Roger Pinnock - Tips for Knifemakers. A Collector's Perspective (Knives 2013)

pitter

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Der Text im zweiten Beitrag ist aus dem aktuellen Knives 2013 von Krause Publications.

Roger Pinnock hat meiner Meinung nach recht klar zusammengefasst, wie er als Sammler - also als Kunde - den Messermarkt betrachtet. Viele Aspekte, die Roger Pinnock aufführt, sind einen eigenen Artikel wert. Zum Beispiel die Themen Präsentation, Preiskalkulation, oder (das richtige) Marketing.

Für Leute, die schon länger in der "Szene" sind, vermutlich nichts aufregend neues, aber als Überblick für Neueinsteiger gefällt er mir. Deswegen gibts den Artikel hier auch zu lesen.
Damit auch die etwas davon haben, deren Englisch etwas eingerostet ist, habe ich den Artikel übersetzen lassen.

Vielen Dank an Joe Kertzman, Managing Director des Blade Magazines und Herausgeber von Knives 2013 für die Erlaubnis , den Artikel hier im Messerforum veröffentlichen zu dürfen.

Die tollen Artikelbilder gibts allerdings nur im der Printausgabe, die man hier bekommt: http://www.shopblade.com/knives-2013-33rd-ed
Rentiert sich, wenn man mal einen Blick auf *einen* Teil der internationalen Messerszene werfen möchte.

Pitter
 
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Tipps für Messermacher
Ansichten eines Sammlers

Wie vertreibt ein Messermacher seine Werke in einem schwierigen Markt mit hohem Wettbewerbsdruck?


Von Roger Pinnock

Als Sammler und Enthusiast von Custom-Messern beobachte ich seit mehr als 25 Jahren, dass sich – bei unveränderten Grundpfeilern der Branche, nämlich hochwertige Arbeit und innovatives Design – vieles verändert hat, oft dramatisch.
Der Datenhighway existiert nicht nur, seine Bedeutung nimmt mit nahezu exponentieller Rate zu: Mehr Daten werden immer schneller transportiert. Die bloße Anzahl der Hersteller von Custom-Messern – und darunter der guten Hersteller – überschreitet bei weitem alles, was man vor einem Vierteljahrhundert hätte prognostizieren können. Wie kann sich ein Messermacher in diesem Umfeld abheben und seine potenziellen Kunden in einem schwierigen Markt mit hohem Wettbewerbsdruck erreichen? Der folgende Text versucht, diese drängende Frage aus der Perspektive des Sammlers zu beantworten.

Sammler finden – aber wo?

Zunächst müssen Sie es dem Sammler so einfach wie nur möglich machen, Sie zu finden. Als zunehmend unerlässliche Komponente für eine erfolgreiche Marketing- und Werbestrategie hat sich die Veröffentlichung einer guten Website herausgebildet. Und diese Bedeutung einer eigenen Website wird noch zunehmen. Die Zeiten, in denen man einen frankierten Rückumschlag mit drei Dollar an den Messermacher geschickt hat, um dessen Broschüre zu erhalten, sind glücklicherweise endgültig vorüber. Für die jüngeren Messersammler, die in das Computerzeitalter geboren wurden, gilt vielmehr: Wenn du nicht im Internet bist, gibt es dich nicht.

Und auch für Menschen wie mich, die bereits im Zeitalter zwischen der Entdeckung des Feuers und der Schöpfung des World Wide Web auf dieser Erde wandelten, besteht der erste Schritt nach Erhalt eines Tipps zu einem faszinierenden neuen Messermacher im Zugriff auf seine Website. Wenn die nicht existiert, ist es mit der Nachforschung oft schon wieder vorbei.

Die Site selbst sollte einfach und klar gestaltet sein und eine bedienungsfreundliche Navigation bieten. Mit dieser Site stellen Sie sich und – wichtiger noch – Ihre Arbeit potenziellen Kunden vor. Deshalb muss die Site eine Galerie wertiger Fotos Ihrer Arbeiten enthalten. In diesem Zusammenhang möchte aus tiefster Überzeugung an eine Aussage des Profifotografen Jim Cooper erinnern: Hochwertige Fotos kosten nicht, sie bringen Geld.

Wenn nur der eine Käufer das letzte und beste Werk des Messermachers sieht, ist das Marketingpotenzial des Werks schlicht vergeudet. Und wenn die Webgalerie schlecht belichtete, unscharfe Bilder Ihrer Messer auf einem Badezimmerteppich zeigt, stellen Sie sich damit sicherlich nicht von Ihrer Schokoladenseite dar (auch wenn es Ihnen gelingt, Ihre Füße aus dem Aufnahmebereich herauszuhalten). Aktualisieren Sie die Site regelmäßig und geben Sie den Besuchern einen guten Grund, wiederzukehren, beispielsweise durch den gelegentlichen Verkauf eines Messers, das ausschließlich über die Website erhältlich ist.

