güNef
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Servus,
Russel Green River, oder der Trost von einfachen Messern…..
ist der wahre Trost, den jeder Messerfreak eines Tages braucht, vor allem dann, wenn er modernen Stählen, frischen Ideen und einem gutem Design nachjagt.. Das Handwerk und die Verarbeitung bester und edelster Materialien wird unter solchen Voraussetzungen fast zur Pflicht, geometrische Kniffe und spezielle technische Lösungen zur Kür….
Dann sieht und liest man eines Tages einen Beitrag über ein Messer aus fernen Tagen, aus der Pionierzeit, ein Messer, dass europäische Siedler und amerikanische Trapper in dieser Urform benutzt haben. Für die Pfadfinder unter euch sind die Messer sicher alte bekannte, weil altgedient und gut feldküchentauglich, ich kannte sie nicht, deshalb ist meine Begeisterung noch frisch und unverbraucht.
Die US-Firma Dexter Russel, bestehend seit 1818, bzw. deren Vorgänger bauten/bauen diese klassischen Arbeitsmesser bis heute. Es war einer der Ersten von Einwanderern gegründete Schneidwarenhersteller auf US-Boden, dessen Facharbeiter aus der ursprünglichen Heimat England abgeworben wurden. Dexter Russell produziert noch heute mit gut 200 Mitarbeitern an die zweieinhalbtausend verschiedene Produkte, vorrangig für Tierverarbeitung und Fischindustrie. Um bei den US-Maßeinheiten zu bleiben: 5 Zoll Klinge, ca. 4 Zoll Griff, Stahl 1095er, mit nachgemessenen 57 HRC, 2,5 mm am Rücken, der Griff geriffeltes Rosewood, massive Messingnieten.... alles weitgehend schmucklos aber solide gemacht. Das Messer wird leider ohne Scheide ausgeliefert, da muss man halt eine Lösung finden, wenn man es auch ausserhalb von Haus und Garten nutzen möchte. Meines kam als Gemeinschaftsbestellung von der Hudson Bay Company in DE, weil das Porto nach AT mal wieder den Preis zerschossen hätte. Die Seite besuchen lohnt, da gibt es einiges an klassischen Butcher-Knives ähnlich den klassischen Ontario Old Hickory für den Grillplatz.
Der Auslieferungszustand entspricht einer Großserienproduktion: Griffschalen von unterschiedlicher Färbung und teils kantig und nur grob bearbeitet, die Schneide ebenso! Aber für 29,50,- Euro ganz ordentlich, wobei zu sagen ist, dass es in USA für unter 20 Dollar feilgeboten wird, also der Verarbeitung angemessener als in Europa. Messer dieser Bauart waren bei amerikanischen Ureinwohnern, Siedlern,Trappern und Männern aus den Bergen aus verständlichen Gründen beliebt, weil in jedem Laden zu bekommen, einfachste Pflege, nicht zu groß und nicht zu schwer, schlichte Bauform, einfach gut tauglich, weil viel Klinge auf diese Messergröße!
Der Auslieferungsschliff ist weitgehend gleichmässig, die Schneidespitze ist durch das grobe Korn eine Säge, beim ersten Schnitt durch eine Zeitung rupft es da und dort. Die Schärfe ist dementsprechend mittelprächtig, aber nicht wirklich schlecht, einmal tüchtig schärfen empfiehlt sich, dann spielt die schnittige Klinge ihre Stärken aus. Der Stahl lässt sich übrigens hervorragend wetzen und nimmt gierig den Wetzstahl an.
Der Stahl ist bekannt genügsam und leicht zu schärfen, reagiert wie gesagt unmittelbar auf wetzen, auf Leder mit Paste oder einfachen Schleifsteinen mit einer bissiger Schärfe. Ich hab das Green River die letzten Tage als Brotzeit/Jausenmesser und ab und an in der Küche verwendet. Die Reaktivität eines 1095er ist gewaltig. Eigentlich klar, warum z.B. Top's oder Esee ihre Klingen meistens beschichten, die würden sonst von Feuchtigkeit geschwärzt anrosten. Das Schälen einer großen Birne hat gereicht, dass die blanke Frucht graue Schlieren vom reagierenden Stahl gezeigt hat. Ich musste dazwischen immer wieder die Klinge in einem feuchten Tuch abwischen, sonst wären Zwiebel oder geschältes Obst grau/braun geworden. Als Outdoorkochmesser durchaus tauglich, aber in der heimischen Küche zu erst-reaktiv und geometrisch nicht meinen Küchenmessergepflogenheiten als Dünnschlifffreak gewachsen, was meine Freude aber nicht schmälert, weil ich Design und Machart als schwer authentisch wahrnehme und es für die Jause draussen, beim Wandern und im Wald so richtig gut passt. Wenn sich die Patina stabilisiert hat, wird die Reaktivität immer mehr abnehmen, bis dahin stinkt's halt ein wenig nach Metall beim Orangenschälen....
