Jetzt mein review zum Para - Military.
Da der Name Military kürzlich wieder Thema war, beginne ich den Review mit einer persönlichen Deutung. Ich würde den Namen aus dem Pferdesport her übersetzen, wonach die Disziplin Military hier Vielseitigkeit genannt wird. Ich denke, als Leitthema sehr passend.
Was wären die Disziplinen des Messers?
1. Zugschnitt
2. Druckschnitt
3. Stich
Man kann sich das als ein dynamisches Modell vorstellen, wonach die Betonung einer Disziplin eine Schwächung der anderen Bedeuten kann / muss.
Gerade bei 1. und 2. ist das Konsens, bezüglich 3. ist es aber nicht zwingend.
Das Paramillie ist eindeutig zu Gunsten des Zugschnitts ausgelegt und in dieser Hinsicht ist die Klinge sehr gut durchdacht. Es findet sich hierzu eigentlich nur eine handwerkliche Schwäche, die ich später beschreibe.
Die Schneide läuft, vom Griff aus gesehen, nur auf den ersten zwei cm gerade und formt dann einen Bogen mit sehr großem Radius der sich dann zur Spitze hin weiter dehnt.
In der normalen Griffhaltung bedeutet dies, dass immer mit "Bauch" geschnitten wird. 90%, wenn nicht sogar alle Schnitte werden durch die Schneidenbiegung bedingt gezogen. Das macht das Schneiden leicht. Selten wird Druck benötigt. Man säbelt also meistens.
Wenn noch niemand nachgeschärft hat, so gehe ich davon aus, dass ab Werk eine Art Microverzahnung vorliegt. Fühlte sich interessant an. Diese Verzahnung war ausgezeichnet, weil sie die Schnitte unterstützte. Zeitung, Wurst oder Holz wurde leicht durch- bzw. abgetrennt. Holz allerdings in der Regel in groben Spänen. Äpfel schälen war knuffig, weil die gebogene Schneide ein Idealer "Schnippelschneider" ist. Es ging also leicht von der Hand.
"Tantos sind abgebrochene Schwerter, die zum Messer umfunktioniert wurden!"
Diese Behauptung ist so mythisch, wie wohl auch falsch. Gleiches gilt für: "Das Paramillie ist ein abgebrochenes Chefknife, das man zum Folder umwandelte!". Allerdings ist eine Nähe nicht zu leugnen.
Der fast lineare Abfall der Klingenstärke zur Spitze hin:
(15 mm vor Spitze noch gut 1,9mm; 10mm noch 1,5; 5mm noch 1,1mm)
ähnelt einem Chefknife. Gut, aber dadurch wird der Schnitt durch dickes Schnittgut erleichtert.
Die Klinge läuft spitz zu und ist daher auch für feinere Arbeiten gut geeignet.
Fazit:
Spyderco hat alles dem Zugschnitt untergeordnet, ohne dass damit größere Einbußen in der Anwendung hingenommen werden müssen. Der Druckschnitt wird einfach verdrängt. Für einen Stichel fehlt der typische leicht ballige Zulauf der Klinge auf der Länge. Vergleich:
(BM 5000A 15mm vor der Spitze noch 2,1mm; 10 mm noch 1,8; 5mm noch 1.2mm)
Ob die Klinge des Para deshalb als Holzstichel scheitern würde (war nicht Thema des Passaround) naja, ich glaube es ginge. Trotzdem ist die Spitze nicht eine der stabilsten, weil einfach weniger Material verbleibt als im Vergleich zu anderen Klingen. Wer also Wert darauf legt, sollte sich es überlegen.
Finish ist eine feine Satinierung. Gut durchgeführt.
Die Klinge läuft auf eine Dicke von etwa 0,8mm aus, ähnlich, wie das BM 806, und formt dann einen ca. 30° Schneidenwinkel. Die Schneidfase ist daher sehr breit.
Also, solange nicht Schneidenwinkel von 20° gefahren werden, empfinde ich breite Schneidfasen als diletantisch bzw. als Notlösung. Besser wäre gewesen, Spyderco hätte die Klinge tiefer und dünner auslaufen lassen und eine schmälere Fase aufgebracht.
Wer aufgrund dieser Fase meint, S30V sei schwer zu schleifen, der soll den gleichen Stahl mit einer schmalen Fase probieren und wird sehen: Die Menge machts.
Als Vergleich:
BM 5000A läuft auf 0,5 mm aus und hat eine Fase etwa 2/3 bis die Hälfte. Ähnlich das 140.
