Rennfeuertreffen in Neuhäusgen/Luxemburg 2014

Xerxes

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Hi Leute, hier mal ein kleiner Bericht von mir zum diesjährigen Rennfeuertreffen in Neuhäusgen/Luxemburg.

Zuerst aber einen großen Dank an Romain Bohr und alle Teilnehmer für die tolle Organisation und die gelungene Zusammenarbeit. Es waren auch dieses Mal wieder viele bekannte Gesichter da, die sich hier vielleicht auch noch zu Wort melden.

Bei diesem Bericht beziehe ich mich auf die Öfen, welche ich mit meinem Kollegen Timm gefahren habe. Natürlich gab es noch viele andere Öfen mit spannenden Ergebnissen. Zu erwähnen sei hier z.B. ein "gläserner Ofen" von Romain, bei dem man während des Betriebs im Abstand von 10cm mit Hilfe von luftgekühlten Linsen ins innere des Ofens gucken und auch Proben nehmen konnte.

Auch dieses Mal haben Timm und ich unseren Typischen Ofen mit rekonstruierten frühmittelalterlichen Bälgen gefahren. Mit diesem Ofentyp und Prozess haben wir in den letzten 2-3 Jahren viele Erfahrungen gesammelt und den Prozess weitestgehend optimiert. Dieser konkrete Ofen war eine Prämiere, denn es handelt sich um einen mobilen Ofen, welcher von unserem Freund und Kollegen Michael Schmidt Nissen gebaut wurde. Er hat im Innern ein Metallgerüst und wurde komplett mit Lehm verputzt. Bis jetzt sind wir mit dem Ofen sehr zufrieden! Vielen Dank nochmal an Michael, sehr gute Arbeit!

Der Ofen hat eine Höhe von 100cm und unten einen Innendurchmesser von 28cm, welcher sich nach Oben auf 25cm verjüngt. Wir setzen den Ofen auf eine mit Lehm ausgekleidete Kuhle, so dass wir unter dem Ofen noch weitere 20cm Schacht haben.

Die Bälge betreiben wir mit Gewichten, so können wir leicht über mehrere Stunden einen kontinuierlichen Luftstrohm erzeugen. Mit Ollis Hilfe konnten wir nun feststellen, dass wir bei unserer üblichen Vorgehensweise eine Luftmenge von ca. 15 Kubikmeter pro Stunde erzeugen.

Dieses Jahr haben wir die Öfen mit zwei für uns neuen Erzen gefahren. Bei der ersten Reise haben wir den Ofen mit einem Magnetitsand bestückt, welchen ich mit Hilfe von Magneten an Ostseestränden gesammelt habe. Das war für uns der zweite Versuch mit diesem Sand und wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Bei der ersten Ofenreise mit diesem Erz hatten wir eine sehr zähflüssige Schlacke und daher eine sehr bröselige und stark verunreinigte Luppe. Wir hatten das Erz dafür nur mit dem Magnet vom Sand getrennt und die Analyse im Nachhinein hat ergeben, dass wir noch 19% SiO im Erz hatten, welches wir mit dem Magneten nicht mehr weiter trennen konnten. Kein Wunder also. Dieses Mal haben wir den Sand zusätzlich gewaschen und so weitestgehend von Salz und Schluff/Staub getrennt. Das hat sich sofort positiv auf den Prozess ausgewirkt. Wir haben ca. alle 7 Min eine Charge von 700g Holzkohle und 600g Magnetitsand aufgegeben. Aus 10 Kg Magnetitsand haben wir eine schön kompakte 3,2Kg Luppe gezogen. Besonders interessant an dem Erz ist, dass es einen relativ geringen Phosphorgehalt hat und daher eine sehr gute Stahlqualität zu erwarten ist.

Bei der zweiten Ofenreise haben wir mit Romains Luxemburgischen Bohnerz gearbeitet. Wir haben am Prozess nichts geändert, allerdings haben wir hier ca. alle 5Min eine Charge von 500g Holzkohle und 450g Erz zugegeben. Auch bei dieser Ofenreise haben wir aus 10Kg Erz eine schön kompakte Luppe von 3,2Kg gezogen. Mit diesem Erz hatten wir vorher noch nicht gearbeitet und sind daher mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Auch hier lässt sich eine gute Stahlqualität erwarten, da der P-Gehalt im Erz unter 0,4% liegt. Beim anschließenden Ausschmieden eines Teilstücks der Luppe hat sich gezeigt, dass sich das Material ausgezeichnet schmieden lässt. Allerdings wirkt das Eisen insgesamt sehr weich und wenig stark gekohlt. Analysen folgen...

