Rezension Kotetsu 240mm Gyuto R2

Büchner

Mitglied
Beiträge
14


Hier ein etwas verspäteter Bericht zum Kotetsu Gyuto, nachdem dessen Bunka-Bruder hier schon seit einiger Zeit diskutiert wird. Das Pseudogyuto wurde über 'cuttingedgeknives' für 192 Pfund erworben, ungefähr 272 Euro hat es gekostet. Dazu kamen noch einmal 15 Pfund Versandkosten, also 293 Euro in etwa. Dabei habe ich von einem freundlichen und flexiblen Kundendienst Gebrauch gemacht, der sich eine Empfehlung verdient hat.


Ersteindruck
Nun kann man auf der Klassenbezeichnung durch den Hersteller 'Gyuto' beharren, für mich entspricht das Messer in seiner Form dem, was als Kiritsuke von anderen Herstellern verkauft wird. Diese Gestalt ist für mich eine Neuheit, der Klingenrücken an der Klingenspitze zum in geringer Höhe liegenden Ort hin in einem recht großen Winkel bogenlos angelegt, die Schneide kaum gekrümmt. Optimal zum hacken, wie ich finde, meine Lieblingsschneidetechnik. Beim Herausnehmen wird man sich sofort des dünnen Schliffs bewusst. Das Messer wirkt fragil und ist trotz größerer Ausmaße leicht bis mittelschwer. Mein Messer verströmte außerdem einen neutralen Geruch nach Sägemehl, interessant ist, dass sich gleich bei der ersten Praxisprüfung ein Stück Fingerkuppe zu den Zwiebeln gesellte, und ich seitdem mit dem Geruch diesen Schnitt assoziiere. :)






Daten

Hersteller/ Händler:
Gewicht: 171g
Klingenlänge: 235mm
Gesamtlänge: 397mm
Klingenhöhe: 52mm
Klingenstärke: 2mm
Stahl: R2
Härte: 63 HRC

Eigene Erhebung:
Gewicht:168g
Klingenlänge: Ort-Zwinge 260mm, Ort-Kehl 239mm
Gesamtlänge: 399mm
Klingenhöhe: 51,7mm
Klingenstärke: 1,8mm


Klinge
Ist nicht ganz so sauber verarbeitet, wie beispielsweise bei einem Ashi. Ein paar tiefere Kratzer kann man sehen, die mit der Kamera schwer einzufangen sind, und selbst das Auge braucht dazu eine bewusste Lenkung oder passendes Gegenlicht. Sie sind also nicht weltbewegend. Wer mag kann sie noch mit Sandpapier wegschmirgeln. Da sie mir so kaum auffallen, verzichte ich darauf. Die Klingenprägung gefällt mir sehr, die Zeichen wirken wie künstlerische aber akkurate Interpretationen asiatischer Schriftzeichen. Nagelgängigkeit beweist die Schneide bei kleinstem Druck über die gesamte Schneidenlänge, womit die innere Freude bei der Vorstellung des baldigen Schneidens wächst. Der Anschliffwinkel ist deutlich kleiner als 30 Grad, wie viel genau kann ich im Moment nicht sagen.
Um die dünne Schneide zu schützen, legte noch vor meinen Versuchen eine Mikrophase von 15 (links) und 30 (rechts) Grad an, benutzt wurde ein 10k Naniwa SS mit ungefähr 25 Zügen und ein Chromoxidlederblock mit der Hälfte der Züge. Die Klinge ist nicht flexibel.
Ich persönlich bevorzuge die Klingenlänge von 240mm, weniger liegt mir für ein Universalmesser nicht. Mit 240mm kann ein großes "Feld" an unfertig zerteiltem Schnittgut im Wiegeschnitt bearbeitet werden. Ich kann auch, falls die Klinge an Schärfe verliert, lange Schnitte vornehmen um trotzdem noch gut trennen. Außerdem bewege ich gern das bearbeitete Schnittgut auf der bei solchen Messer verhältnismäßig großen Klingenfläche. Desweiteren mag ich das Gewicht und dessen Schwerpunkt vorwärts mehr, aus all diesen Gründen habe ich mich gegen das Bunkabocho entschieden, welches sich hier im Forum einen ausgezeichneten Ruf erworben hat.
Klingenspitze mit feinen Kratzern



Klingenanfang mit Schleifspuren


Klingenrücken



Griff-Klingen-Übergang
Dieser Bereich ist wirklich einwandfrei verarbeitet. Das Füllmaterial, dass das Loch zwischen Angel und Heft schließt, ist farblich an das helle Holz darum angepasst, es sieht gut und sauber aus, das Füllmaterial steht nicht über. Der Klingenrücken ist gerundet und spiegelpoliert, Spitze! Auch der Kehl ist großzügig gebrochen und spiegelpoliert. Außerdem verläuft der Kehlbereich nicht über eine gerundete Ecke vom Kehlspitz zur Zwinge, sondern in einem einzigen großen Bogen, zur Schneide hin an Krümmung verlierend. Das fässt dich im Kneifgriff besonders angenehm.