Beim 806 (auch 0,8mm) ist die Fase schmäler, aber der Schneidenwinkel größer.
Spyderco sollte das echt überarbeiten, ansonsten wünsche ich Spass beim Schleifen, insbesondere mit dem SM.
Damit käme ich zum Griff:
War die Klinge in ihrer Einfachheit schön, so war der Griff in seiner überladenen Konzeption nervtötend.
Sicher trägt der Griff im Gesamtbild dazu bei, das Messer anziehend wirken zu lassen. Aber hier wäre weniger mehr gewesen.
Ich fand nur eine Griffart, den kurzen Griff mit Zeigefinger in der Aussparung der Klinge. Ein Längergreifen war möglich, aber der Griff bot sich dafür nicht an. Ein weiteres Indiz dafür: Reverse: Keinen Griff, der Sicherheit versprach. Nur mit kleinem Finger in der Klingenchoil, aber so, das ich niemals gestoßen hätte. Ständig rubbelt man entweder hinten oder vorne über einen Gnubbel.
Als Vergleich:
Das BM 806 hat beim Klingenlager eine kleine Delle für kurzen Griff und direkt danach die tiefe Mulde. Obwohl der Unterschied extremer ist, verlaufen Griffwechsel intuitiver. Das Para könnte ruhig Anleihen an der kleinen Delle des 806 nehmen.
Anfangs dachte ich auf die Klingenchoil verzichten zu können, aber am Schluss war ich der Meinung, wenn die Anleihe bei Loveless konsequenter gewesen wäre, hätte man den "Knauf" nicht so weit nach unten gezogen. Der kleine Finger hätte sich dann zwar nicht automatisch in die Biegung gelegt, bräuchte er aber auch nicht, weil im kurzen Griff der Zeigefinger in der Klingenchoil genug Platz findet, aber im langen Griff, hätte man Platz nach hinten gehabt.
Optisch wäre das Messer immer noch interessant geblieben.
So, wie es jetzt ist, ist der Griffabschluss in der Hosentasche zu wuchtig und beim Zugriff werde ich vorne wie hinten eingepackt. Hab manchmal leichte Krämpfe bekommen.
Ich würds wegdremeln. Ich habe im Vergleich mein BM5000A wieder lieb gewonnen, weil Mel Pardue bei allem Know how mir nicht vorschreibt, wie ich ein Messer zu greifen habe. Sein Griff unterstützt meinen Zugriff, sonst nichts.
Der Clip. Es gibt keinen Grund, dieses Messer nicht linkshändig auszulegen. Man hätte nur einen popeligen symetrischen Clip nehmen müssen.
Die Verriegelung:
Man gewöhnt sich daran. Dann ist es ok. Ich habe versucht, die Achse nachzuziehen, aber mit nur einem Torx ging das schlecht. Aufgefallen ist mir, dass die Schraube irgendwie sehr fest war. Es würde mich nicht überraschen, wenn da noch eine Lagerbuchse wäre. Ein sehr positiver Eindruck, wenn das Klingenspiel so definiert ist. Lockere Schrauben für leicht gängige Klingen finde ich dagegen eher abtörnend.
Auch die Schrauben im Griffrücken waren sehr fest, was gut ist.
Es hat halt Klingenspiel, wahrscheinlich, weil die Sperrfeder nicht fest genug rüberhaut. Ob das jetzt so schlimm ist, stelle ich dahin.
Verarbeitungsschwächen:
Jaja, diese rötlichen Stellen. Hätte ich nicht erwähnt, wenn nicht der Klingenrücken von oben gesehen rechts ordentlich entgratet gewesen wäre. Das haben die sich auch gespart.
Gesamtfazit:
Ein insgesamt durchdachtes und gut verarbeitetes Messer, dessen "Mängel" in einem Bereich liegen, die der rechtshändige Anwender noch beeinflußen kann. Da, wo er keinen Einfluss hat, finde ich es einwandfrei, bis auf den Clip.
Für den, der noch kein gutes Messer hat, eine Option. Hinsichtlich des Preises findet man auch andere, besser verarbeitete, sehr gute Messer, deshalb gilt auch hier: Das Auge isst mit.
Ein "Must have" ist es nicht.
Der Passaround hat mir viel Spaß gemacht. Endlich mal Zeit für ein Spyderco. Ich wünsche meinen Nachfolgern auch viel Spaß und schaut Euch endlich mal den Video an.
Gerne wieder.