Nutzen Sie die Website außerdem, um eine Kundenliste zu erstellen, indem Sie beispielsweise den Versand von Benachrichtigungen bei Aktualisierungen anbieten. Dies ist kein Spam, wenn die Abonnenten sich freiwillig registrieren und sich problemlos wieder abmelden können. Es gibt viele Beispiele für gut gemachte Websites, beispielsweise die von Burt Foster (www.burtfoster.com), Don Hanson III (www.sunfishforge.com) und Kyle Royer (http://kyleroyerknives.com/).

Das Interesse wecken

Webforen stellen eine unglaublich kostengünstige (gelegentlich sogar kostenlose) Möglichkeit zur Kommunikation mit potenziellen Käufern und zur Attraktion ihrer Aufmerksamkeit dar. Natürlich gibt es einige Fallstricke, das Marketingpotenzial ist aber zu groß, um es zu ignorieren.

Kürzlich zeigte der Schmied David Wesner aus Michigan auf www.bladeforums.com einen ausführlichen Werkstattbericht, der sich detailliert mit den verschiedenen Schritten beim Bau eines Camp Knife aus Damast befasste: vom Schmieden des Stahls über alle erforderlichen Schritte bis zum abschließenden Polieren des Griffs. Dieser Thread wurde nicht nur über 13.000-mal aufgerufen, sondern führte laut Messermacher auch zur Bestellung ähnlicher Messer. Seine Investition bestand im Wesentlichen aus Zeit und hat sich vortrefflich gerechnet. Andere soziale Medien wie Facebook und Twitter werden von Messermachern zunehmend für den virtuellen Kontakt mit Kunden und – wichtiger noch – zur Präsentation ihrer Arbeiten potenziellen Neukunden gegenüber genutzt.

Obwohl das Internet sich als alternativer Marktplatz in Konkurrenz zu traditionellen Messerausstellungen etabliert hat, kann und wird es die Erfahrung, die Arbeiten unterschiedlicher Messermacher betrachten und befühlen zu können, ebenso wenig wie die aus dem gemeinschaftlichen Erlebnis mit anderen Messerliebhabern erwachsende Kameradschaft je ersetzen. Und dies führt zu einem offensichtlichen Schluss, auch wenn es dem Streben des Messermachers zu widersprechen scheint: Versuchen Sie immer, Messer auf dem Tisch zu haben, die tatsächlich noch gekauft werden können.

Wenn Ihre Messer so gut nachgefragt werden, dass sie bei Ausstellungen regelmäßig ausverkauft sind, sollten Sie nicht alle Stücke schon am Abend vorher im Hotelzimmer verkaufen. Behalten Sie wenigstens einige Stücke für die Besucher, die zur Ausstellungseröffnung in der Schlange stehen, auf dem Tisch, und bitten Sie ggf. einige der frühen Käufer darum, die gekauften Messer für die Dauer der Ausstellung auf Ihrem Tisch liegen zu lassen.

Behandeln Sie Ihre Preise nicht wie Staatsgeheimnisse. Der Preis jedes Messers sollte gut lesbar sein. Ich weiß, dass einige Messermacher es bevorzugen, potenzielle Käufer in ein Gespräch zu verwickeln, wenn sie nach dem Preis fragen. Meiner Ansicht nach befremdet dieses Vorgehen aber mehr potenzielle Käufer, als es anzieht.

Natürlich werden Sie dazu tendieren, Werke auszustellen, die Sie selbst für besonders gut verkäuflich halten. Daneben sollten Sie aber mindestens ein Werk ausstellen, das Ihre wahre Schaffenskraft repräsentiert – Ihr persönliches Piece de Resistance, das Käufern zeigt, was Sie können.

Eine der erfolgreichen Ausstellungsstrategien des aus Rochester, New York, stammenden Messermachers Dan Farr besteht darin, den potenziellen Käufern, die seinen Tisch besuchen, stets etwas Neues zu zeigen. So hat er bei aufeinanderfolgenden Messen beispielsweise Gravierungen als Verfeinerung bestimmter Stücke, Carbon auf Griffen, Griffe aus laminiertem Holz für mehr Stabilität und einen ganz einzigartigen ästhetischen Eindruck sowie "Strong Shoulders" für mehr Stabilität bei Hidden Tangs gezeigt. Ein Messermacher, der kontinuierlich Verbesserungen seiner handwerklichen Fähigkeiten präsentiert, erntet positive Resonanzen seitens der Sammler.