Griff
Der oktagonale Griff besteht aus Palisander mit einer Zwinge aus, ja woraus eigentlich? Ich vermute sie besteht ebenfalls aus Palisander, denn eine feine gleichausgerichtete Maserung ist erkennbar. Alles ist tadellos verarbeitet, fein geschliffen. Die am Zwingenanfang und am Griffende liegenden acht Kanten sind, wie üblich, ein paar Millimeter gleichmäßig angeschrägt. Horn und Holz sitzen bündig, der Übergang ist nur mit dem Fingernagel zu spüren. Das Holz ist sehr glatt und weist eine schwache Maserung auf, die deutlich von ein paar gut sichtbaren dunkleren Streifen durchlaufen wird. Damit ist die Maserung insgesamt auffälliger als bei meinem Moritaka Gyuto aus gleichem Holze, dieses weißt jedoch eine insgesamt stärkere Maserung ohne Ausreißer auf. Beides gefällt mir gut, ich würde sagen die Gleichmäßigkeit des Moritaka-Griffes liegt mir persönlich ein Stückchen mehr. Die Wasserresistenz ist sehr gut, es perlt ab, ohne das Holz zu verdunkeln. Auch die Zwinge ist vom Muster her eher homogen, die kaum zu erkennende Maserung lässt die Zwinge sehr rein und sauber wirken.




Leistung
Im ersten Zwiebelversuch wird es gleich ersichtlich: Ein wahres Lichtschwert halte ich in den Händen. Das Gemüse geht noch einmal leichter zu schneiden, als mit meinem Ashi 240mm Gyuto Referenzmesser. Die Dünnklinge wandert mit dem geringsten Druck, den ich jemals für einen Schnitt durch dieses Schnittgut aufwenden musste, durch selbiges. Die relativ hohe Klingenhöhe, die geringe Klingenstärke und der beinahe-Flachschliff machen mit der kugelschreiberstrich-breiten Sekundärphase einen Strahlentrenner aus der Klinge. Der Preis hierfür ist die Haftneigung des Schnittgutes ähnlich einem Ashi Gyuto oder Herder 1922. Dieses ansaugen bemerke ich auch bei großen Zwiebeln, hier liefern sich Schneidfähigkeit und Saugfreudigkeit ein hartes Kopf-anKopf-Rennen, am Ende glänzt das Kotetsu triumphiert über die Haftung. Als eine 9/10 empfinde ich die Schneidleistung, sie ist berauschend! Damit ordne ich das Messer, und ich meine den Unterschied deutlich zu spüren, vor dem allseits beliebten hauchdünnen Ashi 240mm Gyuto ein, das durch mich eine 8/10 erhält. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass man ein Messer merklich dünner herstellen kann, ohne sonstige Messercharakteristika aufgeben zu müssen, wie eine grundlegende Stabilität und die herkömmliche Gewichtsverteilung. Wie immer arbeitete ich mich mit diesem Schneidteufel ein bis zwei Wochen durch den Alltag, dabei wich ich keinen Millimeter von meinem üblichen Umgang mit meinen wertigeren Kochmessern ab. Es wurde vornehmlich gehackt, und zwar so schnell ich kann, ohne weitere Körperteile zu gefährden.
Diese Schneidleistung hat ihren Preis. Nach bereits drei Zwiebeln konnte ich in der Sekundärphase unter dem 100-facher Vergrößerung zwei Ausbrüche erkennen. Nach der einer Woche zeigt die Schneide eine Reihe kleiner Ausbrüche, allesamt nur mit dem Mikroskop wahrnehmbar. Scharf ist sie trotzdem noch. Eigentlich hatte ich mit größeren Problemen gerechnet. Ich werde vermutlich beim nächsten Grundschliff diesen in einem etwas größeren Winkel ansetzten, oder die Mikrophase noch deutlicher setzten.
Das Gewicht ist noch angenehm, etwas mehr wäre mir lieber. Mit der selbst zur Spitze hin noch breiten Klinge lässt sich hervorragend Schnittgut durch die Gegend tragen.
Wie zu erwarten haben sich keine Spuren von Korrosion bemerkbar gemacht.

