Original altes „Hamburger“ von Robert Herder - Made in Solingen um 1900

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Boas,

als wir im Februar kurz in Deutschland waren, hatten wir bei der Gelegenheit die alten 58er Kochmesser eines guten Freundes abgelichtet und hier darüber berichtet. Einmal im Thema hatten wir ein wenig Recherche betrieben und gerieten an ein Angebot betreffs eines sehr alten Herder - hergestellt etwa 1928.

Wir haben nicht lange gezögert und bestellt sowie bezahlt. Danach herrschte unerfreuliche Ruhe. Wir haben uns Sorgen gemacht, alle möglichen Register gezogen und gewartet. Am 09.04. ist das Herder wider Erwarten doch hier bei uns eingetroffen. Wir hatten keine Ahnung, was genau frau uns da zugeschickt hatte. Ursprünglich angekündigt sollte das Messer unbenutzt und in gutem Zustand sein.

Nach dem ganzen Hin und Her haben wir allerdings mit dem Schlimmsten gerechnet - und ausgepackt. Aus dem Packpapier lugte ein heller Holzgriff mit einer schmutzig-mattgrauen Klinge. So, als sei sie beschlagen, machte aber keinen schlechten Eindruck. Wir haben einen Lappen und Spülmittel zur Hand genommen und das Messer gesäubert. Es sah mehr oder weniger aus wie neu. Tatsächlich ungebraucht und nur mit einem minimalen Anflug von Rost an zwei Stellen. Es schnitt nicht in Papier.

Nach nur 5 Zügen je Seite über den Sinter-Rubin hat es bereits rasiert. Wir haben es mit einer Tomate eingeweiht. Aus Neugierde :p! Anschließend drei, vier Schnitte durch eine Möhre. Wir wollen nicht viele Worte verlieren. Nur soviel: Am Rücken zeigt der Digitale 1,36 mm. Von dort geht es 3 cm ballig bergab auf absolut NULL. Einen cm oberhalb der Schneide liegen etwa 0,75 mm an. Unten angekommen, hinter der Wate - da, wo der Meßschieber die Klinge gerade noch freihängend in der Luft greifen kann - sind es noch 0,1 mm. Und genau so geht es durch Möhre und Tomate :D

Wobei es dafür gar nicht gemacht wurde. Denn es ist ein „Hamburger“ - ein Brotmesser ohne Welle, das für das „Alte Land“ bei Hamburg hergestellt wurde. Der Brotlaib wurde seinerzeit vor der Brust gehalten und mit dem Messer zum Körper hin geschnitten. Die Klingen waren eher klein. Bei unserem „Hamburger“ ist sie 158 mm lang, der Griff 118. Mit seinen insgesamt 27,6 cm und einem Gewicht von 81 Gramm paßt es uns ausgezeichnet ins Konzept.

Trotzdem der Griff im Prinzip „verkehrt“ für den gewöhnlichen Gebrauch konzipiert ist - es wurde ja auch zum Brotschneiden „verkehrt“ zur Hand genommen - liegt es nicht unbequem in unserer kleinen Hand. Und es läßt sich - außer für Brot - auch für sonst allerlei gebrauchen. Z.B. kann man damit auf das Bequemste Äpfel schälen, halbieren, vierteln etc., es läßt sich als Office nutzen - auch, wenn es nicht so aussieht.

Diese Bequemlichkeit in der Handhabung liegt im wesentlichen daran, daß Griff und Klinge in einer Flucht verlaufen. Man hackt sich nicht mit Spitze der Klinge am Kehl in den Daumen. Zur Schärfe wollen wir uns nicht weiter auslassen ;)

Was die Authentizität und das Alter des Messers angeht, gibt es gute Nachrichten. Wir haben Frau Herder-Scholz, der Chefin der Robert Herder GmbH & Co. KG, Bilder zukommen lassen. Sie hat bestätigt, daß das Emblem der „Vogelsäule“ ein Vorläufer des Windmühlenzeichens ist. Es war das Exportzeichen und wurde 1896 als Warenzeichen eingetragen beim Kaiserlichen Patentamt. Und: "Der Stempel auf der Klinge und seine Beschaffenheit deuten auf die Entstehungszeit von in jedem Fall vor 1920, eher aber noch auf 1890 - 1905. Das Messer ist sicher aus einem erstklassigen Carbonstahl gemacht."

Dem wollen wir nicht widersprechen. Ein Uralt-Körnerbrötchen und Apfelkerngehäuse in größerer Zahl lassen die filigrane Klinge unbeeindruckt. Und - noch ein Apfelglasplattenschneider an Bord :cool:

Der Klingenschliff ist asymmetrisch insofern, als die linke Seite - von der Griffoberseite in Richtung Spitze gesehen - absolut plan und die rechte Seite deutlich ballig geschliffen ist. Ein gerades Stahl-Lineal wird dort zur Wippe.

