Review Watanabe Pro Nakiri 165mm

shamrock

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Hallo zusammen!

Vor einiger Zeit habe ich mich, mit Hilfe von einigen Froumsmitgliedern, dazu entschieden, mir ein Watanabe Nakiri aus der Pro-Serie zu zu legen. Ganz wohl war mir bei der Sache zwar nicht, berichtete doch der ein oder andere über Probleme mit der Fertigungsqualität und dem Versandverhalten von Watanabe. Um es gleich vorweg zu nehmen...was das Versandverhalten anging, hatte ich nicht die geringsten Probleme. DHL Express klingelte eines morgens bei mir, der Paketmann hat mir das Päckchen in die Hand gedrückt, das kassiert, was der Zoll vorher festgelegt hatte und das war's. Gut verpackt ist das Messer auch gewesen...also alles easy!! Was die Fertigungsqualität angeht wird im eigentlichen Review alles relevante zu lesen sein...

Daten und Material

Gesamtlänge: 31,3 cm
Klingenlänge: 18,3 cm
Schneidelänge: 16,1 cm
Klingenhöhe (gemessen ago-mune): 5,3 cm
Kingenhöhe (gemessen kissaki-mune): 5,0 cm
Gewicht: 173 gr

Bei dem verwendeten Klingenstahl handelt es sich um einen Aogami, eingesetzt in Warikomi oder eben schon fertig laminiert geliefert (das wird aus der Watanabe-HP nicht ersichtlich, ich tippe aber auf die fertig-laminierte Geschichte). Um welchen Aogami es sich genau handelt, vermag ich nicht zu sagen. Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, es sei Aogami 2, aber sicher bin ich mir nicht. Sollte es jemand genau wissen, so bitte ich um einen kurzen Hinweis, um meine Angabe hier korrigieren zu können. Das Kurouchi-Finish der beidseitig geschliffenen Klinge, die übrigens die typische Osaka-Form hat, wirkt sehr "samtig" und irgendwie "weich". Es passt gut zum Gesamteindruck, sieht aber deutlich anders aus, als die meisten Kurouchi-Finishes die ich bisher gesehen habe; es gefällt also sehr! Der D-Griff (oder Kastanienform-Griff) besteht aus geflammten Kastanienholz, die Zwinge aus schwarzem Büffelhorn.






Verarbeitung

Auf diese Verarbeitungs-Sache war ich ja im Vorfeld sehr gespannt; mit gemischten Gefühlen allerdings. Schließlich gab es diesbezüglich hier im Forum widersprüchliche Aussagen.
Ich wurde alles in allem positiv überrascht!! Die Gesamtoptik ist sehr stimmig, die verwendeten Materialien erscheinen hochwertig, was die Haptik bestätigt. Zum Kurouchi-Finish habe ich oben ja schon kurz etwas geschrieben. Der Kastanienholzgriff ist schön verarbeitet, fein abgeschliffen und liegt samtig in der Hand. Die schwarze Büffelhornzwinge ist fast nahtlos dem Griff angepasst und auf Hochglanz poliert.
Die Erlbohrung könnte vielleicht ein klein wenig dezenter sein, was die Größe angeht, aber andererseits bin ich fachlich nicht in der Lage sagen zu können, wie groß diese letztendlich sein muss, um den Erl auch handwerklich perfekt in den Griff einpassen zu können. Das Bohrloch ist mit einer hellbraunen Masse verschlossen; auch hier hätte vielleicht minimal besser gearbeitet werden können.

Der Kehl ist unbearbeitet! Und? Klar kann man da jetzt wieder anfangen über Ästhetik und so...ihr wisst schon! Wurde hier x-mal hin und her gedreht!! Mir macht das nichts, aber auch rein gar nichts aus!!! Ich finde diesen Rohzustand in einem gewissen Maße sogar schön, weil ich dadurch einfach das Gefühl habe, dem Schmied und seiner Arbeit noch ein Stückchen mehr verbunden zu sein. Klingt komisch, is aber so!!
Der Klingenrücken hingegen wurde sehr wohl bearbeitet, ist aber nicht gerundet. Man hat ihn geschliffen, poliert und die Kanten angefast. Passt also voll ins Gesamtbild - im positiven Sinn!

Den einzigen wirklichen Makel hatte ich direkt OOTB. Im Bereich der vorderen Kante wurde ein kleiner Grat stehen lassen (darüber habe ich in meiner Kurzvorstellung des Nakiris schon berichtet), den ich aber mit wenigen Handgriffen und in kürzester Zeit beseitigt hatte.

