Flügelfeder
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Moin,
ich hoffe, Euch im Folgenden mal ein nicht ganz alltägliches Messer präsentieren zu können.
Für mich haben französische Messer einen ganz besonderen Charme, weil es eine so unüberschaubare Vielfalt an klassischen Klingen gibt - die 'couteaux regionaux' - und zum Glück noch einige Hersteller, die einerseits klassisch in Handarbeit produzieren, andererseits aber auch den Mut zu modernen Neuinterpretationen oder gar Neuentwicklungen haben. Ein sehr guter Nährboden für innovatives Handwerk. Da ich außerdem ein ausgeprägte Begeisterung für Japan habe, war ich Feuer und Flamme als ich vom 'Le Roques' des französischen Messerladens Savignac gehört habe. Französisches handgemachtes Messer mit Santoku-Klinge. Der Laden ist in Familienbesitz der Montariols und der Juniorchef Olivier Montariol zeichnet verantwortlich für das Design des Le Roques. Produziert wird in der hauseigenen Werkstatt.
Daten
Länge geschlossen: 10 cm
Länge geöffnet: 17,5 cm
Länge Klinge: 8,5 cm
davon Schneider: 6,5 cm (sic!)
Gewicht: 36 gr
Griff und Klinge
Vorteil der hauseigenen Herstellung ist ein umfangreiches Baukastensystem für Griff- und Klingenmaterialien: diverse Hölzer oder Horn für den Griff und rostfreie Klinge aus 12C27, Carbonstahlklinge aus XC75, pulvermetallurgisch RWL34 oder Damast.
Ich habe mich für Eschenholz und rostfreie Klinge entschieden: einfaches Messer, einfachste Materialien.
Eine Besonderheit ist sicherlich, dass man bedingt durch Bauform und Klingenform sehr viel Messer in der Hand hat, dabei aber verhältnismäßig wenig Schneide.
Verarbeitung
Die Bauweise ist ein simpler friction folder mit Klingenachse und zweitem pin als Anschlag bei geöffneter Klinge. Zusammengeklappt liegt die Schneide partiell im Klingenschacht auf. Der zweite pin stoppt also nur die geöffnete Klinge, nicht die geschlossene Ist bei Stahlklinge auf Holz/Horn aber auch kein wirkliches Problem.
Abgesehen von diesem konstruktionsbedingten Problemchen ist die Verarbeitung tippitoppi (was bei so schlichter Bauweise allerdings auch nicht verwundert): Klinge liegt geschlossen perfekt mittig im Klingenschacht, ist geöffnet pefekt gerade, ohne Spiel und schließt bündig mit dem Messerrücken ab. Zudem gehen die Rundungen von Klingenrücken und Messerrücken wunderschön ineinander über. Das Ende des Messergriffs schließt bündig mit der geschlossenen Klingenspitze ab. Der Widerstand beim Öffnen und Schließen ist super: nicht zu fest, nicht zu locker.
Was mir sehr gefällt - und bei so einfachen Messern eher unüblich ist -, sind die Details:
Erstens: Kein Nagelhau! Nicht nur in puncto Design finde ich das sehr gelungen, sondern insbesondere auch vor dem Hintergrund der Santoku-Klingenform, denn bei allen Klingen, die etwas mit Lebensmitteln zu tun haben ist ein Nagelhau irgendwie immer blöd, weil da gefühlt mehr drin hängen bleibt, als schlussendlich auf dem Brot landet
Zweitens: Das auffällige Dreieck an der Klingenbasis beim Übergang zum Griff ist einerseits optisches Design-Element (was sicher polarisiert), daneben aber auch praktische Mulde für den Zeigefinger. Als friction folder hat man verhältnismäßig wenig Kontrolle bei der Schnittführung. Beim Higonokami wird das etwas durch den Klingenüberhang am Rücken verbessert, weil dadurch die Gefahr des unbeabsichtigten Zuklappens wenigstens etwas besser handlebar wird. Ähnliches schafft beim Le Roques der Zeigefinger an der Klingenbasis vor dem Griff: Die Klinge lässt sich so präziser führen und klappt nicht unbeabsichtigt zu, weil der Finger dies verhindert. Vorteil gegenüber der Higonokami-Konstruktion: Dadurch, dass mit dem Zeigefinger gesichert wird, kann man eine natürlichere Handhaltung einnehmen und muss den Daumen nicht an so unbequemer Position fixieren.
Nachteil gegenüber der Higonokami-Konstruktion: Grundsätzlich ist der Zeigefinger weniger abgesichert, da die Schneide leicht gewölbt ist, könnte man bei zu großer Kraft mit dem Zeigefinger auf die Schneide abrutschen. Andererseits ist ein friction folder ohnehin nicht für größere Kräfte ausgelegt.
Preis
Die Kosten für das Le Roques variieren je nach gewählte Ausstattung sehr stark: rostfreie Klinge und Holz ist ab 48 € zu haben, helles Horn mit Damast kostet demgegenüber satte 302,- €. Ob pulvermetallurgischer Stahl bei einem recht einfachen friction folder sinnvoll ist, sei dahingestellt. Den Einstiegspreis für rostfreien- oder Kohlenstoffstahl und Holzgriff finde ich hingegen fair.