Selbst das saubere Schärfen mir einem geführten System lohnt und quittiert die Schneide mir einer ausgereizten Schärfe und guten Stabilität.
Wer handwerkliches Geschick mitbringt, kann sich auch an den erhältlichen Klingen versuchen - ein paar der historischen Modelle von Russell sind auch als Bausatz oder als einzelne Klingen erhältlich. Bei den fertigen Messern kann man den Griff etwas verschleifen und die Kanten brechen, dann etwas Ölen, vielleicht noch den Klingenrücken mit Sandpapier etwas glätten, wenn man keinen Feuerstahl anreißen möchte, dann hat man ein tolles Arbeitsmesser zur Verfügung. Wer sich noch auf einfache Lederarbeiten versteht, kann sich eine einfache Scheide basteln oder einen Profi bitten.
Da ich meine Beiträge vorbereite und immer wenn ich Zeitlücken habe bearbeite und ergänze/erweitere, so auch diesen und er sozusagen ein „Writing in Progress“ ist, fließen immer mehr Neuigkeiten rund um dieses Review ein….und deshalb mal ein kurzes Kaffeepäuschen....
Das Problem mit der nicht vorhandene Scheide……habe ich wie folgt gelöst:
Nachdem ich anderorts eine optisch perfekt zum Messer passende Quick & Dirty-Scheide in Mountainmen-Look gesichtet habe, hat sich nach Kontaktaufnahme der Macher bereiterklärt mit auch so eine einfache, aber wirkungsvolle Schneide anzufertigen. Der im positivsten Sinne räudige Used-look hat es mir sofort angetan und passt wie ich finden nahezu perfekt für dieses kleine Bowie. Sollte er hier auch mitlesen, nochmal meinen verbindlichsten Dank für diese flotte Lederarbeit.
Dem nicht genug, habe ich mir gleich ein weiteres Green River geordert, dieses wird noch etwas dünner geschliffen, damit es noch einen Tacken besser Grill-und outdoorküchentauglicher wird. Ein brechen aller Kanten und das Ätzen der Klinge gegen die harsche Reaktivität werden das Tuning abrunden.
Um der Verrücktheit Willen restlos genüge zu tun, habe ich Nestor noch gebeten, mir dafür eine luxuriöse Kydex zu backen. Natürlich mit feinstem Leder gefüttert um den fehlenden Haltepunkt auszugleichen, aus braunem Kydex in Lederoptik mit Walklederschlaufe.
Zeitgleich läuft noch ein 7inch Butcherklingen-Projekt aus Sheffieldstahl, aber das ist eine andere Geschichte.
Diese einfachen Klassiker sind auch aus der Bushcrafter-Szene nicht mehr wegzudenken, obwohl es eigentlich keine „echten“ Bushcraft-Messer im übertragenen Sinne sind, erfreuen sich aber dennoch ungebrochener Beliebtheit.
Letztendlich habe ich einfach und günstig begonnen, dann hat sich aber wie so oft eine Eigendynamik entwickelt und letztlich ist es eine weit größere und kostspieligere Sache geworden als gedacht. Muss aber nicht sein. Ich bin einfach dem Charme vergangener Zeiten erlegen und finde wieder richtig Spaß an einfach gemachten Messern mit viel nutzbarer Klinge bei dennoch moderater Gesamtlänge.
Wem ein Mora zu viel Plastik und ein Skrama zu viel Gummi hat und zu wenig authentisch ist, der findet vielleicht in diesem Messer das passende Pendant als Gebrauchsmesser.
