Es hat tatsächlich jeder seine eigene Art (entwickelt) beim Anfertigen einer Lederscheide:
Wojtinowski, bei dem ich ein Lederseminar besuchte, schneidet beispielsweise das Leder im Umriss komplett fertig und näht dann zusammen.
Mir gefiel daran nicht, dass man die Kante nach dem Nähen kaum mehr bearbeiten kann.
Deshalb gehe ICH folgendermassen vor (und sage schon gleich vorab mal, dass der Beitrag etwas länger ausfällt, aber das liegt in der Natur der Sache):
1. Zuerst wird der Messerumriss auf einen Karton übertragen
Tip: Wenn man das vor dem Aufkleben der Griffschalen macht, geht das einfacher!
2. Der Umfang der dicksten Messerstelle im Scheidenmundbereich (z. B. über die Backen) wird gemessen.
3. Die Symmetrielinie wird auf den Karton gezeichnet: Sie hat am Scheidenmund den halben Abstand des Umfangs (s. 2.), an der Messerspitze sollte sie möglichst eng an der Umrisslinie anliegen.
4. Die Schlaufe lege ich für einen 40 mm breiten Gürtel aus, der Abstand zwischen seiner Biegekante und der ersten Lochreihe muss also 45 mm betragen.
5. Die Innenform des Keders ergibt sich unmittelbar aus dem Messerumriss, die äussere Form mache ich mit ca. 12 mm Abstand dazu.
Wie weit der Keder um die Messerspitze herumgezogen wird ist Ermessenssache, aber zu weit sollte man nicht gehen.
Auf jeden Fall muss der Keder eine Lederdicke vor der Biegelinie enden, sonst klappt das Biegen nicht.
6. Der Karton wird an der Biegelinie gefaltet und die Aussenform im Klingenbereich für beide Aussenkanten ausgeschnitten..
7. Die Schlaufe wird ebenfalls ausgeschnitten und so gefaltet, wie sie später aussehen soll. Falls zu viel weggeschnitten wurde, einfach wieder ein Stück Karton ankleben.
8. Auf die Innenseite der Schablone schreibe ich „Scheideninnenseite", auf die Aussenseite „diese Seite auf die Fleischseite legen"
Tip: Nicht lachen, wenn man da nicht aufpasst, hat man plötzlich und ungewollt eine Linkshänderscheide!.
9. Mit dem Stechzirkel markiere ich die Nahtlöcher (Abstand ca. 6 mm). Ob man oben oder unten anfängt ist egal, ausgehen muss es auf beiden Seiten. Die beiden letzten Löcher am Scheidenmund verlege ich aus der Nahtlinie, so dass ein Zickzack entsteht. Einerseits möchte ich hier einen engeren Abstand der Nahtlöcher, andererseits soll das letzte Loch nahe der Scheideninnenseite liegen (warum, wird man noch sehen).
10. Mit der 2-mm-Lochpfeife werden die Löcher in die Schablone gestanzt.
11. Die Schablone wird auf das Leder (Aufschrift „Fleischseite“auf die Fleischseite) gelegt, die Umrisse grob mit dem Kugelschreiber angezeichnet und das Leder grob mit der Blechschere ausgeschnitten.
12. Das Leder wird mit der Narbenseite auf eine Holzplatte gelegt und mit Klebestreifen fixiert. Darüber wird die Schablone geklebt (wieder „Fleischseite“ auf Fleischseite).
Tip: Es geht auch anders herum und die Löcher sehen auf der Narbenseite schöner aus, wenn man in Richtung Fleischseite stanzt. Aber manchmal sieht man später noch Rückstände der Klebestreifen.
13. Mit der Lochpfeife werden die Löcher durch die Schablone gestanzt.
Tip: Wenn man die Schablone nur dieses eine Mal benutzen will kann man durchstanzen, ich stanze aber nur vor, entferne die Schablone und stanze dann durch, da das die Löcher in der Schablone nicht so aufweitet.
14. Aus der Schablone wird der Keder ausgeschnitten, mit dieser Kederschablone wird der Keder zugeschnitten (innen genau, aussen mit Zugabe).
15. Die Innenform der Schablone (Schneidenlinie) wird mit Kugelschreiber auf der Scheide angezeichnet.
16. Mit Pattex wird der Keder auf die Scheide aufgeklebt, genau an der angezeichneten Schneidenlinie.
17. Normalerweise muss der Keder im Bereich des Griffs aufgedoppelt werden, weil sonst die Scheide zu eng ist. Die Doppelung wird ausgeschnitten und aufgeklebt. Der Übergang im Bereich des Backens wird so ausgeschärft, dass die Doppelung auf einer Länge von 20 bis 30 mm Länge ausläuft (u. U. muss sogar noch eine zweite Lage aufgeklebt werden).
