine Minute und mehr- macht keinen Sinn. Der mögliche positive Effekt der Kornfeinheit durch blitzschnelles Umkörnen und Abschrecken ginge verloren, selbst die Härteannahme kann durch die vermehrte Bildung von Restaustenit leiden.
Wenn ich mich recht erinnere, haben Rose und Rademacher die Härtewerte schnell aufgeheizter kleiner Stahlplättchen untersucht und darüber in der Fachzeitschrift "Stahl und Eisen" geschrieben. Die Ergebnisse kamen denen bei der induktiven Härtung von Sägezahnspitzen nahe.
Das ist also sicher ein Thema, bei dem sich Experimente lohnen.
MfG U. Gerfin