Eine uralte eigenwillige Form, zugeschnitten auf die Bedürfnisse eines afrikanischen Volkes, das hauptsächlich Ackerbau betreibt – kann man das, interpretiert als Klappmesser mit Hi-Tech-Materialien, als Abendländer vernünftig benutzen oder sieht das einfach toll aus?
Die Antwort ist: Stimmt beides
Fangen wir mit dem Griff an. Das ist doch mal das genaue Gegenteil von „form follows function“.
Liegt mir trotzdem gut in der Hand. Ich bemängele ja gerne mal, wenn es irgendwo drückt oder kneift – macht es hier aber nicht. Alles sauber entgratet beziehungsweise abgefast, sogar die Innenkanten der Liner. Die optisch fast nicht bemerkbare, in der Hand aber angenehm zu spürende Zeigefingermulde ist genau so strukturiert, dass es rutschfest wird ohne zu drücken. Diese Riffelstruktur ist übrigens (wie die Klingenwurzel und im Gegensatz zum Rest der Klinge) in Hochglanzfinish.
Die Titanseite des Griffes hat eine angenehm glatte Oberfläche erhalten, das G-10 der Gegenseite ist so strukturiert, dass es mir rutschfest genug ist, aber die Hosentaschen im Gegensatz zu manch anderen G-10-Strukturen, mit denen man sich auch mal die Nägel feilen kann, schont.
Macht einen gediegenen Eindruck.
Die Klinge: Sehr geradliniges, fast geometrisches Design mit einer langen, ganz geraden Schneide und am Ende einem kurzen Schwung nach oben – so sieht eine Klingenform aus, die über Jahrhunderte benutzt und nach Erfahrungen mit Schneiden und Nachschärfen perfektioniert wurde. Sehr schneidfreudige Geometrie, insbesondere da die Klinge nach vorne kontinuierlich dünner wird. Klingenfinish ist Spyderco-typisches makelloses Satin. Der Klingenrücken hat exakt das gleiche Satin-(längs) Finish, was mir immer besonders gut gefällt. Die Schnittleistung ist sehr gut – Brotzeit, Küche, Basteln, geht alles – eine Freude war es besonders, wie beim Basteln mit den Kindern die Klinge durch schweren Jacquard-Stoff in der Luft geschnitten gerade durchglitt; auch ernsthaft feine Zwiebelscheiben sind möglich, das hat man nicht oft…
Die Klappfunktion: Da hat sich aber einer Mühe gegeben. Es fängt mit einem sehr beherzt zupackenden Detent an, mit einem sehr kurzen Weg – gefällt mir. Der Klingengang ist, wie man es vom einem Frame-Lock mit bronzegleitscheibengelagerter Klinge eigentlich erwarten darf, weich. Der Liner macht seinen Job mit einem vertrauenerweckenden, aber unaufdringlichen Geräusch und steht, egal ob extrem sanft oder extrem forsch geöffnet wurde, im ersten Drittel.
Das Beiseitedrücken des Liners geht, wenn man es nicht ganz vorne, sondern in der Mitte der Mulde der Gegenseite macht, einfach und ohne Gefahr des Überdehnens.
Da paßt alles - viel besser kann man das nicht machen.
Drei Kleinigkeiten:
-Der Clip hat eine mir viel zu hohe Spannung, das ist jedoch eine Eigenschaft, die man ändern könnte, kein Mangel. Ich habe es ohne Clip getragen.
-Der Klingenrücken ist nicht abgefast, das sehe ich ausnahmsweise bei diesem Messer auch nicht als verbesserungswürdig, sondern dem klaren, geradlinigen Design geschuldet, anders würde mir das hier gar nicht gefallen.
-Die Kante des Klingenlochs: die Ausführung ist technisch sinnvoll, ich habe es aber lieber abgefast: lässt sich schnell selber machen.
Ein außergewöhnliches, perfekt verarbeitetes Serienmesser mit Nutzungsschwerpunkt Schneiden – für Stemm- und Baumfällarbeiten wegen dünner Klinge weniger geeignet. Würde ich auch als Reise-Küchenmesser empfehlen. Für alle Tage sowieso.
Cooles Design und alltagstauglich – das ist doch was.
Ich find das Teil total klasse, Well done, Sal………

Vielen Dank fürs spielen dürfen.
P.S.: @ lacis: die Bilder in Post #1 sind wunderbar