Gruß, güNef
Russel Green River, oder der Trost von einfachen Messern…..
ist der wahre Trost, den jeder Messerfreak eines Tages braucht, vor allem dann, wenn er modernen Stählen, frischen Ideen und einem gutem Design nachjagt.. Das Handwerk und die Verarbeitung bester und edelster Materialien wird unter solchen Voraussetzungen fast zur Pflicht, geometrische Kniffe und spezielle technische Lösungen zur Kür….
Dann sieht und liest man eines Tages einen Beitrag über ein Messer aus fernen Tagen, aus der Pionierzeit, ein Messer, dass europäische Siedler und amerikanische Trapper in dieser Urform benutzt haben. Für die Pfadfinder unter euch sind die Messer sicher alte bekannte, weil altgedient und gut feldküchentauglich, ich kannte sie nicht, deshalb ist meine Begeisterung noch frisch und unverbraucht.
Die US-Firma Dexter Russel, bestehend seit 1818, bzw. deren Vorgänger bauten/bauen diese klassischen Arbeitsmesser bis heute. Es war einer der Ersten von Einwanderern gegründete Schneidwarenhersteller auf US-Boden, dessen Facharbeiter aus der ursprünglichen Heimat England abgeworben wurden. Dexter Russell produziert noch heute mit gut 200 Mitarbeitern an die zweieinhalbtausend verschiedene Produkte, vorrangig für Tierverarbeitung und Fischindustrie. Um bei den US-Maßeinheiten zu bleiben: 5 Zoll Klinge, ca. 4 Zoll Griff, Stahl 1095er, mit nachgemessenen 57 HRC, 2,5 mm am Rücken, der Griff geriffeltes Rosewood, massive Messingnieten.... alles weitgehend schmucklos aber solide gemacht. Das Messer wird leider ohne Scheide ausgeliefert, da muss man halt eine Lösung finden, wenn man es auch ausserhalb von Haus und Garten nutzen möchte. Meines kam als Gemeinschaftsbestellung von der Hudson Bay Company in DE, weil das Porto nach AT mal wieder den Preis zerschossen hätte. Die Seite besuchen lohnt, da gibt es einiges an klassischen Butcher-Knives ähnlich den klassischen Ontario Old Hickory für den Grillplatz.
Der Auslieferungszustand entspricht einer Großserienproduktion: Griffschalen von unterschiedlicher Färbung und teils kantig und nur grob bearbeitet, die Schneide ebenso! Aber für 29,50,- Euro ganz ordentlich, wobei zu sagen ist, dass es in USA für unter 20 Dollar feilgeboten wird, also der Verarbeitung angemessener als in Europa. Messer dieser Bauart waren bei amerikanischen Ureinwohnern, Siedlern,Trappern und Männern aus den Bergen aus verständlichen Gründen beliebt, weil in jedem Laden zu bekommen, einfachste Pflege, nicht zu groß und nicht zu schwer, schlichte Bauform, einfach gut tauglich, weil viel Klinge auf diese Messergröße!
Der Auslieferungsschliff ist weitgehend gleichmässig, die Schneidespitze ist durch das grobe Korn eine Säge, beim ersten Schnitt durch eine Zeitung rupft es da und dort. Die Schärfe ist dementsprechend mittelprächtig, aber nicht wirklich schlecht, einmal tüchtig schärfen empfiehlt sich, dann spielt die schnittige Klinge ihre Stärken aus. Der Stahl lässt sich übrigens hervorragend wetzen und nimmt gierig den Wetzstahl an.
Der Stahl ist bekannt genügsam und leicht zu schärfen, reagiert wie gesagt unmittelbar auf wetzen, auf Leder mit Paste oder einfachen Schleifsteinen mit einer bissiger Schärfe. Ich hab das Green River die letzten Tage als Brotzeit/Jausenmesser und ab und an in der Küche verwendet. Die Reaktivität eines 1095er ist gewaltig. Eigentlich klar, warum z.B. Top's oder Esee ihre Klingen meistens beschichten, die würden sonst von Feuchtigkeit geschwärzt anrosten. Das Schälen einer großen Birne hat gereicht, dass die blanke Frucht graue Schlieren vom reagierenden Stahl gezeigt hat. Ich musste dazwischen immer wieder die Klinge in einem feuchten Tuch abwischen, sonst wären Zwiebel oder geschältes Obst grau/braun geworden. Als Outdoorkochmesser durchaus tauglich, aber in der heimischen Küche zu erst-reaktiv und geometrisch nicht meinen Küchenmessergepflogenheiten als Dünnschlifffreak gewachsen, was meine Freude aber nicht schmälert, weil ich Design und Machart als schwer authentisch wahrnehme und es für die Jause draussen, beim Wandern und im Wald so richtig gut passt. Wenn sich die Patina stabilisiert hat, wird die Reaktivität immer mehr abnehmen, bis dahin stinkt's halt ein wenig nach Metall beim Orangenschälen....
