Rasiermesser 18. Jahrhundert

Xerxes

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Hi Leute, hier wieder eine äußerst interessante Auftragsarbeit. Dieses Rasiermesser ist eine Nachbildung eines Messers aus dem 18. Jahrhundert.

Normalerweise leite ich Anfragen zu Rasiermessern prinzipiell an meinen Kumpel und Kollegen Ulrik Beyer (Koraat Knives) weiter. Diesen Auftrag habe ich dann aber in Absprache mit Ihm angenommen.

Vor einiger Zeit hatte ich das Glück einige uralte handgeschmiedete Werkzeuge zu bekommen. Morphologisch habe ich die auf die Mitte des 18. Jahrhundert datiert. Wie sich herrausstellte, waren einige Teile dieser Werkzeuge aus einem sehr fein raffinierten und hoch kohlenstoffhaltigen Stahl. Es handelte sich definitiv um einen Gärbstahl und nicht um einen späteren Puddelstahl.

Aufgrund der hohen Qualität des Materials gehe ich davon aus, dass es sich um sog. Scharsachstahl, vielleicht sogar um Münzstahl handelt. Nun habe ich einem Teil des Stahls dieser stark korrodierten und nicht mehr brauchbaren Werkzeuge ein neues Leben eingehaucht;-)

Aufgrund der starken Korrosion habe ich den Stahl erstmal ausgeschmiedet und noch einige Male gefaltet. Ich wollte in jedem Fall Fehlstellen vermeiden.

Das so entstandene Rasiermesser habe ich zwar mit Hilfe moderner Werkzeuge hergestellt, die Oberflächen habe ich aber vollständig mit historisch korrekten Werkzeugen bearbeitet (Feile, Schabmesser, Sandstein, Leder mit Polierpaste aus feinem Sandsteinabrieb und Wollwachs). Die Griffschalen sind aus Bein (Mittelfußknochen vom Rind).

Die Klinge ist, wie bei diesen frühen Messern üblich, nur ganz leicht hohl geschliffen. Der Hohlschliff hat einen Radius von ca. 150mm.

Auf der einen Seite habe ich die original Schmiedemarke nachgearbeitet. Auf der anderen Seite habe ich auf Kundenwunsch meine Schmiedemarke eingeschlagen.

Ich bin eigentlich kein Freund vom Rasieren mit dem Messer. Ist mir einfach zu kratzig. Dachte ich. Aber dieses Messer ist wirklich angenehm. Gar kein Vergleich zu meinem alten solinger Dovo. Vielleicht muss ich meine Meinung dazu revidieren und mir selber mal so ein Messer machen;-)

Viel Spaß beim Gucken...
 

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Hier nochmal ein kleiner Nachtrag zu dem verwendeten Stahl. Den meisten werden die Begriffe Scharsach- und Münzstahl nichts sagen. Ich berufe mich da auf eine Quelle aus dem 18. Jahrhundert. Zu jener Zeit wurden zwei Ofentypen für die Verhüttung von Eisen verwendet. Der Floßofen, bei dem ausschließlich Gusseisen produziert wurde, und der Stückofen, bei dem eine zentrale hoch gekohlte Luppe (Eisenschwamm) und zusätzlich Gusseisen produziert wurden. Das Material wurde im nächsten Schritt durch einen Frischofen gegeben. Die so erzeugte niedriger gekohlte Luppe wurde unter Schwanzhämmern zu Flachmaterial ausgeschmiedet, in regelmäßigen Abständen eingekerbt, gehärtet und dann zerbrochen. Anhand der Bruchfläche wurden die Stücke sortiert und dann wurden mehrere der Stücke gleicher Qualität zu Garben (daher Gärbstahl) zusammengepackt und feuerverschweißt. Dieser Schritt wurde nochmal wiederholt. Das Resultat waren Gärbstähle unterschiedlicher Qualität. Diese konnten sich sowohl im Kohlenstoffgehalt als auch im Raffinationsgrad (Reinheit) unterscheiden. Die höchste hergestellte Qualität wurde Münzstahl genannt. Der hatte zwischen 0,9 und 1,0% Kohlenstoff und war sehr fein ausraffinierte. Die zweitbeste Qualität war der Scharsachstahl. Gleicher Kohlenstoffgehalt aber nicht so fein ausraffiniert.

Gruß Jannis
 
Last edited:
Danke für die Vorstellung des schönen Rasiermessers - sieht (im positiven Sinne) auch jetzt schon wie ein jahrhundertealtes Stück aus! ;)
Und auch danke für den Überblick über die Stahlsorten - auf welche Quelle berufst du dich denn da bzw. gibt es Literatur zum Thema?