18. Falls die Scheide gefärbt werden soll, sollte die Innenseite jetzt gefärbt werden.
19. Mit der Bohrmaschine werden die ausgestanzten Löcher durch den Keder gebohrt, die Fasern auf der Innenseite abgeschliffen.
20. Die Schlaufe wird mit Pattex angeklebt und dabei mit zwei 2 mm Nägeln durch die Nahtlöcher fixiert. Anschliessend wird die Schlaufe genäht. Dabei beginne ich so, dass das letzte Loch im oberen Bereich (Richtung Scheidenmund) liegt. Hier wird beim letzten Mal der Faden nicht durch beide Lederschichten gesteckt, sondern nur durch einen, so dass beide Fadenenden zwischen den beiden Lagen liegen. So können sie mit zwei Knoten gesichert werden und wenn sie kurz abgeschnitten werden, sind sie weder zu sehen noch können sie aufgehen, da sie im Bereich der Klebefläche zwischen beiden Lederschichten liegen. Die Klebefläche wird noch mal festgeklopft.
21. Tip für Vorsichtige: 2 mm Nägel durch ein paar Löcher stecken, die Scheide biegen und trocken fixieren. Nun das Messer einführen. Wenn es gut passt (was es sollte) ist es gut. Wenn die Scheide zu eng ist, kann der Keder noch nachgeschnitten werden. Ist er zu weit, hält das Messer nach dem Anformen vielleicht doch. Wenn nicht muss der Keder wieder abgetrennt und neu angefertigt werden.
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22. Mit Pattex werden die Ränder der Scheide zusammengeklebt. Wenn der Kleber abgelüftet ist (sich also nicht mehr klebrig anfühlt) wässere ich den Biegebereich von beiden Seiten. Er darf ruhig richtig nass sein, die Klebefläche muss aber trocken bleiben.
Zur Einhaltung der genauen Passung stecke ich einige 2 mm Nägel durch die Löcher der einen Seite und stecke sie dann durch die (genau gegenüberliegenden!) Löcher der Gegenseite. Ich drücke sie von Hand zusammen, entferne den ersten Nagel, klopfe die beiden Seiten zusammen, entferne den zweiten Nagel usw.
23. Der Umriss der Scheide wird genäht (ich nehme ungefähr die achtfache Länge der Nahtlinie als Faden), beginnend an der Spitze. Beim letzten Loch am Scheidenmund werden die beiden Fadenenden wieder in der Mitte zwischen Keder und Aussenleder herausgeführt, doppelt verknotet, wobei sie sich in die Klebefläche zurückziehen, kurz abgeschnitten und die Klebung wieder festgeklopft.
24. Die Scheide wird komplett gewässert, das Messer in die Klinge gesteckt und die Scheide kräftig angedrückt und an das Messer angeformt
Tip: Das nasse Leder ist extrem empfindlich, man sieht jede Fingernagelberührung!.
Zum Trocknen wird das Messer entfernt, gut abgetrocknet und eingeölt.
25. Nach einem Tag sollte die Scheide wieder so trocken sein, dass die Nahtseite in Form geschliffen werden kann, rechtwinklig und parallel zur Nahtlinie
Tip: Keine Schleifbänder nehmen, mit denen Stahl geschliffen wurde, da man sonst zusehen kann, wie die geschliffene Fläche durch die Eisenteile schwarz wird! Im Zweifelfall lieber ein gröberes und schärferes Band nehmen und wenig Druck ausüben.
26. Theoretisch kann man die geschliffene Nahtseite auf der Poliermaschine polieren. Dazu aber keine Polierscheibe nehmen, mit denen Metall poliert wurde, ausser man will sie schwarz einfärben. Um sicher zu gehen, dass kein Polierwachs ins Leder (Narbenseite) eingetragen wird, sollte man sie abkleben.
Manche polieren aber auch mit einem Holzstab oder Falzbein.
27. Die Scheide kann nun entweder im Naturzustand belassen werden, sie kann gefärbt oder mit Öl oder Wachst etc. eingelassen werden.
Dazu schreibe ich nichts, da ich einen Bericht unter ‚Färben bzw. Imprägnieren von Lederscheiden’ geschrieben habe:
http://www.messerforum.net/showthread.php?t=28713&highlight=impr%E4gnieren
28. Sich freuen über eine selbst angefertigte Lederscheide!
29. Sich nicht ärgern, wenn andere das Vorgehen kritisieren und ihre Scheiden anders machen!