Selbst das saubere Schärfen mir einem geführten System lohnt und quittiert die Schneide mir einer ausgereizten Schärfe und guten Stabilität.
Wer handwerkliches Geschick mitbringt, kann sich auch an den erhältlichen Klingen versuchen - ein paar der historischen Modelle von Russell sind auch als Bausatz oder als einzelne Klingen erhältlich. Bei den fertigen Messern kann man den Griff etwas verschleifen und die Kanten brechen, dann etwas Ölen, vielleicht noch den Klingenrücken mit Sandpapier etwas glätten, wenn man keinen Feuerstahl anreißen möchte, dann hat man ein tolles Arbeitsmesser zur Verfügung. Wer sich noch auf einfache Lederarbeiten versteht, kann sich eine einfache Scheide basteln oder einen Profi bitten.
Da ich meine Beiträge vorbereite und immer wenn ich Zeitlücken habe bearbeite und ergänze/erweitere, so auch diesen und er sozusagen ein „Writing in Progress“ ist, fließen immer mehr Neuigkeiten rund um dieses Review ein….und deshalb mal ein kurzes Kaffeepäuschen....
Das Problem mit der nicht vorhandene Scheide……habe ich wie folgt gelöst:
Nachdem ich anderorts eine optisch perfekt zum Messer passende Quick & Dirty-Scheide in Mountainmen-Look gesichtet habe, hat sich nach Kontaktaufnahme der Macher bereiterklärt mit auch so eine einfache, aber wirkungsvolle Schneide anzufertigen. Der im positivsten Sinne räudige Used-look hat es mir sofort angetan und passt wie ich finden nahezu perfekt für dieses kleine Bowie. Sollte er hier auch mitlesen, nochmal meinen verbindlichsten Dank für diese flotte Lederarbeit.
Dem nicht genug, habe ich mir gleich ein weiteres Green River geordert, dieses wird noch etwas dünner geschliffen, damit es noch einen Tacken besser Grill-und outdoorküchentauglicher wird. Ein brechen aller Kanten und das Ätzen der Klinge gegen die harsche Reaktivität werden das Tuning abrunden.
Um der Verrücktheit Willen restlos genüge zu tun, habe ich Nestor noch gebeten, mir dafür eine luxuriöse Kydex zu backen. Natürlich mit feinstem Leder gefüttert um den fehlenden Haltepunkt auszugleichen, aus braunem Kydex in Lederoptik mit Walklederschlaufe.
Zeitgleich läuft noch ein 7inch Butcherklingen-Projekt aus Sheffieldstahl, aber das ist eine andere Geschichte.
Diese einfachen Klassiker sind auch aus der Bushcrafter-Szene nicht mehr wegzudenken, obwohl es eigentlich keine „echten“ Bushcraft-Messer im übertragenen Sinne sind, erfreuen sich aber dennoch ungebrochener Beliebtheit.
Letztendlich habe ich einfach und günstig begonnen, dann hat sich aber wie so oft eine Eigendynamik entwickelt und letztlich ist es eine weit größere und kostspieligere Sache geworden als gedacht. Muss aber nicht sein. Ich bin einfach dem Charme vergangener Zeiten erlegen und finde wieder richtig Spaß an einfach gemachten Messern mit viel nutzbarer Klinge bei dennoch moderater Gesamtlänge.
Wem ein Mora zu viel Plastik und ein Skrama zu viel Gummi hat und zu wenig authentisch ist, der findet vielleicht in diesem Messer das passende Pendant als Gebrauchsmesser.
Gruß, güNef