LG, Oliver
 
Hallo.
Ich vermute mal, dass du im Internet nach den Begriffen gesucht hast.
Kurz zum Gerbstahl, der steht in den alten Büchern mit e nicht ä obwohl ä sinn macht.
Deshalb ist mein Ursprünglicher Artikel in Wikipedia auch etwas verkürzt und verändert worden.
(Waren noch einige Fragen wo denn der Unterschied zu Damast ist und so.)
Ich habe ä nämlich nur in neueren Schriften gefunden die sich wohl an diesem wiki Artikel orientierten.

:confused:Was hab ich nur getahn, Ich habe die Welt verändert:glgl:

Das mit den Garben stimmt so, die Bündel aus Stangen werden auch in alten Büchern so bezeichnet.

Ach so, Schönes Messer ;-)
 
Hallo Jannis - ganz tolle Arbeit :super: und meine Glückwünsche an Messermacher und stolzen Besizer :D!!!

Man sieht hier sowieso (für mich) zu wenige Rasiermesser und jetzt kommst Du mit so einem Schmuckstück :cool:. Ich finde es auch toll, dass Du zusätzlich zum "alten Eisen" auch beim Finish mit historisch korrekten Werkzeugen gearbeitet hast!

Wie hast Du es denn rasurfertig abgezogen? Auch historisch korrekt, vielleicht mit einem Belgischen Brocken (gab's damals schon Thüringer Abziehsteine?)?

Ich habe selbst ein Original-Rasiermesser aus dieser Zeit (mit Hornheft und Bleikeil) und muss sagen, dass Dir Klingenschwung und -anschliff sehr gut gelungen sind.

Nur die Beinschalen finde ich persönlich etwas zu kräftig/dick bemessen. Ich habe/hatte einige historische Rasiermesser mit Beinschalen - die sind allesamt deutlich dünner.

Toll, dass mit Ulrik und jetzt auch mit Dir neuer Schwung in die Rasiermesserlandschaft kommt :D:super:!

Liebe Grüße
Jörg
 
Hi Leute, vielen Dank.

@ Geonohl: Ich bezieh mich da auf Sekundärliteratur. Genauer auf "Die Herstellung von Gärbstahl in den ehemaligen Innerberger Hammerwerken" von H. J. Köstler. Er beschreibt die Herstellung von Gärbstahl anhand der Ausarbeitungen von Gabriel Jars (um 1758), Klinghammer (ca. 1764) und Johann Jakob Ferber (ca. 1780). In dieser Quelle wird der Stahl prinzipiell "Gärbstahl" geschrieben. Da ich aber die Primärquellen nicht habe (bzw. deren Übersetzungen), kann ich nicht sagen, ob der Stahl im 18. Jahrh. schön mit "ä" geschrieben wurde. Solltest du dazu Quellen haben, würde mich das sehr interessieren. Ggf. auch auf Englisch oder Französisch.

Der Unterschied zum "Damast" liegt für mich in der Intention des Herstellers. Historischer Schweißmusterstahl wurde in erster Linie nicht hergestellt, um die mechanische Leistungsfähigkeit zu verbessern, sondern um ein besonders schönes Muster zu erzeugen. Raffinierstähle hingege wurden "gefaltet" um sie zu "reinigen" und zu homogenisieren und so die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Beim Schweißmusterstahl strebt man gezielt ein inhomogenes Endprodukt an, während man beim Raffinierstahl ein moglichst homogenes Material anstrebt.

Gruß Jannis
 
Last edited:
Jannis,
wenn Dich das Thema Scharsachstahl, Gärben, etc. interessiert:

Clemens Böhne, vom Damaststahl zum Scharsachstahl, Archiv für das Eisenhüttenwesen Jahrgang 40 Band 8, 1969, Seiten 661 bis 665
Clemens Böne, Technik damaszierter Schwerter, Archiv für das Eisenhüttenwesen, Jahrgang 34, Band 4, 1963, Seiten 227 bis 234

(Gilt natürlich auch für alle anderen Interessenten)

Gruß
Herbert
 
bei mir geht die internetverbindung nicht, hier hab ich kein buch.
Das eine, im Forum schon öfter erwähnte ist "... Der wohlunterrichtete Hammermeister" und "Grandperes Schlossermeister" oder so ähnlich.:rolleyes:
 
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