Atlantik
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Hier nun das angekündigte Review zu zwei in der letzten Woche erworbenen Wa-Santokus.
Hintergrund:
Als bekennender Freund der Gyuto-Klingenform habe ich lange Santokus als Arbeitsgerät ignoriert. Ein Dick-Santoku konnte in meiner Küche nur ein kurzes Zwischenspiel geben, bis ich es verschenkt habe. Denn der Platz im Messerblock und an der Messerleiste ist rar, und was sich dort breit macht, soll auch mitarbeiten…
Dann aber bin ich über das Asai-Hakata Santoku gestolpert. Ästhetisch hat mich das Messer sofort überzeugt, und auch praktisch versprach das Messer einiges, da es die Santuko-Form mit einer ausgeprägten Spitze und ein für ein Santoku ‚bauchigen‘ Klinge kombinierte. Diese Messerform ist typisch für die Hakata-ku Region auf Kyūshū. Hier mal ein Link zu einem Video eines anderen Schmiedes, in dem u.a. der praktische Einsatz dieser Klingenform gezeigt wird (nicht von der Werbung am Anfang abschrecken lassen):
https://www.youtube.com/watch?v=IKahVeDjSMg
Leider ist Herr Asai im letzten Jahr verstorben. Sein Betrieb wird von seinem ehemaligen Lehrling Herrn Yamamoto weitergeführt. Wer ein Küchenmesser direkt von Herr Asai will, ist also auf die schwindenden Lagerbestände der Händler angewiesen. Ich wollte auf jeden Fall eines.
Das Shigefusa Santoku hat mich wiederrum gereizt, da vor allem in amerikanischen Foren Shigefusa als Benchmark in Sachen Schnittfreudigkeit gelobt wird. Das Kasumi Santoku sollte mir erste Eindrücke zu Shigefusa erlauben und vor allem Orientierung in der Frage geben, ob ich mir ein 270mm Shigefusa zulegen soll. Den letzten Anstoß hat mir dieses Video von Maksim von JNS gegeben, in der die traditionelle Fertigungsmethode von Herrn Iizuka und seinen beiden Söhnen vorgestellt wird:
https://www.youtube.com/watch?v=zNPc6xBBiLk
Ein Messer aus dieser Schmiede musste danach auch her, und der Zufall wollte es, dass ich das Asai eben an dem Tag vom Zoll abholen konnte, als auch das Shigefusa eintraf. Beide traten also gleichzeitig zum Test an und in dem Zustand, in dem ihre Macher sie ausgeliefert hatten: rasierscharf jeweils in beide Richtungen.
Lieferung:
Das Shigefusa kam mit einem Tag Lieferzeit von dictum, das Asai von epicedge aus den USA. Beide Messer waren sehr sorgfältig und sicher verpackt, wobei insbesondere die Verpackung von epicedge auch einen Angriff Godzillas überstanden hätte... Zugebenermaßen ist aber die Einfuhr aus den USA zurzeit preislich unerfreulich: Mit Versand und Einfuhrabgaben kamen noch einmal gut 100 Euro auf den Kaufpreis zu, so dass das Asai am Ende fast doppelt so teuer war wie das Shigefusa war. Immerhin ergab sich damit eine spannende Frage direkt am Anfang: Ist das Asai sein Geld im Vergleich auch wert?