Zur Schärfe OOTB gibt's nicht viel zu sagen. Es war/ist scharf! Sau scharf!! Ich würde das Watanabe hier auf die gleiche Ebene wie mein Takamura PM-Petty stellen. Also mit eines der schärfsten Messer OOTB die ich bisher habe. Mal sehen was da noch geht...









Geometrie


Messpunkte Klingenrücken:

unmittelbar nach dem Griff: 4,75 mm
Klingenmitte: 1,92 mm
1 cm vor der Spitze: 1,73 mm

Messpunkte ca. 1 cm über der Schneide:

hinter Klingenkante (ago): 1,55 mm
Klingenmitte: 1,47 mm
1 cm vor der Spitze: 1,45 mm

Messpunkte Schneide(ca. 1 mm über der Schneide):

hintere Klingenkante (ago): 0,23 mm
Klingenmitte: 0,22 mm
1 cm vor der Spitze: 0,22 mm


Nagelgängigkeit: volles Programm!! Von vorne bis hinten durchgehend!

Der Anschliff OOTB sollte etwa bei 15 Grad und 50/50 liegen. Schaut man sich die Geometrie vom Rücken zur Schneide an, mag das auf Grund des recht mächtigen Klingenrückens, gerade im Bereich des Erls, erstmal nicht wie 15 Grad wirken. Aber bei genauem hinsehen wird man feststellen, dass Watanabe das Messer im Bereich der Schneide schon auf einen sehr dünnen Wert bringt, was sich auch in der Performance deutlich zeigt.
Die Stärke des Messers liegt ganz klar im Druckschnitt. Zugschnitt geht, aber nur bedingt; Wiegeschnitt fällt allein schon auf Grund der Klingenform flach.

Sehr flach und fein ausgeschliffen und doch etwas bullig wirkend, weiß ich nicht so genau, wo ich diese Klinge hinstecken soll. Richtung Laser zu fett, als Workhorse zu filigran. Man könnte sagen, es ist sowas wie eine Frau mit weiblichen Rundungen. Obenrum ganz schön Holz, auch nicht ganz leicht, wohl auch ein bißchen Diva, aber trotzdem ein samtiges Finish und ein sehr stimmiges Gesamtbild. Vielleicht wäre "Dolly" eine Bezeichnung für so'n Messer???!!





Praxis

Ich bin ein bißchen verknallt! Das Watanabe hat natürlich seine Ecken und Kanten, was jedoch nichts mit der eigentlichen Performance zu tun hat. Da ist kein Gemüse und kein Obst sicher. Gut...ich würde auf Grund der dünnen Schneide jetzt keinen Kürbis oder einen Selleriekopf mit dem Messer zerteilen. Aber egal ob Tomaten, Äpfel, Ingwer, Lauch, Kohlgemüse oder auch die hier allseits beliebten Karotten...man hat das Gefühl, man schneidet durch Butter. Es wird nichts gerissen, alles sauber mit einem klaren, feinen Geräusch geschnitten.
Was das Foodrelease angeht, macht sich das Kurouchi nicht im geringsten bemerkbar. Leider bleibt vieles an der Klinge kleben, was vermutlich an dem (wie ich bereits mehrfach geschrieben habe) "samtigen" Finish liegt.
Das Arbeiten an sich ist, für mein Empfinden, trotz des hohen Gewichtes sehr angenehm, wobei hier auch der recht neutral gewählte Schwerpunkt eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen dürfte.
Erfreulich ist die geringe Reaktivität des Aogami!! Das was auf den Fotos zu sehen ist, ist das Ergebnis von einiges Sessions Gemüse und Obst. Ich besitze das Nakiri nun doch schon einige Zeit und habe es mehrmals pro Woche in Gebrauch.
Auch die Standzeit der Klinge scheint recht hoch zu sein. Bisher habe ich nichtmal dran gedacht, mit dem Messer auf den Stein zu gehen.


Reaktivität I


Reaktivität II




Fazit

Ich habe durch und durch ein Handwerksstück erworben, was man auch sieht! Ich habe aber auch nicht erwartet und nicht damit gerechnet, ein perfekt verarbeitetes Messer zu bekommen. Wenn ich das haben möchte, muss ich mir beispielsweise ein Yoshihiro (Review kommt noch) oder ein Aoki zulegen.
Über die Performance habe ich genug geschrieben, bin aber gespannt, in welche Richtung sich das nach dem ersten Mal auf den Steinen entwickelt.

