Pflaster
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Herder 1922 Kochmesser
Da eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Jetzt gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.
Fakten und Zahlen
Klinge: Carbonstahl, nicht rostfrei
Härte: 60 HRC
Klingenlänge: 228 mm
Gesamtlänge: 352 mm
Gewicht: 219 g
Griff: Pflaumenholz
Preis: 109 Euro
Bisher wurde ich auf dreifache Weise davon abgehalten, mich näher mit dem Herder 1922 Kochmesser zu befassen: Erstens die Griffproblematik, mit der man oft konfrontiert wird, wenn man sich auf Herder-Produkte einlässt. Zweitens mag ich keine Messer mit Kropf, den ich als störend und unschön empfinde. Und dann ist da noch ein Freund, der ein solches Exemplar besitzt und nicht wirklich zufrieden damit ist und meint, dass seine japanischen Messer alle besser schneiden.
Da das Herder 1922 jedoch das vielleicht bekannteste Kochmesser aus deutscher Produktion ist und sich bei vielen Messerfans einer ungebrochenen Beliebtheit erfreut bzw. einen fast schon legendären Ruf genießt, war ich gespannt darauf, dieses eine Zeitlang testen zu können.
Verarbeitung
Der erste Eindruck: ein sehr schönes Messer. Sieht aus wie frisch aus der Schublade eines Schneidwarenladens. Die Klingenflanken blank poliert, wie unbenutzt. Eine winzige Schneidfase. Sehr gepflegte, leicht eingeölte Griffschalen aus wunderschönem Pflaumenholz. Und jetzt aufgepasst: an diesem Griff ist nicht der geringste Spalt erkennbar; keine Überstände; keinerlei Unregelmäßigkeiten; keine Rauhigkeiten an den Griffschalen; kein noch so winziger Grat am Erl; kein ... ich mach`s kurz: hier hat jemand den perfekten Griff erwischt und darf sich des Neides so mancher Herdermesser-Besitzer gewiss sein. Das Messer ist noch relativ neu; hoffentlich bleibt der Griff so wie er jetzt ist.
Man kann es drehen und wenden wie man will - an dem ganzen Messer gibt es in meinen Augen nichts auszusetzen – perfekte Verarbeitung in jeder Hinsicht. Wenn alle Herdermesser so wären...
Performance
Als erstes wurde die vorhandene bzw. nicht vorhandene Schärfe getestet. Armrasur: negativ. Papier schneiden: negativ. Nanu?! Auflösung des Rätsels: der Besitzer hatte die Klinge für den Test extra ein bißchen aufgehübscht und die Patina auf den Flanken entfernt. Dabei war die Schärfe gleich mit entfernt worden. Also fünf sanfte Striche über den feinen Keramikstab und huch ... schon rasierte die Schneide tadellos. Mit geringstem Aufwand war es möglich, an der stumpfen Schneide eine sehr gute Gebrauchsschärfe zu erzielen. Und wie anderen Berichten im MF zu entnehmen ist, lässt sich diese gute Schärfe über lange Zeit mit einem Keramikstab erhalten. Das hängt natürlich mit dem legendären Solinger Dünnschliff zusammen und diese einfache Pflege der Schärfe macht das Messer zu einer Empfehlung gerade für (Schleif-) Anfänger.
Das Herder 1922 macht einen sehr soliden und wertigen Eindruck, wenn man es in die Hand nimmt. Mit 219 g ist es ganz schön schwer, liegt aber trotzdem gut in der Hand, da es gut ausbalanciert ist. Der Schwerpunkt befindet sich unmittelbar vor dem Kropf. Dieser stört zwar nicht beim Schneiden, beim Schleifen auf dem Stein aber mit Sicherheit. Immerhin schont er die Geschirrtücher, die so nicht an einer scharfen hinteren Ecke hängenbleiben können.