Hier bedarf es also noch ein bisschen Modifikation, dass wir beim nächsten mal eine stärker gekohlte Luppe erhalten. Es wäre ja schade, das Potential dieses Erzes mit nicht härtbaren Material zu vergeuden.
 

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Hi Leute,

hier gibt es nochmal ein schönes Video von der ersten Ofenreise am Samstag. Hier haben wir den Magnetitsand von der Ostseeküste verhüttet. Das Video hat Peter Broich aufgenommen und geschnitten. Vielen Dank dafür...

Gruß Jannis

 
Hallo Jannis -

lass das Eisen doch durch ein Frischfeuer reisen -
gibt prima Stahl!

Herzliche Grüße,
Jost
 
Hallo Jannis,
Eine eindrückliche Vorstellung archaischer Stahlherstellung ist diese Bilderreihe.:super:

Mich interessiert, wieviel ca. Zeit/Stunden in dem Projekt stecken bis zu der 3kg Luppe
und wie hoch ist erfahrungsgemäss der C - Anteil in dem auf diese Weise erzeugten Stahl ?

vielen Dank fürs Zeigen.
Gruss
Felix
 
Hi,

@ JostS: Natürlich, das geht. die Kleinteile und Nebenluppen schick ich meistens durch nen Zerrennfeuer. Aber um ne ganze Luppe darin aufzukohlen, muss ich das Ding vorher erstmal klein machen. Das ist ne Drecksarbeit. Warum also, wenn wir mit ein paar kleineren Veränderungen am Prozess gleich eine entsprechend aufgekohlte Luppe bekommen? Außerdem würde ich bei so großen Stücken eher Garben schmieden und diese ganz traditionell im Tongefäß mit Kohlenstaub aufkohlen. Anschließend dann raffinieren.

@ Felix49: Hmm, Timm und ich haben mal folgende Rechnung aufgestellt. Für 1 Kg fertig raffinierten Stahl, den wir auf historische Weise hergestellt haben, benötigen wir zu zweit ca. 40 Arbeitsstunden. Also insg. 80 Arbeitsstunden. Das beinhaltet allerdings auch die Zeit fürs Erzsammeln und den Ofenbau sowie das Schmieden von Hand...

Mit modernen Hilfsmitteln ließe sich der Prozess mit Sicherheit optimieren aber gerade die historische Vorgehensweise reizt uns.

Zum Kohlenstoffgehalt: Prinzipiell kannst du im Rennofen sowohl niedrig als auch hoch gekohlte Luppen herstellen. Es sind versch. Parameter, die den Kohlungsgrad der Luppe beeinflussen. Aber natürlich ist die Luppe nie völlig gleichmäßig gekohlt, dafür muss das Material eben entsprechend raffiniert werden.

Es wäre noch zu erwähnen, das man nicht bei jedem Erz eine hoch gekohlte Luppe erzeugen will. Besonders bei stark phosphorhaltigen Erzen sollte man die Luppe bewusst niedrig gekohlt produzieren, da der Kohlenstoff die negativen Eigenschaften des Phosphors noch potenziert...

Gruß Jannis
 
Hi Jannis -

ich habe in Solingen auf der MMM Eisen durch ein Frischfeuer geschickt. Dabei habe ich Brocken bis 300g umgeschmolzen.
Erst war ich skeptisch ob das funktioniert aber es ging recht flott - mit ca. 1% C im Stahl.
Die Methode mit den Garben im Tontopf ist historisch belegt, kostet aber sicher mehr Zeit und Energie.
Ich bin mir sicher, dass die Schmiede ihre Essen früher auch zum Umschmelzen (Auf- und Abkohlen) benutzt haben, wenn das passende Material gerade nicht zur Hand war.
Müsste man mal recherchieren, wie weit zurück man das belegen kann.
Die Geschichte um den Aristotle Furnace könnte ein erster Ansatz sein.
"Frischfeuer" oder "Zerrennfeuer" sind im Lexikon der Gebr. Grimm aufgeführt - ok- nicht sooo alt.
Im "Tagebuch einer metallurgisch technologischen Reise durch Mähren, Böhmen …" von Christian Fürchtegott Hollunder (1824) ist die Technologie im großen Stiel detailliert beschrieben (Seite 101 / 102). Das war damals weit verbreitet.
Grappage (Frankreich)? Oroshigane (Japan)? ...

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass es nicht sinnvoll wäre, die Ofenreise zu optimieren!

