OX forge Dvd irritiert

Gregor

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Hallo erstmal an Alle!

Ich oute mich hier mal als Fan der amerikanischen Messerliteratur - das fing vor ca 15 Jahren an, als ich auf einer Antikmesse in Innsbruck "The wonder of knifemaking" von Wayne Goddard entdeckt hab. Ich hab dann von einem Bekannten mehrere Bücher (auch von Ed Fowler) aus den USA besorgt bekommen und wollt immer mal mit dem Schmieden anfangen - ergeben hat es sich dann vor ca. 2 Jahren.

Zum Thema:
Es geht um den Kugellagerstahl 52100

Ed Fowler beschreibt in seinem Buch eine genau kontrollierte Behandlung des 52100 im Härteofen (z.B: Spannungsarmglühen mit langen Haltezeiten, Weichglühen und Anlassen, wobei er auch Kühlphasen im Frostfach anführt) - wie gesagt die Temperatur und Zeit beschreibt er als äußerst wichtig - werden stets genau eingehalten - gehärtet wird von ihm in Öl

Jetzt zur DVD von Charles Ochs:

Spannungsarmgeglüht wird hier einfach in der abgeschalteten Gasesse mit verschlossenen Öffnungen über einen Zeitraum von ca. 4 Std.

Normalisiert 2X aber nicht im Härteofen bei kontrollierter Temperatur sondern in der Gasesse auf den kritischen Punkt erhitzen - an der Luft abkühlen lassen - beim 3. mal erhitzt er den Schneidenbereich auf den kritischen Punkt und härtet im Wasser - anschließendes Anlassen im "Tosterofen" 2x ohne Abschrecken

Beide sind ABS- Meisterschmiede - was mich zu dem Schluß kommen läßt, daß beide was von ihrem Handwerk verstehen.

Beide gehen unterschiedliche Wege beim Herstellen Ihrer Messer aus 52100.

Jetzt zu meinen Fragen:

Wieviel verzeiht 52100 - sind also genau kontrollierte Temperaturen und stundenlage Haltezeiten unter kontrollierten Bedingungen im Härteofen notwendig um hervorragende Messer mit diesem Stahl herzustellen?

Haltet Ihr Euch genau an die Vorgaben des Stahlschlüssels - oder geht Ihr in Ermangelung eines Härteofens mit genauer Temperaturangabe auch Kompromisse ein - wie wirken sich die auf die Qualität aus?

Vielen Dank für Eure Erfahrungen und Meinungen!
Grüße aus Linz!
 
OX forge: DVD irritiert

.....Es geht um den Kugellagerstahl 52100....sind also genau kontrollierte Temperaturen und stundenlage Haltezeiten unter kontrollierten Bedingungen im Härteofen notwendig, um hervorragende Messer mit diesem Stahl herzustellen?....
Der AISI-Stahl ist identisch mit unserem 1.3505 bzw. 100Cr6 und funktioniert auch so. Natürlich ist es ein anspruchsvoller Stahl, der Sorgfalt verlangt, Überzeiten und Überhitzen nicht mag und korrekt behandelt werden muss, wenn man seine Eigenschaften - feines Korn und sehr gute Schneideigenschaften - herausbringen möchte.

Den großen Aufwand wie die von Dir genannten Amis treibe ich nicht, habe aber auch keine Qualitätseinbußen dadurch festgestellt.

Gruß

sanjuro
 
Hi! Danke erstmal für Deine Erklärung!

Um genauer zu erklären worum es mir geht - mir gefällt Der Stil von Tai Goo/Tim Lively sehr gut - mein Ziel: mit Minimalausrüstung hochwertige Messer zu schmieden. Großes Vorbild hier - Herr Boll:super:.

Ich würde also gern auf einen Härteofen verzichten. (Obwohl ich einen Bandschleifer besitze arbeite ich z. B. lieber mit Feilen und von Hand - der Weg mit einfachen Werkzeugen dasselbe Ziel zu erreichen, reizt mich.)