Aber nun zur Schneidfähigkeit des „deutschen Lasers“, wie gesagt mit einer sehr guten Gebrauchsschärfe, die sich durch eine Behandlung auf Schleifstein und Leder natürlich noch um einiges steigern ließe. Geschnitten wurden verschiedene Gemüse und Obst, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen will. Und was soll ich sagen – beim Schneiden kam regelrecht Freude auf. Das Herder geht sehr leicht durch jedes Schnittgut hindurch und zerlegt trotz seiner relativ dicken Klinge auch Möhren ohne zu spalten. Das Ganze geht recht unspektakulär vonstatten – anders als z.B. bei meinem Ashi Ginga Gyuto, welches wirklich auf atemberaubende Weise zur Sache geht. Insgesamt aber hinterlässt das Herder einen sehr guten Eindruck bei mir. Es schneidet besser als ich erwartet hatte, gerade angesichts der relativ dicken Klinge. Auch die Handlichkeit ist trotz des hohen Gewichts gut und ein ermüdungsfreies Arbeiten sollte über längere Zeit möglich sein.
Nach den ersten Schnitten durch eine Zwiebel und anschließendem Abspülen bildete sich sofort eine schöne Patina, wobei weder Verfärbungen am Schnittgut noch Geruchsentwicklungen festgestellt wurden.
Fazit
Was für ein perfekt verarbeitetes Herder-Messer – sie können es doch! Und das für gerade mal 109 Euro – ein wirkliches Schnäppchen! Sollte ich jemals der zur Zeit nicht vorhandenen Versuchung erliegen, mir ein Messer aus deutscher Produktion zuzulegen (ausgenommen Messermacher), dann wäre es zweifellos das Herder 1922, natürlich „handverlesen“ durch den Messerhändler bzw. die Messerhändlerin meines Vertrauens. Denn auf Griffspalten stehe ich nunmal gar nicht.
Das getestete Messer ist sehr schneidfreudig und leicht schärfbar mit dem Keramikstab, auf Schleifsteinen sicherlich nicht anders. Ich habe es nach nicht allzu ausgiebiger Benutzung nicht schärfen müssen und kann so auch keine Aussage zur Schneidhaltigkeit machen. Ich gebe zu, am Ende habe ich etwas wehmütig das Herder 1922 Kochmesser auf die Reise zum nächsten Tester geschickt.
Gruß
Pflaster
Da eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Jetzt gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.
Fakten und Zahlen
Klinge: Carbonstahl, nicht rostfrei
Härte: 60 HRC
Klingenlänge: 228 mm
Gesamtlänge: 352 mm
Gewicht: 219 g
Griff: Pflaumenholz
Preis: 109 Euro
Bisher wurde ich auf dreifache Weise davon abgehalten, mich näher mit dem Herder 1922 Kochmesser zu befassen: Erstens die Griffproblematik, mit der man oft konfrontiert wird, wenn man sich auf Herder-Produkte einlässt. Zweitens mag ich keine Messer mit Kropf, den ich als störend und unschön empfinde. Und dann ist da noch ein Freund, der ein solches Exemplar besitzt und nicht wirklich zufrieden damit ist und meint, dass seine japanischen Messer alle besser schneiden.
Da das Herder 1922 jedoch das vielleicht bekannteste Kochmesser aus deutscher Produktion ist und sich bei vielen Messerfans einer ungebrochenen Beliebtheit erfreut bzw. einen fast schon legendären Ruf genießt, war ich gespannt darauf, dieses eine Zeitlang testen zu können.
Verarbeitung
Der erste Eindruck: ein sehr schönes Messer. Sieht aus wie frisch aus der Schublade eines Schneidwarenladens. Die Klingenflanken blank poliert, wie unbenutzt. Eine winzige Schneidfase. Sehr gepflegte, leicht eingeölte Griffschalen aus wunderschönem Pflaumenholz. Und jetzt aufgepasst: an diesem Griff ist nicht der geringste Spalt erkennbar; keine Überstände; keinerlei Unregelmäßigkeiten; keine Rauhigkeiten an den Griffschalen; kein noch so winziger Grat am Erl; kein ... ich mach`s kurz: hier hat jemand den perfekten Griff erwischt und darf sich des Neides so mancher Herdermesser-Besitzer gewiss sein. Das Messer ist noch relativ neu; hoffentlich bleibt der Griff so wie er jetzt ist.