Die Preisgestaltung war lange Zeit eine echte Herausforderung für Messermacher. Der hohe Wettbewerbsdruck der heutigen Märkte hat die Preisgestaltung wichtiger als je zuvor gemacht. Die Festlegung von Preisen, die zugleich durchsetzbar und ein Fundament für die weitere Entwicklung sind, setzt eine realistische Einschätzung Ihrer Marktposition voraus. Der einfache Vergleich mit einem ähnlichen Messer eines anderen Messermachers zur Festlegung eines Preises für Ihr Messer ist keine erfolgversprechende Strategie. Sie benötigen detaillierte Kenntnisse der Preisgestaltung in Ihrem spezifischen Segment, ein Wissen um die von verschiedenen Messermachern aufgerufenen Preise und ein Verständnis der Faktoren, die für die Preisvariationen im gegebenen Segment verantwortlich sind.

Preisgestaltung als Schlüssel

Der Datenhighway ist Ihr Freund, weil Sie auf Händlersites, Messermachersites und in Forummarktplätzen sowie auf traditionelleren Veranstaltungen wie Messerausstellungen Daten erfassen können. Sehr wichtig ist auch die Bedeutung des Sekundärmarkts. Wie gut verkaufen sich Ihre Messer im Vergleich zu denen der Wettbewerber? Das ist ein Thema, das einen eigenen Artikel rechtfertigen würde. Kurz gefasst lässt sich Folgendes sagen: Die Preisgestaltung ist der Schlüsselfaktor in einem gesättigten Markt.

Das Nachstehende soll keine negative Wahrnehmung der Messermacher und ihrer Arbeit zum Ausdruck bringen. Tatsächlich waren meine Erfahrungen über die Jahre überwiegend positiv. Wenn aber Sammler zusammenkommen und nach einer Messe an der Bar oder bei beliebigen Gelegenheiten online plaudern, gibt es einige immer wieder erörterte Aspekte, wenn die Frage aufgeworfen wird, warum ein bestimmtes Stück oder die Arbeit eines bestimmten Messermachers erworben oder ignoriert wurde. Ich habe hier fünf der wichtigsten Aspekte zusammengestellt.

  1. Griffmaterial – immer das Beste. Viel zu oft sieht man eine hervorragende Klinge, die gewissenhaft gefertigt, dann aber mit einem langweiligen Stück unbekannten Holzes versehen wurde, das mutmaßlich lange Zeit in einer staubigen Ecke der Werkstatt lag. Für welches Material auch immer Sie sich entscheiden: Achten Sie auf bestmögliche Qualität und ein herausragendes Exemplar des betreffenden Materials.
  2. Scharfe Sachen. Verzierungen sind – richtig eingesetzt – großartig. Achten Sie aber neben den Verzierungen in jedem Fall darauf, dass Ihr Werk die Werkstatt gut geschliffen verlässt. Der Käufer muss sich auf die Schärfe verlassen können, sobald er die Verpackung öffnet.
  3. Schlangenöl? Einfach weglassen. Natürlich kann es sinnvoll sein, die romantische Ader zu kitzeln, die jedermann mit Custom-Messern verbindet. Sie müssen sich aber klarmachen, dass der heutige Käufer sehr gut informiert ist (schließlich sind die Werkstattberichte in den Messerforen sehr informativ) und nicht glauben wird, dass die Härtung im Blut einer jungfräulichen Ziege bei Vollmond der Klinge tatsächlich magische Eigenschaften verleiht.
  4. Sprechen Sie nie schlecht über die Arbeit anderer Messermacher. Das geschieht sowieso nicht oft, zieht aber dann meist unangenehme Konsequenzen nach sich. Werben Sie mit den guten Eigenschaften Ihrer Messer, weisen Sie aber nicht auf die vermeintlichen Fehler im Werk anderer Messermacher hin. Tatsächlich ernten diejenigen Messermacher Anerkennung, die auch die Arbeiten anderer loben und empfehlen.
  5. Preis. Wie oben erwähnt, sind auch hervorragend gefertigte Messer im Primär- und im Sekundärmarkt unverkäuflich, wenn die Preisgestaltung die Schranken des Marktes nicht ausreichend berücksichtigt.


Aus der Perspektive des Sammlers leben wir tatsächlich im goldenen Zeitalter der Custom-Messer. Nie zuvor gab es eine so große Auswahl an hochwertigen handgefertigten Messern, die über unterschiedlichste Kanäle erhältlich sind. Dass daraus Herausforderungen für neue wie für etablierte Messermacher erwachsen, ist offensichtlich. Für den Frischling ist es schwieriger, sich Gehör zu verschaffen, und der alte Hase muss aufpassen, dass er nicht in der Masse untergeht. Nehmen Sie diese Herausforderung an.

Unerlässliche Voraussetzungen für den Erfolg sind ein klar definiertes Ziel und ein guter Plan. Ich beneide Messermacher nicht um ihre Aufgabe, habe aber keinen Zweifel, dass heute wie gestern Talent kombiniert mit dem Willen zum Erfolg Früchte tragen wird.
 
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