Jetzt hab ich ein Problem mit der Temperatureinschätzung, wie vermutlich viele, denen es noch an jahrelanger Erfahrung mangelt und die auch nicht so viel Freizeit haben täglich an der Esse zu stehen.

z.B.: beschreibt Tim Lively, daß er beim Normalisieren etwa 200 Grad Fahrenheit über den kritischen Punkt (Magnet zieht nicht mehr) geht, beim spannungsarmglühen bleibt er "etwas" unter dem Punkt, er härtet genau bei Erreichen des kritischen Punktes (AC1 im Schlüssel = nicht magnetisch?)

Ed Fowler härtet auch genau bei Erreichen der Temperatur ohne Haltezeit.

Tai Goo geht nur nach Glühfarben, hält aber die Klinge etwa 1 Minute auf kirschrot bevor er ins Öl geht.

Jetzt zu meinem Problem: Bei Stählen mit hohem C-Gehalt (>0,8%) bräuchte ich zur vollst. Lösung eine wesentlich höhere Temperatur als 723Grad (AC1), soll aber diese dann weit zu hohe Temp. vermeiden und bei ca.800 Grad bleiben , Legierungselemente verschieben allerdings die nötige Temp. nach oben (+ Haltezeit?)- in wiefern hilft mir also hier der Magnet oder anders gefragt:

WELCHEN TEMPERATURBEREICH ZEIGT MIR DER MAGNET WIRKLICH ?- er ist ja der einzig verläßliche Anhaltspunkt für mich, da ich ohne Härteofen arbeiten möchte? Z.Beispiel W1 = hoher C Gehalt (oder 52100 Legierung) setzt höhere Temp. zur vollständigen Lösung voraus, die ich aber nicht erreichen soll, sondern deutlich drunter bleiben - zieht der Magnet erst dann nicht mehr wenn die vollständige Lösung stattgefunden hat oder bei der Umwandlung von Alpha in Gammaeisen bei 723 Grad?

Und da die genaue Bestimmung der Temperaturen ohne Härteofen nur sehr schwer mögl. ist, hab ich mich gefragt ob der 52100 kleine Fehler verzeit bzw. wie Charles Ochs das Potenzial vom Stahl 52100 voll nutzen kann, wenn er nur Anhand von Glühfarben arbeitet, bzw. "ideale" Zyklen verkürzt.

Zudem sind für mich die Glühfarben nicht immer gleich bzw. leicht zu bestimmen.

Ich hoffe mein Problem mit der Temperaturbestimmung einigermaßen verständlich geschildert zu haben.

Vielen Dank für Eure Hilfestellung!

Grüße Gregor
 
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Hallo Gregor,

wie man bei der Wärmebehandlung verfährt ist sicherlich auch eine Glaubensfrage. Beide von dir beschriebenen Wege sind legitim.
Die einen haben es halt gerne auf das Kelvin genau, dem anderen reicht es, durch die Glühfarben die Temperatur abzuschätzen.
Da Stähle im allgemeinen auch Temperaturfenster haben (also Härten von 830-870°C zum Beispiel) sind die Methoden qualitativ nicht unbedingt schlechter. Für mich ist eine WB in einem elektrischen Ofen lediglich ein Ticken sicherer, da ich mir bei den Glühfarben selber noch nicht traue. Aber auch ein Härteofen hat Temperaturverteilungen (nur so zur Info).

Zu deiner Letzten Frage: Ja und nein. Man sollte den Stahlschlüssel und die Infos dort kennen, muss sie aber für sich adaptieren. Vor allem beim Härten ist Vorsicht angesagt, da die Querschnitte erheblichen Einfluss auf die Temperaturänderung haben. Einige Wasserhärter sind deswegen besser in Öl zu härten, nur so als Beispiel.

€: Der Magnet zeigt dir bei reinem Eisen-Kohlenstoff lediglich den Punkt 768°C an. Am Anfang macht es vielleicht Sinn, einen Magneten zur groben Beurteilung zu nutzen, ich würde an deiner Stelle aber versuchen, schnellstmöglich die Glühfarbenabschätzung zu lernen. Ich habe auch keine Ahnung, ob sich der Punkt mit Legierungselementen verschiebt oder nicht.
 