Kehl





Fazit
Ein tolles Teil, wer den leichten Schnitt hoch schätzt, wird nicht enttäuscht werden. Wer noch über die nötigen paar Mark und etwas Toleranz gegenüber Kiritsuke-Klingen verfügt, dem kann ich das Messer nur wärmstens empfehlen. Die Verarbeitung ist fast fehlerfrei und macht sehr zufrieden, aber das hervorstechende Merkmal des Messers ist und bleibt die außergewöhnliche Schneidfähigkeit. Erwähnenswert ist dazu die noch verhältnismäßig (zur Schneidfähigkeit) hohe Stabilität der Schneide, die Ausbrüche waren sehr klein und behinderten kaum. Ich empfehle zum Messer eine saubere und grundsolide Schneidetechnik mitzubringen, die der im unbedarften Gebrauch doch bemerkbaren Fragilität der Schneide Rechnung trägt. Auf eine Mikrophase würde ich nicht verzichten, trotz aller Belobigungen der Schneidkantenstabilität des Stahls, hochlegiert und fein ausgeschliffen birgt immer das Risiko, bald unbeabsichtigt Zähnchen in der eben noch zahnlosen Schneide vorzufinden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

wieder ein sehr guter Bericht, vielen Dank!

Das Gemüse geht noch einmal leichter zu schneiden, als mit meinem Ashi 240mm Gyuto Referenzmesser. Die Dünnklinge wandert mit dem geringsten Druck, den ich jemals für einen Schnitt durch dieses Schnittgut aufwenden musste, durch selbiges.
Ein tolles Teil, wer den leichten Schnitt hoch schätzt, wird nicht enttäuscht werden.

Ich kenne das Kotetsu Bunka und war nach krassis Bericht und den Kehlbildern ziemlich geflasht von dieser papierdünnen Klinge und der erste Impuls war "kaufen"!

Der Besitz eines Kamo-To-Santoku und die Angaben über eine robuste Schneide ohne Ausbrüche beim Kotetsu haben mich vom Kauf abgehalten.

Nachdem ich das Bunka mit meinem Kamo vergleichen konnte, war meine Vermutung bestätigt. Ab einer bestimmten Geometrie folgt Patt auf Patt, viel mehr geht einfach aus physikalischen Gründen nicht mehr. Das gleiche gilt für so eine Schneide, findet knackiger Brettkontakt statt, in deinem Fall beim choppen, dann bröselt eine sehr harte Schneide unter 20° Schneidenwinkel einfach weg, eine weichere legt sich um, oder irgendwas dazwischen. Aber stabil bleibt sie nicht, zumindest hab ich das noch nicht erlebt! Noch nie bei japanischen Klingen.

Das heißt du hast, die reine Schneidfähigkeit betreffend, mit deinem Kotetsu den Zenit erreicht und wirst kein Messer mit ähnlichem Gewicht und Geometrieverlauf finden das "wirklich" und nicht nur "selbstsuggestiv" deutlich merkbar besser schneidet! Gefühlt anders geht das schon noch, eine "schwere", den Schnitt unterstützende Klinge und eine vorderlastige, ins Schnittgut fallende Balance topen eine perfekte Schneidfähigkeit noch einmal, also sagen wir gefühlt. :D

Lästig ist so ein leichter Schnitt allemal, man mag dann die weniger gut schneidenden weniger. :D

Viel Spaß mit dieser Klinge und der Schnitt entschädigt für die Anpapperei! :steirer:

Gruß, güNef
 
Benutzer hat den Inhalt dieses Beitrags gelöscht.
Grund:
--------------
Inhaltslose Füllbeiträge, spamartige Antworten, Chatähnliche Beiträge
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine sehr schöne Rezension mit vielen nützlichen Praxiserfahrungen, danke.

Vieles, was du zu dem Kotetsu gesagst hast ennert mich an mein 27er Shiro Kamo Kiritsuke Gyuto, dass ebenfalls diese verblüffenden Laserqualitäten aufweist.

Zumindest einen Vorteil des Kotetsus gegenüber dem Kamo entnehme ich aber deiner Rezension, nämlich dass die Klinge nicht flexibel ist. Das Kamo hat eine leichte Flexibilität, was ich bei großen Klingen etwas gewöhnungsbedürftig finde.
 
Zurück