Nach den ersten Erfahrungen mit dem „Hamburger“ haben wir ein scharfes Messerchen, feines Schleifpapier und Schleifleinen zur Hand genommen. Kleine Unebenheiten am Griff nahe der Klinge begradigt (das Kirschholz ist in sehr gutem, robustem Zustand und läßt sich gutmütig formen), fein geschliffen und poliert und dann die Klinge von zwei kleinen Rostpünktchen befreit. Bei 4000er Schleifleinen haben wir aufgehört.

Am Ende haben wir den Griff sorgfältig mit Olivenöl „behandelt“. Das säure-arme Bio-Öl aus dem Alentejo ist bisher allen Holzgriffen und Klingen an Bord gut bekommen. Das bisherige Endergebnis kann sich sehen lassen. Wir hätten diesen Zustand einem rund 100 Jahre alten Herder ehrlich gesagt nicht zugetraut. Und was die Schneidleistung angeht, können wir jetzt umso besser verstehen, warum die Großmutter nur ein kleines Windmühlchen und ein „Hamburger“ in Betrieb hatte. Sie hat - neben dem täglichen Brot - ALLES damit geschnitten …


Original altes „Hamburger“ von Robert Herder (etwa 1900)

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Die Jukebox mit Fairport Convention – “Who Knows Where the Time Goes”


Aus Monte Gordo

Johnny & Rock’n‘Roll
 
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Moin krassi,

Brot kommt im Roadhouse eher selten auf den Tisch. Weil groß und dann schnell trocken, gibt es überwiegend Brötchen. Zumeist was mit Körnern. Diese schneiden wir schon seit eh und je mit dem alten spanischen Office. Ist stets zur Hand und geht durch wie nix.

Heute morgen haben wir mal das alte Friodur-Brotmesser von J.A.Henckels, Solingen aus der Schublade geholt. Mal sehen, was dabei rauskommt, wenn es auf das uralte, fast verlederte Mini-Körner-Baguette trifft im Vergleich mit anderen Messern ohne Wellenschliff.

Und so sieht das aus: Das „Hamburger“ schneidet deutlich leichter und besser durch. Wie auch das neue Schmale Schanz-Gyuto Slim und das Herder 1922 Kochmesser. Getoppt wird das schlanke Trio von den beiden Konosukes (Gyuto und Petty). Die Krone aber trägt das Kamo-to Santoku 135 …

Das ist für Brot eher etwas klein. Aber für Brötchen hat es ja genau die richtige Länge :). Unter dem Strich sind wir etwas überrascht, daß unser Wellenschliff-Brotmesser auf ganzer Linie versagt. Und zwar gegen alle mit deutlichem Abstand. Die Klinge ist am Rücken 1,43 mm dick und flachgeschliffen. Direkt hinter der Welle ist sie bereits 0,75 mm stark. Auch wenn sie mit dem Sharpmaker vor einiger Zeit sorgfältig geschärft wurde und die Spitzen mörderscharf sind, hilft ihr das nicht wirklich gut durchs Brot.

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LG aus sunny Monte Gordo und schönen Sonntag

Johnny & R’n‘R
 

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Schöne Sammlung Peter, das " Hamburger " gefällt mir sehr gut, ein Messer mit Geschichte, und schön aufgearbeitet!
Weiter so, macht Spaß, Olli,
 
Servus,

sehr schönes historisches Messer. Die dünne Klinge bildet zu dem wirklich voluminösen Griff einen markanten Kontrast. Ist halt ein Liebhaberstück mit dem "verkehrten" Griff, da du die eigentlich angedachte Funktion gar nicht benötigst, aber du könntest ja einen mittelgroßen und ovalen Kürbis mit der gleichen Technik in Scheiben schneiden wie einen Laib Brot! :D

Die bauchige Griffform imponiert mit, damals hatten Männer wohl noch große, kräftige und schwielenbesetzte Hände, ein im Vergleich, so schmales Grifflein, das sich an manchem aktuellen Herder findet ist wohl für zeitgenössische Bürohengste gedacht! :steirer:

Haste übrigens wieder hübsch aufgebrezelt, dein altes Hamburger!

Gruß, güNef
 
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Boas,

das Messer war einen Tag mit unterwegs zum Besuch unseres Freundes Theo. Das rustikale Eukalyptus-Brett in dessen erdiger Küche war angemessener Aufenthaltsort für das alte „Hamburger“.