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@ aeglos!

Herzlichen Dank - bei reinen C-Stählen zeigt mir der Magnet also 768 Grad C an. Hilft schon mal sehr weiter:super:!

Lively schmiedet gerne große Messer und verwendet dafür Federn aus nem alten LKW (5160) = ein legierter Stahl, bei dem die Härtetemperatur ja etwas höher sein müßte. Er verweist ausdrücklich auf die Verwendung eines Magneten und sagt: "Der Magnet lügt nie!"

Hier verwenden ja auch einige Blattfedern - vielleicht kann das o.g. jemand nachvollziehen (stimmen Härtetemp. und Erreichen des nicht mag. Zustandes überein? Kann eigentlich nicht weil der ja auch bei C- Stählen schon vorher aussteigt, aber vielleicht steigt der Punkt ja verhältnismäßig bei legierten Stählen an)

Es stellt sich für mich die Frage ob sich eben durch Legierungselemente der Punkt verschiebt, an dem der Magnet nicht mehr zieht?!? Und ob dieser Zeitpunkt dann, wie die Amerikaner in Ihren Büchern schreiben (nicht alles was von drüben kommt ist gut),den kritischen Punkt darstellt. (Magnet nur kleine Hilfestellung oder doch der Thermometer des kleinen Schmiedes:confused:)

Oder ob der Magnet eben doch "lügt" und mir nicht den genauen Zeitpunkt angibt, bei dem ich härten soll.

In einigen deutschsprachigen Büchern ist er ja auch angeführt, wenn man sich nicht auf Glühfarben verlassen will (die werd ich jedenfalls noch genauer studieren müssen).


Vielen Dank erstmal für Eure Hilfestellung!

Grüße aus Linz

Gregor
 
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Der Magnet zeigt dir die Curie - Temperatur von Eisen an. Ob dein Stahl jetzt mit Nickel (Curie -Temp. = 360°C) oder mit Cobalt (Curie -Temp. = 1121°C) legiert ist, merkt dein Magnet nicht. Die Magnetprobe sagt also nur aus: Das ist die Glühfarbe von 769°C und eignet sich damit zum "Kalibrieren" der Augen.

Grüße Willy
 
Vielen Dank - damit ist die Sache (Magnet) für mich klar!

Ab jetzt werd ich mich auf die Glühfarben konzentrieren - dazu kommt auch noch eine Frage.

Anlassfarben sind nicht bei jedem Stahl identisch, soweit mir bekannt (korrigiert mich bitte wenn ich mich irre).


Wie verhält es sich mit den Glühfarben - entspricht dann Kirschrot bei allen Stahlsorten der selben Temp.?

Danke im Voraus!

Gregor
 
Superschnelle Hilfe!:super:

Jetzt sind soweit alle Unklarheiten beseitigt - Glühfarben studieren bis der Arzt kommt!

Danke an Alle für die schnelle Hilfe!

Grüße Gregor
 
Die Magnetprobe und die damit zusätzlich gegebene Möglichkeit, die Glühfarben beurteilen zu lernen, ist schon eine gute Hilfe, gerade bei einfachen, d.h. unlegierten oder leicht legierten Stählen.

Wichtig sind auch die Angaben im Stahlschlüssel oder die Angaben der Stahlhersteller.
Richtig ist aber auch, daß man diese Angaben an seine Möglichkeiten und Wünsche anpassen muß.

Das geht nur, wenn man die Grundprinzipien verstanden hat und dafür gibt es wieder ein vorzügliches Werkzeug- das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm !.

Zusätzliche Lektüre der reichlich vorhandenen deutschen Literatur- die man getrost als in der Welt führend bezeichnen kann- schadet sicher auch nicht.

Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm gilt 1 : 1 nur für unlegierte Stähle.