Alles in allem wurde ich positiv überrascht, auch was die Kommunikation mit Shinichi angeht, welche sehr angenehm und informativ war. Ich muss wohl sagen, ich habe ein weiteres Lieblingsmesser in meiner Sammlung!

Liebe Grüße
shamrock
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die exakten Informationen aus einem durchaus auch kritischen Blickwinkel. Das Gesagte kann ich durchgehend auch für das Watanabe Pro Gyuto 180mm bestätigen.

Was das Foodrelease angeht, macht sich das Kurouchi nicht im geringsten bemerkbar. Leider bleibt vieles an der Klinge kleben, was vermutlich an dem (wie ich bereits mehrfach geschrieben habe) "samtigen" Finish liegt.

Ich denke inzwischen, dass das eher an der dünnen Geometrie liegt als an dem Finish. Das Kurouchi Finish z.B. meines Shigefusa Santokus ist sehr rauh, fühlt sich fast sandig an und damit ganz anders als das glatte Kurouchi-Finish von Watanabe. Das Gemüse haftet aber an beiden Messern gleich und diesbezüglich haben sie auch keinen Vorteil vor z.B. den Edelstahlflanken des Azai Hakata Santokus, obwohl man Edelstahl ja nachsagt, das Gemüse förmlich anzusaugen. Wenn die Klinge dünn und hoch ist, pappte es bei mir bis jetzt immer.

In einem US-Video habe ich letztens übrigens eine interessante Verwendung des Begriffs Food-Release gesehen (weiß leider nicht mehr genau, welches das war, war eins der Video-Reviews von CKTG). Da sprach der Tester von gutem Food-Release, als er das anhaftende Schneidgut leicht von der Klinge in die Pfanne schieben konnte. Fand ich relativ absurd, da ich persönlich noch keine Klinge hatte, von der sich Gemüse nur mit Kraft hätte schieben lassen.

Für mich wäre der Food-Release gut, wenn das Messer leicht schneidet, das Schnittgut aber brav neben der Klinge liegen bleibt. Aber wie gesagt, wenn die Klinge dünn und hoch ist, klebte bei mir bis jetzt das entsprechende Schnittgut immer. Wenn die Klingen hoch sind, gibt es aber auch genug Platz, also macht mir das nix.
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

vielen Dank für deinen Bericht. Ich habe ihn mit Interesse gelesen, da ich selber ein Nakiri von Watanabe habe, allerdings eines aus der "Standard-Serie" mit Sonderwünschen, die ich mir hätte sparen können, wenn ich mir deines aus der Pro-Serie ansehe.

Der Unterschied im Finish "Pro" versus "Standard" ist auffällig, meines Erachtens zu auffällig! :argw:

Wenn ich damals so schlau wie heute gewesen wäre, hätte ich mich ausnahmslos für ein Nakiri der Professional-Serie entschieden. Funktionell nehmen sich die beiden Nakiri's nichts. Auch meines ist sehr fein ausgeschliffen und schneidet ausgezeichnet. Der Stahl ( Aogami II ) und auch die Eisenflanken sind kaum reaktiv, kein Geschmack, kein Geruch, kein Anfärben vom Schnittgut! Sehr gute Geometrie, klingenlastige Balance, eigentlich ideal, das fällt richtig ins Schnittgut hinein.

Aber die Verarbeitung ist schlicht mies im Vergleich zu deinem!

Ich wollte auch einen geflammten Kastanienholzgriff, meiner ist im Vergleich ziemlich langweilig, die Zwinge ist aus Plastik und hat anscheinend beim montieren eine Macke abbekommen. Die Erlbohrung an sich wäre ja ok, wenn nicht alles mit Füllmasse verschmiert wäre, von den Spalten rede ich erst gar nicht.

Der Kehl ist roh belassen und an der Vorderkante musste ich so wie du einen ordentlichen Grat entfernen. Also deine Erlbohrung und Abdichtung ist völlig in Ordnung und kann als sehr anständig gemacht bezeichnet werden, da habe ich schon viel schlimmeres in dieser Preisklasse gesehen.

Hier mal zum Vergleich die kritisierten Stellen an meinem Nakiri:

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Der linke Kehl ist das Watanabe Nakiri, der Anschliff exzellent, das Finish grob und roh!:

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Jeder der mal vor der Entscheidung steht, "Pro" oder "Standard" und auf ein sorgfältiges Finish Wert legt, hat hier und jetzt einen schönen Vergleich. Hätte es das schon früher gegeben, dann hätte ich heute ein Exemplar wie deines! :rolleyes:

Gruß, güNef
 
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