Mit seinem voluminösen Kirschholzgriff sollten wir keinen Ärger bekommen, da zu jenen Zeiten, als es hergestellt wurde, neben dem Carbonstahl auch die Hölzer von guter Qualität waren. Mit einem Verzug rechnen wir daher nicht. Der leichte Fingerschutz, den der Griff am Beginn der Klinge bildet, ist übrigens eine Sonderversion. Das Modell wurde vorwiegend mit freiliegendem Klingenbart gefertigt.

Entgegen dem Augenschein läßt sich auch auf dem Brett ganz ordentlich damit schneiden, wenn man es etwas anwinkelt oder aber am vorderen Brettrand schneidet, so daß der Griff vorn übersteht. Das machen wir gelegentlich, da wir es nicht einfach nur ständig so daliegen lassen können. Es übt einen starken Reiz aus, was einerseits durch seine Schneidfähigkeit und andererseits natürlich durch seine Sonderstellung bedingt ist.

Vor unserem nächsten Besuch in Theos Kate werden wir ihn bitten, wieder mal ein Brot für uns in seinem Steinofen zu backen. Messer bringen wir dann wieder mit :p

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Gruß R’n‘R
 

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Moin,

als vor 30 Jahren nach Hamburg Zugezogener möchte ich noch eine Kleinigkeit zum traditionellen Gebrauch dieses Messers beitragen. Vor langer, langer Zeit, als ich eine Hamburger Studenten-WG bewohnte, hatten wir auch so ein Teil im Fundus. Keiner konnte sich noch daran erinnern, wie das Teil in unseren Haushalt kam, aber eine Mitbewohnerin hat mich zum Gebrauch aufgeklärt, als ich danach fragte:

Zuerst wurde mit diesem Messer (!) die Schnittfläche des Brotes mit Butter oder Schmalz bestrichen und dann erst in der beschriebenen Weise vor der Brust die bereits geschmierte Scheibe abgeschnitten. Den letzten Schnitt tat man dann indem der Daumen der Schnitthand die Scheibe auf der Klinge mit leichtem Druck sicherte. Auf diese Weise konnte man sich ein Brot schmieren, ohne eine Unterlage (Brett o. Ä.) zu verwenden. Die recht breite Klinge erzählt heute noch von der Verwendung als "Schmiermesser".

Möge es dir in deinem Haushalt noch lange Freude machen!

Liebe Grüße aus der Hansestadt
Ulrich
 
Moin,

danke für das Zeigen des schönen historischen Messers und danke Ulrich für die Messertechnische Geschichtsstunde.

Freut mich doch als gebürtiger Hamburger sehr, dass auch meine Heimat etwas zu unser allem Lieblingshobby beigetragen hat :D

Gruß aus dem (grad) sonnigen Zentrum der Stadt!

Gabriel
 
@Herr Mann

Vielen Dank für diese kleine Geschichte. Habe mir das sofort bildlich vorgestellt und werde es gelegentlich ausprobieren. Sehr plausibel. In Portugal ist es nur etwas schwierig, ein geeignetes Objekt aufzugabeln. So lecker ja Weißbrot in verschiedenster Ausführung ist, schreit das "Hamburger" doch irgendwie nach einem dunklen Brot, wie ich finde :) ...


Grüße an die Hamburger aus sunny Monte Gordo

R'n'R
 
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Butterstullen „Altes Land“

Boas,

da das mit dem Brotbacken eher nix wird - wir müßten vorher erst einen Steinofen bauen - haben wir uns nach einem angemessenen Opfer für unser neues Brotmesserchen umgesehen. Und wurden in einem knackfrisch-knusprigen Weißbrot der Machart Ciabatta fündig.

Ganz nach Vorschrift haben wir uns das gute Stück „zur Brust genommen“ und einen ersten Schnitt vollzogen. Es knuspert und splittert - und das alte „Hamburger“ ist glatt und sauber durch. Dann Butter aufs Brot und den nächsten Schnitt angesetzt. Kurz vor dem Ende den Daumen drauf und das Scheibchen abgelegt.

Wir haben dann noch ein paar geschnitten und sie zur Gemüsesuppe verputzt. Echt lecker - und es gab keine Verletzten. Nur den Pullover haben wir uns dabei mit Mehl zugesaut :p

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Greetz R’n‘R
 
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Moin krassi,

unverkennbar olles Hamburger! Und 'n altes Messer darf ja auch gern alt aussehen. Was die erzielbare Schärfe angeht, sei unbesorgt :D! Insbesondere bei Deinem Equipment dürfen sich die Kölner Brote schon mal in Deckung begeben.

LG aus Monte Gordo - einem zur Zeit in jeder Hinsicht heißen :eek: Pflaster

Johnny & R'n'R
 
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