Zuerst einmal die nackten Daten:
Daten Asai:
• Klingenlänge: 175 mm
• Klingenstärke: 3mm (Kehl) / 2mm (Mitte) / > 0,3mm (Spitze)
• Gesamtlänge: 305mm
• Höhe am Kehl: 44mm
• Gewicht: 153g
• Klinge: San-Mai-Dreilagenklinge: AS (63HRC) mit rostfreien Flanken, vertikal satiniert
• Griff: Ebenholz mit Pakkawood-Zwinge, achteckig
• Anschliff: beidseitig
Daten Shigefusa
• Klingenlänge: 165 mm
• Klingenstärke: 5mm (Zwinge) / 3,5mm (Kehl) / 1 mm (Mitte) / > 0,3mm (Spitze)
• Gesamtlänge: 310 mm
• Höhe am Kehl: 49mm
• Gewicht: 155 g
• Klinge: San-Mai-Dreilagenklinge: V1 (64HRC) mit rostenden Flanken, Kurouchi-Finish
• Griff: Magnolienholz mit Büffelhornzwinge, D-Form für Rechtshänder
• Anschliff: beidseitig
Klingengeometrie
Die Geometrie des Santokus ist deutlich dicker als die des Asai. Mangels Messschieber gibt es keine Werte, aber die Fotos sprechen für sich:
Verarbeitung und Griff
Das Asai Hakata Santoku ist makellos verarbeitet, der Kehl poliert, die Kanten des Klingenrückens sind gebrochen. Das Klingenloch ist glatt verschlossen. Nahtlos vollzieht sich der Übergang von der Pakkawood-Zwinge zum Ebenholz-griff, der mit seiner achteckigen Form (hakkaku) trotz des glatten Ebenholzes sicher und satt in der Hand liegt. Sauber ausgeführt über die gesamte Länge der Klinge ist auch die vertikale Satinierung.
Die Verarbeibung des Shigefusas ist sehr gut. Der Kehl ist geglättet, wenn auch nicht poliert, die Kanten des Klingenrückens sind nicht gebrochen. Der Übergang von Büffelhorn-Zwinge zum Magnolien-griff ist spaltfrei, aber leicht zu fühlen. Das Magnolien-Holz liegt sicher und rutschfest in der Hand, fühlt sich leicht aufgerauht an. Deswegen ist auch die D-Form des Griffes (kurigata, eigentlich Kastanienform) für mich gegenüber dem achteckigen Griff des Asai nicht im Nachteil. Das Kurouchi-Finish ist sehr rauh belassen.
Insgesamt wirkt das Shigefusa solide, das Asai dagegen edel.
Praxistest:
Zuerst kam ein Kilo gebratenes Roastbeef unter die Messer. Zum Zuge kamen die beiden Shigefusa und Asai Santokus, als Vergleich habe ich bei allen Tests mein schneidfreudigstes Messer, das Kamo Kenyo, mit herangezogen. Erwartungsgemäß stellte das Roastbeef keins der Messer irgendein Problem. Subjektive Unterschiede waren da, wären aber nur mit Messerlyrik zu beschreiben (Shigefusas seidig souveränes Santoku? - lieber nicht).
Also hin zum Gemüse. Hier zeigte das Asai, dass eine dünne Geometrie durchaus vorteilhaft ist bei Möhren und brachte Schnittleistungen, die dem des Kamo Kenyo vergleichbar waren. Möhren wurden sauber und spaltfrei geschnitten, und ebenso alles andere Gemüse. Das Kenyo schnitt beim Durchschnitt um eine Nuance besser ab, beim Einschnitt in Tomaten und Paprika war das Asai besser – was aber wohl daran lag, dass ich das Kenyo in den letzten Wochen nur über Chromoxid-Leder gezogen habe und die Schneide etwas an Schärfe verloren hatte. Ein Auffrischen des Anschliffs mit einem 8000er Stein erfolgt demnächst, dann wird der Rückstand zum Asai wieder zu einem Vorteil. Gemüsezwiebeln gingen ohne Steckenbleiben mit der französischen Methode zu schneiden, Tomaten ließen sich einhändig zerteilen, wobei die ausgeprägte Spitze des Asai sehr hilfreich beim Entfernen des Strunks ist. Blockschokolade ließ sich hacken, wobei ich aufgrund der Geometrie hier sehr vorsichtig vorgegangen bin.
Das Asai brilliert mit Druckschnitt, ist gut im Zugschnitt. Sehr praktisch ist die hochgezogene Spitze, die es erlaubt, mit dem Messer auch im Wiegeschnitt zu arbeiten. Die vordere Kante des Rückens eignet sich gut, um Schnittgut auf die breite Schaufel der Klinge zu laden. Im Food Release überzeugt das Messer nicht, Gemüse bleibt gerne an der Klinge kleben, was aufgrund der sehr breiten Klinge aber kein gravierendes Problem ist. Die AS Schneidlage ist stark reaktiv, gibt aber keinen Geschmack an Obst und Gemüse ab. Schärfeverlust ist nach ein paar Tagen Benutzung kaum festzustellen. Das Messer überzeugt damit nicht nur ästhetisch, sondern ebenso in der praktischen Anwendung. Für mich ist es sein Geld auf jeden Fall wert und mein bis jetzt ‚schönstes‘ Küchenmesser.