Im übrigen muss ich hier auch noch meinen Dank aussprechen für die schönen Bilder und den Film!
Tolle Arbeit - ich bin schon gespannt auf die Schmiederesultate …

Herzliche Grüße,
Jost
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi JostS, ich halte die Niederschmelz-Variante historisch auch nicht für unrealistisch. Absolut nicht. Und auch die Herstellung von Gärbstahl ist ja fürs Frühmittelalter nicht belegt;-)

Allerdings finde ich 300g Stücke schon echt groß. Was für Dimensionen hatte der Ofen denn?

Gruß Jannis
 
Hi Jannis -

der Ofen war aus 4 Hochofensteinen (eigentlich 3 1/2) gebaut und an den Kanten mit Lem abgedichtet- der Brennraum war ca. 15 x 20 cm und ca. 35 cm hoch.
Der Brennraum kann auch einen quadratischen oder runden Querschnitt (15 - 18 cm) haben - das spart Kohle - aber die Steine hatten halt so ein Format.
Die Luft kam mittig von der schmalen Seite auf ca. 10 cm Höhe mit 30 - 40° nach unten gerichtet.
Die Holzkohle war relativ grob so 2 - 3 cm-Bröckel.
Ich muss das niedergeschmolzene Material mal wiegen. Aber gefühlsmäßig würde ich sagen 1,5 kg müssten in 45 Minuten bis höchstens 1 Stunde durchmarschiert sein.

Ich hoffe, es ist ok, wenn ich ein paar Bilder anhänge (Solingen MMM `13 und `14 zusammen mit AchimW)?
Hat ja eigentlich nichts mit dem ursprünglichen Titel zu tun …

Das vorletzte ist eine Funkenprobe mit C gegen Null,
das letzte vom gleichen Material (+ weiter Brocken)nach der Reise durch den Ofen.

Der Aufwand ist erstaunlich gering und wenn man bedenkt, dass es genügt 2 Steine in eine Seitenwindesse zu stellen …

Die nächsten Versuche werden besser dokumentiert … versprochen!

Jost
 

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Hi JostS, das kommt von den Dimensionen ja nah an eine Evenstad-Esse. Wobei ich sagen muss, dass ich echt erstaunt bin, dass du 300g Stücke vollständig aufgeschmolzen und relativ gleichmäßig aufgekohlt hast. Hast du den Keks schon verschmiedet? Ist der wirklich gleichmäßig gekohlt? Aber selbst dann müsste ich die Luppe erstmal in zehn Stücke zerschlagen:steirer:

Hier nochmal ein paar Bilder vom Erz sammeln am Ostseestrand. Es dauert insgesamt deutlich länger als ich dachte, der Eisensand ist an den meisten Stellen nur sehr niedrig konzentriert und muss mehrfach mit dem Magneten getrennt werden. Außerdem kommt es auf den richtigen Zeitpunkt im Jahr an...

Ich hab z.B. für 20Kg relativ reinen Magnetitsand ca. 8 Stunden gesammelt. Und selbst dann hatte der Magnetit noch ca. ca. 19% SiO, welches sich mit dem Magneten nicht weiter trennen ließ. Um den Sand reiner zu bekommen, muss er im Anschluss noch gewaschen werden...

Interessant sind auch hier die ca. ca. 3,1% TiO2 und nur ca. 0,29% P2O5
 

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@ Felix49: Hmm, Timm und ich haben mal folgende Rechnung aufgestellt. Für 1 Kg fertig raffinierten Stahl, den wir auf historische Weise hergestellt haben, benötigen wir zu zweit ca. 40 Arbeitsstunden. Also insg. 80 Arbeitsstunden. Das beinhaltet allerdings auch die Zeit fürs Erzsammeln und den Ofenbau sowie das Schmieden von Hand...

Mit modernen Hilfsmitteln ließe sich der Prozess mit Sicherheit optimieren aber gerade die historische Vorgehensweise reizt uns.


Gruß Jannis

Hallo Jannis,
Der Bericht ist für mich insofern bewusstseinserweiternd, wie ich entdecke, dass allein das Wissen um das Herstellungsprozedere, aus einem relativ wertlosen Mineral/Erzgemisch ein Material entsteht, das mindestens dem Wert von einem Kilo Edelmetall/ Silber entspricht. (80 Std mal 8,5 € Mindestlohn/Std gleich 680.-€ /kg) Wenn daraus nun auch noch ein Werkzeug entsteht, braucht es keine Schmiedemarke mehr für mich um dieses lebenslang in Ehren zu halten und mich daran zu freuen! Jedenfalls werde ich mich bei der nächsten Gelegenheit darum bemühen so ein Stück Renneisen zu erstehen und sei es nur für die Vitrine!

Gruss
Felix
 
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