Es freut mich, daß an der Frage nach extremer Schärfe so ein lebhaftes Interesse besteht und daß so viele Leute mit vorzüglichen Ergebnissen aufwarten können. Das zeigt, daß das Wissen über Stahl in den Messermacherkreisen doch deutlich besser geworden ist. Das war nicht immer so !.
Zum Haarspaltetest ein paar Anmerlungen: Das Durchschneiden eines frei gehaltenenen Haars war von Alters her eine Prüfung für die Schärfe eines Rasiermessers. Ein bestimmter, nachprüfbarer Schärfewert lässt sich damit nicht festlegen, weil das menschliche Haar individuell sehr unterschiedlich ist. Dicke Borsten geben mehr Widerstand und sind daher leichter zu schneiden, als feine dünne Härchen. Zwischen der Schärfe, die zum Rasieren der Armhaare ausreicht und der, mit der man die Nackenhaare ohne Druck schneiden kann, liegen noch Welten. Am schwierigsten sind die ganz feinen Resthärchen auf beginnenden Glatzköpfen zu schneiden -und zwar nicht direkt an der Haut, sondern an den Spitzen. Das geht durchaus, meist findet man aber niemand, der die Prozedur über sich ergehen lassen will.
Die hier angesprochene Probe des Längsspaltens des Haares scheint auf den ersten Blick eine noch größere Schärfe vorauszusetzen, als das einfache Durchtrennen eines freigehaltenen Haares. Das ist aber nicht unbedingt richtig. Um sich die Sache klar zu machen, muß man sich die Struktur eines Haares einmal unter dem Mikroskop betrachten. Dabei zeigt sich, daß das Haar nicht einfach ein dünner, glatter Hornschlauch ist, sondern eine schuppige Oberfläche hat. Schneidet man mit den Schuppen in das Haar hinein, so fängt sich eine wirklich scharfe Klinge am Schuppenansatz und man kann mit der Haarspalterei beginnen. Schwieriger ist es, gegen die Schuppenrichtung in das Haar hineinzuschneiden. Wenn man also jemand mit dem Längsspalten des Haars beeindrucken will, sollte man ein langes, kräftiges Haar nehmen und von der Haarwurzel weg zur Spitze hin schneiden.
Wichtiger scheint mir der zweite Teil der Frage: "mit welchem Messer klappts wirklich?". Die Antwort ist recht einfach: Grundsätzlich mit jedem. Entscheidend ist, daß der gewählte Anschliffwinkel spitz genug ist und exakt eingehalten wird. Weiter muß das Schleifmittel ausreichend fein sein, um eine geschlossene Schneide mit allenfalls ganz feinen Riefen zu erzeugen. Sollten stark karbidhaltige Stähle geschliffen werden, so muß das Schleifmittel auch ausreichend hart sein, damit auch die Karbide selbst mitgeschliffen werden. Wichtig ist auch, daß das Schleifmittel scharfe Schleifpartikel hat, die die harten Karbide nicht aus der Matrix herausreissen, sondern in der gleichen Ebene wie diese schleifen. Der letzte, feinste Schleifvorgang sollte dann auch mit leichtem Druck ausgeführt werden und es ist günstig, wenn das Schleifmittel hart gebunden ist, weil sonst die Gefahr besteht, daß die schon extrem scharfe Schneide in den Schleifkörper eindringt und verrundet wird.
Soweit die Theorie. In der Praxis merkt man sehr schnell, ob sich eine Klinge schnell und gut auf hohe Schärfe bringen läßt. Bei stark karbidhaltigen Stählen dauert es wegen der höheren Verschleißfestigkeit länger, schlecht wärmebehandelte Stähle neigen zum vorzeitigen Ausbrechen der Schneide.
Den entscheidenden Unterschied wird man aber bei der Schneidhaltigkeit der feinen Schneide feststellen. Hier spielt ein Faktor, den ich die Mikrozähigkeit genannt habe, eine große Rolle. Feinkörniges Gefüge mit feinen Karbiden ist im Bereich feinster Schneiden ungleich belastbarer, als ein grobkörniges, das zudem auch noch grobe Karbide hat.Das haben wir hier im Forum eigentlich schon ausdiskutiert und ich will deshalb darauf nicht nochmal ausführlich eingehen. Auch verschiedene Schärftechniken und -mittel sind ja schon ausführlich behandelt worden.
Also: Schärft mal schön und gebt auf die Finger acht !
MfG. U. Gerfin