Bei dem Shigefusa war ich aufgrund der Geometrie her etwas skeptisch, und diese Skepsis bewahrheitet sich leider zunächst. Der Einschnitt in alle Arten Gemüse war aufgrund der sehr scharfen Klinge noch kein Problem. Auch ließen sich Tomaten und Paprika einhändig zerteilen. Beim Durchschnitt durch dicke Möhren aber war am Ende das Schnitts das verhasste Knackgeräusch zu vernehmen: Die Möhren wurden dort gespalten und dann sauste die Klinge ins Brett. Dünnere Möhren wurden allerdings sauber geschnitten. Im horizontalen Schnitt durch Gemüsezwiebelm, ausgeführt mit der Mitte der Klinge, blieb diese deutlich im Schnittgut stecken. Kleinere Zwiebel wiederum ließen auf die gleiche Weise mit der feinen Klingenspitze sauber schneiden. An Äpfel gab das Shigefusa einen deutlichen Metallgeschmack ab. (Wie warb ein Review auf einer Händlerseite für ein anderes Messer doch so schön: Ein Messer, das man aus dem Essen herausschmeckt. ). Gut, hier wird die Patina im Laufe der Zeit das ihrige tun, denn die Seitenlagen des Shigefusa sind sehr reaktiv, nicht so sehr aber die V1-Schneidlage. Das Schnittgut klebte an dem rauhen Kurouchi-Finish ebenso wie an den Edelstahlflanken des Asai, aber auch hier bot die breite Klinge genug Platz.
Insgesamt also müsste das Shigefusa enttäuschen, und in den ersten Tagen tat es dann auch.
Inzwischen aber hat sich etwas Erstaunliches ereignet und ich nehme es von Tag zu Tag lieber in die Hand. Angefangen hat es, als ich mit dem Messer Blockschokolade hackte. Trotz der 64HRC hatte ich nicht das Gefühl, hier vorsichtig operieren zu müssen. Das Hacken (genaugenommen: Wiegen) ging wunderbar. Auch noch halbgefrorenen Fisch habe ich problemlos mit dem Messer zerteilt. Nach den bisherigen Erfahrungen hätte ich auch keine Bedenken, einen Fischkopf mit dem Messer abzutrennen. Bei dem Messer muss man wie bei einem großen Gyuto bewusst die verschiedenen Klingenbereiche nutzen. Wenn man bei diesem Messer gezielt den Bereich an der Klingenspitze einsetzt, lassen sich auch Möhren spaltfrei schneiden und Zwieben ohne Stocken. Die Schärfe hält das Messer überragend und so ist es ein sehr guter Allrounder.
Fazit
In dem Shigefusa zeigt sich m.M. nach das Konzept des Santokus in einer bestimmten Form: Es ist ein im Auslieferungszustand sehr scharfes, dann aber auch wirklich schnitthaltiges und robustes Messer, mit dem man tatsächlich alle Küchenarbeiten erledigen kann (Workhorse eben). Herr Iizuka und Söhne haben hier die verschiedenen Geometrien der Klingenbereich in ein 165mm Santoku in eine für mich sehr überzeugende Weise integriert. Das Messer fühlt sich dadurch größer an, als es eigentlich ist, und es ist tatsächlich universell einsetzbar. Wenn man es einmal in die Hand genommen hat, braucht man es nicht mehr wegzulegen – man will es eigentlich auch nicht. Hinter der Geometrie des Shigefusa steckt also kein Geheimnis, wohl aber ein sehr durchdachtes Konzept.
Das Asai dagegen ist edler und über die gesamte Länge für den leichten Schnitt optimiert. Wer vor allem Gemüse und Fleisch verarbeitet, ist damit bestens bedient. Es deckt die Grenzbereiche nicht so gut ab wie das Shigefusa, schneidet unproblematisches Schnittgut aber leichter. Ein leichten Tick besser geht das Kamo Kenyo, dafür ist die Hakata-Form des Asai für ein Santoku außerordentlich vielseitig und ästhetisch für mich eine Wucht – und das schließt auch die Verarbeitung ein.
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