porcupine
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Inspiration
...zu diesem Messer ist das Le London (deutsch Ankermesser) mit seinen maritimen Bezügen. Woher der Name Vendredi (=Freitag)? Soll das Messer bewusst etwas für den Wochenendkapitän auf seiner Yacht sein? Oder heißt es so, weil es wie Robinsons Freitag ein treuer Begleiter in fast allen Lebenslagen sein soll? Kann beides sein, und klar auch noch mehr.
Faszination
...auf jeden Fall. Ich hatte seit dem ersten Erblicken gedanklich um dieses witzige Messer mit dem fröhlichen Matrosen gekreist, schon weil ich maritime Messer mag. Es kommt so erfrischend anders als die bekannten London/Ankermesser, ist aber aber erkennbar maritim gedacht - aber längst nicht nur. Länger unentschieden war ich wegen des Griffmaterials. Perceval bietet allerlei Griffmaterialien mit maritimen Bezügen an wie in Kristallium-Harz eingelegte Seekartenfitzel, Muschelschalen oder Korallenstücke. Natürlich auch das bei Perceval obligatorische Wüsteneisenholz, bei dem ich allerdings weniger maritimen Bezug erkennen kann.
Ich entschied mich für Guajak wegen des tatsächlichen historischen Bezugs zur Seefahrt. Mein Vater war u.a. als Schiffszimmermann auf See und hatte mir schon als Kind einiges über Pockholz/Guajak erzählt; er hatte sogar welches in seiner Werkstatt. Wegen der Härte, der hohen Dichte und v.a. auch Seewasserfestigkeit wurde es für stark beanspruchte Kleinteile wie Seilrollen, -halterungen etc. verwendet.
Präzision
... ist, sag ich mal, ganz Perceval-like: kein Klingenspiel, keine Spalte, keine Überstände, keine zu tief versenkten Schräubchen, an Fit&Finish wirklich nichts zu mäkeln. Der außergewöhnliche, aus dem Vollen gearbeitete Korkenzieher ist stramm gefedert, steht ausgeklappt sicher wie ein Großmast und tut seine Arbeit. Die flach geschliffene, 91-mm lange Klinge hat c.a 0,3 mm hinter der Wate - die reine Schneidfreude. Aber sie ist jetzt nicht nagelgängig dünn wie mein L-08. Der Linerlock steht präzise wo er soll.
Die Montage ist, denke ich, Perceval-like, also innen genietet und die Griffschalen geschraubt, die Achse unter den Griffschalen ebenfalls verschraubt. Ich werd's jetzt nicht zerlegen, um sicher zu sein.
Funktion
Die Schafsfuß-Klingenform ist ideal für ziehende Schnitte durch Seile, Segeltuch etc. und deswegen auf See äußerst praktisch. Auch bietet sie weniger Verletzungsgefahr, wenn's mal runterfällt - bedenkt man, dass Matrosen früher meist barfuß liefen. Aber auch an Land: Beim Essen ist sie neben gutem Schnitt auch praktisch für alles Streichbare. Die weit herausstehende Klinge ist leicht zu öffnen im Pinchgrip, also besteht keine Bruchgefahr für Daumennnägel. Ohne Öffnungshilfe, Riffelungen oder Hohlkehlen ist sie nach dem Essen leicht zu reinigen. Die komplett gerade Schneide beginnt direkt vorm Griff, d.h. maximale bauartbedingte Schneidenlänge.
Arbeiten mit dem Messer: frei Hand schneiden im Zugschnitt bei Arbeiten an Bord hatte ich schon erwähnt, alles top. Aber auch in der Kombüse macht es eine gute Figur. OK, Wiegeschnitt = Fehlanzeige, aber Baguette /Käse/Wurst kriegt man auch anders klein. Als ich eine halbierte Zucchini in Scheiben schnitt, erlebte ich eine völlig neue Art des Food-Release: eine Scheibe klebt vorn an der Klinge. Schneidet man die nächste ab, macht die erste einen Salto rückwärts und landet daneben auf dem Schneidebrett. Cool, sollte man eigentlich filmen.
Die Küchenmesserfreaks dienen an dieser Stelle ja gerne mal mit einem Kehlshot. Das geht beim Vendredi schlecht, aber ich habe der Vollständigkeit halber mal einen Klingenvorderseitenshot gemacht.
Evolution
Ankermesser goes Future. Eine Stufe weiter. Es ist wie das London, aber doch anders. Es macht einen Schritt vom schlicht-soliden Arbeitsgerät des Seemanns zum Edeltool für den Wochenendkapitän; dient vielleicht eher zur Verköstigung als zur Schiffs-Instandhaltung. Insgesamt ist es aber absolut brauchbar.
Extraportion
Was ganz viele Hersteller, selbst an viel teureren Messern, glatt vergessen oder nicht der Arbeit wert befinden: es gibt eine eingeschliffene Minirampe für den Detentball. Das verhindert Hakeln beim Schließen und vermindert Verschleiß. Well done!
Irritation
Es gibt immer was zu bekritteln, so auch hier. Ich habe, sagen wir, drei Mal eine "halbe" Kritik (weil alles auch eine gute Seite hat):
- Der kantige Korkenzieher ist in der Hand immer spürbar, das ist nicht so gut bei festem Zupacken und längerem Arbeiten. Macht man aber vielleicht mit diesem Messer gar nicht so sehr. Die gute Seite daran - so weiß man auch im Stockfinsteren, wo das Heck und wo oben ist.
- Das mitgelieferte blaue Lederetui: zu steif, zu eng, man muss das Messer fest reindrücken, und dann ist es schwer rauszukriegen. Das würde sich im Laufe der Zeit vielleicht einspielen; ich hab ihm schnell ein passenderes angefertigt.
- keine Öse für eine Sicherungsschnur (und das bei einem maritimen Messer!). Aber macht nix - man kann einfach eine Schlaufe um den Korkenzieher legen und ihn einklappen, dann ist es vor Verlust geschützt und bei Bedarf schnell befreit. Und kein Loch stört das Gesamtbild, das hat auch was.
Fazit: Ob nun treuer Begleiter für ziemlich beinahe fast alle Lebenslagen oder Edeltool für den Wochenendkapitän - es ist ein ungewöhnliches, aber praktisches Design und gemessen an vielem Vergleichbarem keineswegs zu teuer. Aye, aye, Sir! I love it.
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