Eine Anpassung an die Verhältnisse bei legierten Stählen ist aber grundsätzlich recht einfach:

Bei leicht legierten Stählen- als Grenze nenne ich jetzt mal recht willkürlich unter 2 % Legierungselemente bzw. 1 % , wenn es sich dabei um Sonderkarbidbildner handelt (Chrom, Wolfram, Molybdän, Vanadium, Titan)- sind die Unterschiede recht gering. Man muß einfach so tun, als enthielte der Stahl mehr C, härtet aber wegen der Gefahr der Härteminderung durch zu viel Restaustenit von einer Temperatur nur wenig über AC1-Rahmen 770-810 Grad- und verzichtet auf Haltezeiten.

Bei höherlegierten Stählen ist die Sache auch ganz einfach : Da läßt der Laie das Fummeln mit dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm und härtet kontrolliert aus einem Ofen oder Bad nach den Angaben des Stahlschlüssels oder überläßt das Härten einem Fachmann.

Um hier angesprochene Beispiele aufzugreifen:

1.3505 oder überhaupt die Wälzlagerstähle der Serie 1.3501-1.3514 können wie unlegierte Stähle von ca. 800 Grad gehärtet werden. Leichte Überschreitung der Curie-Temperatur genügt, Haltezeit ist nicht erforderlich.
Es wäre aber auch ohne weiteres vertretbar, gerade den 1.3505 mit seinen immerhin ca. 1,5 % Chrom von 830 Grad zu härten-bei Messerklingen unbedingt in Öl.

Übliche Federstähle können auch mit der Magnetmethode gehärtet werden. Besser wäre es allerdings, hier die Temperatur auf ca. 830 Grad zu steigern- n i c h t weil sie "höherlegiert" sind- das sind sie mit ihren leicht gesteigerten Si- und Mangangehalten nicht, sondern weil sie im C-Gehalt n i e d r i g e r liegen und deshalb -siehe Diagramm- erst bei höheren Temperaturen vollständig austenitisiert sind.

Wichtig für den Erfolg ist -das muß immer wieder betont werden- nicht allein die Einhaltung eines vernünftigen Rahmens der Härtetemperatur-die exakte, sozusagen alleinseligmachende Temperatur und Haltezeit gibt es sowieso nicht- sondern auch die richtige Vorbehandlung auf gutes Gefüge.

Auch hier scheint eine gewisse Unklarheit der Begriffe zu herrschen-Spannungsarmglühen ist n i c h t identisch mit Weichglühen und beide haben mit Normalisieren nichts zu tun.

In Kürzestform:

Normalisieren dient der Zerstörung eventuell entstandenen Korngrenzenzementits und der Einstellung eines feinen Matrix- und Karbidkorns- Temperaturrahmen- in die Nähe der vollen Karbidlösung gehen- bzw. bei untereutektoidischen Stählen um AC1 pendeln mit zügiger Erwärmung und Abkühlung. Dies ist der für die richtige Einstellung des Gefüges wichtigste Schritt.

Weichglühen dient der besseren Bearbeitbarkeit-Temperaturrahmen bis AC1 oder um AC1 pendelnd- mit langsamer Erwärmung und Abkühlung.

Spannungsarmglühen im eigentlichen Sinn findet bei ca. 650 Grad und langsamer Erwärmung und Abkühlung statt.
Bei richtigem Normalisieren und Weichglühen ist es überflüssig.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Zuletzt bearbeitet:
@U.Gefrin!

Vielen Dank für die Ausführungen - große Hilfe!

Der Grund warum ich mit englischer Literatur anfing war, daß ich nach meinem ersten Buch (Goddard), das ich zufällig entdeckte, keine deutschsprachige Literatur übers "Messerschmieden" fand. Und da sich einiges an englischer Literatur zu diesem Thema problemlos beschaffen ließ blieb ich dabei. (Hab inzwischen aber den Bergland, einmal Messerschmieden und die Kunst des Schmiedens, sowie die Workshopbücher - Messerschmieden und Damastschmieden, und den kleinen Stahlschlüssel, den ich grad mit Hilfe (Einführung in den kl. Stahlschlüssel) des Forums durcharbeite.

Was Unklarheiten bzg. Weichglühen und Spannungsarmglühen betrifft - liegt an meinem Englisch - ich hab das englische annealing beiden Begriffen zugeordnet.

Jetzt ist aber Vieles klarer - herzlichen Dank!

Grüße Gregor
 
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