Man kann es drehen und wenden wie man will - an dem ganzen Messer gibt es in meinen Augen nichts auszusetzen – perfekte Verarbeitung in jeder Hinsicht. Wenn alle Herdermesser so wären...
Performance
Als erstes wurde die vorhandene bzw. nicht vorhandene Schärfe getestet. Armrasur: negativ. Papier schneiden: negativ. Nanu?! Auflösung des Rätsels: der Besitzer hatte die Klinge für den Test extra ein bißchen aufgehübscht und die Patina auf den Flanken entfernt. Dabei war die Schärfe gleich mit entfernt worden. Also fünf sanfte Striche über den feinen Keramikstab und huch ... schon rasierte die Schneide tadellos. Mit geringstem Aufwand war es möglich, an der stumpfen Schneide eine sehr gute Gebrauchsschärfe zu erzielen. Und wie anderen Berichten im MF zu entnehmen ist, lässt sich diese gute Schärfe über lange Zeit mit einem Keramikstab erhalten. Das hängt natürlich mit dem legendären Solinger Dünnschliff zusammen und diese einfache Pflege der Schärfe macht das Messer zu einer Empfehlung gerade für (Schleif-) Anfänger.
Das Herder 1922 macht einen sehr soliden und wertigen Eindruck, wenn man es in die Hand nimmt. Mit 219 g ist es ganz schön schwer, liegt aber trotzdem gut in der Hand, da es gut ausbalanciert ist. Der Schwerpunkt befindet sich unmittelbar vor dem Kropf. Dieser stört zwar nicht beim Schneiden, beim Schleifen auf dem Stein aber mit Sicherheit. Immerhin schont er die Geschirrtücher, die so nicht an einer scharfen hinteren Ecke hängenbleiben können.
Aber nun zur Schneidfähigkeit des „deutschen Lasers“, wie gesagt mit einer sehr guten Gebrauchsschärfe, die sich durch eine Behandlung auf Schleifstein und Leder natürlich noch um einiges steigern ließe. Geschnitten wurden verschiedene Gemüse und Obst, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen will. Und was soll ich sagen – beim Schneiden kam regelrecht Freude auf. Das Herder geht sehr leicht durch jedes Schnittgut hindurch und zerlegt trotz seiner relativ dicken Klinge auch Möhren ohne zu spalten. Das Ganze geht recht unspektakulär vonstatten – anders als z.B. bei meinem Ashi Ginga Gyuto, welches wirklich auf atemberaubende Weise zur Sache geht. Insgesamt aber hinterlässt das Herder einen sehr guten Eindruck bei mir. Es schneidet besser als ich erwartet hatte, gerade angesichts der relativ dicken Klinge. Auch die Handlichkeit ist trotz des hohen Gewichts gut und ein ermüdungsfreies Arbeiten sollte über längere Zeit möglich sein.
Nach den ersten Schnitten durch eine Zwiebel und anschließendem Abspülen bildete sich sofort eine schöne Patina, wobei weder Verfärbungen am Schnittgut noch Geruchsentwicklungen festgestellt wurden.
Fazit
Was für ein perfekt verarbeitetes Herder-Messer – sie können es doch! Und das für gerade mal 109 Euro – ein wirkliches Schnäppchen! Sollte ich jemals der zur Zeit nicht vorhandenen Versuchung erliegen, mir ein Messer aus deutscher Produktion zuzulegen (ausgenommen Messermacher), dann wäre es zweifellos das Herder 1922, natürlich „handverlesen“ durch den Messerhändler bzw. die Messerhändlerin meines Vertrauens. Denn auf Griffspalten stehe ich nunmal gar nicht.
Das getestete Messer ist sehr schneidfreudig und leicht schärfbar mit dem Keramikstab, auf Schleifsteinen sicherlich nicht anders. Ich habe es nach nicht allzu ausgiebiger Benutzung nicht schärfen müssen und kann so auch keine Aussage zur Schneidhaltigkeit machen. Ich gebe zu, am Ende habe ich etwas wehmütig das Herder 1922 Kochmesser auf die Reise zum nächsten Tester geschickt.
Gruß
Pflaster