Was es ist und was es nicht ist - was es kann und was es nicht kann
Also wofür taugt das Messer nun eigentlich???
Ist es ein ernstzunehmendes Kochmesser? Mit 6,5 cm kurzer Schneide und als friction folder wohl kaum?
Ist es ein ernstzunehmender gentlemen's folder? Wohl kaum: Zwar wiegt es kaum etwas, aber für Anzughose oder Sakkotasche ist es einfach viel zu voluminös. Es fühlt sich eher in einer lockeren Jeans wohl
Ist es also nur hübsch anzusehen und für die Vitrine? Ganz gewiss nicht! Ich mag es bspw. für spontane Grillabende bei Freunden, wenn unklar ist, ob scharfe Messer für den Lammrücken da sind und man noch eins abbekommt. Für den Urlaub als Küchenhelfer. Für Ausflüge, bei denen man sich zwischendurch sein Brötchen bauen möchte und allerlei solcher Situationen. Durch die Klingenform eignet es sich auch sehr gut für Wiegeschnitte also das Kräuterschneiden in der Urlaubsküche. Aaaaber die Bauform des friction folders macht es hier etwas tricky: Man kann beim Wiegeschnitt nicht einfach den Griff runterdrücken - ohne Rückenfeder klappt er so schlicht zu Es braucht etwas Fingerspitzengefühl, um auch bei Wiegeschnitten 'Zug' zu halten, damit die Klinge auch bei Abwärtsbewegungen des Messergriffs folgt. Klappt dann aber sehr gut (Siehe Beweisfoto Schnittlauch).
Es ist also kein heavy duty folder und taugt nur für ziehende Schnitte, aber das kann er ausgezeichnet! Ich benutze das Savignac Le Roqueseigentlich recht häufig und vor allem sehr gerne. Für mich war es eine gute Anschaffung
Grüße in die Runde,
Armin
ich hoffe, Euch im Folgenden mal ein nicht ganz alltägliches Messer präsentieren zu können.
Für mich haben französische Messer einen ganz besonderen Charme, weil es eine so unüberschaubare Vielfalt an klassischen Klingen gibt - die 'couteaux regionaux' - und zum Glück noch einige Hersteller, die einerseits klassisch in Handarbeit produzieren, andererseits aber auch den Mut zu modernen Neuinterpretationen oder gar Neuentwicklungen haben. Ein sehr guter Nährboden für innovatives Handwerk. Da ich außerdem ein ausgeprägte Begeisterung für Japan habe, war ich Feuer und Flamme als ich vom 'Le Roques' des französischen Messerladens Savignac gehört habe. Französisches handgemachtes Messer mit Santoku-Klinge. Der Laden ist in Familienbesitz der Montariols und der Juniorchef Olivier Montariol zeichnet verantwortlich für das Design des Le Roques. Produziert wird in der hauseigenen Werkstatt.
Daten
Länge geschlossen: 10 cm
Länge geöffnet: 17,5 cm
Länge Klinge: 8,5 cm
davon Schneider: 6,5 cm (sic!)
Gewicht: 36 gr
Griff und Klinge
Vorteil der hauseigenen Herstellung ist ein umfangreiches Baukastensystem für Griff- und Klingenmaterialien: diverse Hölzer oder Horn für den Griff und rostfreie Klinge aus 12C27, Carbonstahlklinge aus XC75, pulvermetallurgisch RWL34 oder Damast.
Ich habe mich für Eschenholz und rostfreie Klinge entschieden: einfaches Messer, einfachste Materialien.
Eine Besonderheit ist sicherlich, dass man bedingt durch Bauform und Klingenform sehr viel Messer in der Hand hat, dabei aber verhältnismäßig wenig Schneide.
Verarbeitung
Die Bauweise ist ein simpler friction folder mit Klingenachse und zweitem pin als Anschlag bei geöffneter Klinge. Zusammengeklappt liegt die Schneide partiell im Klingenschacht auf. Der zweite pin stoppt also nur die geöffnete Klinge, nicht die geschlossene Ist bei Stahlklinge auf Holz/Horn aber auch kein wirkliches Problem.
Abgesehen von diesem konstruktionsbedingten Problemchen ist die Verarbeitung tippitoppi (was bei so schlichter Bauweise allerdings auch nicht verwundert): Klinge liegt geschlossen perfekt mittig im Klingenschacht, ist geöffnet pefekt gerade, ohne Spiel und schließt bündig mit dem Messerrücken ab. Zudem gehen die Rundungen von Klingenrücken und Messerrücken wunderschön ineinander über. Das Ende des Messergriffs schließt bündig mit der geschlossenen Klingenspitze ab. Der Widerstand beim Öffnen und Schließen ist super: nicht zu fest, nicht zu locker.
Was mir sehr gefällt - und bei so einfachen Messern eher unüblich ist -, sind die Details:
Erstens: Kein Nagelhau! Nicht nur in puncto Design finde ich das sehr gelungen, sondern insbesondere auch vor dem Hintergrund der Santoku-Klingenform, denn bei allen Klingen, die etwas mit Lebensmitteln zu tun haben ist ein Nagelhau irgendwie immer blöd, weil da gefühlt mehr drin hängen bleibt, als schlussendlich auf dem Brot landet
Zweitens: Das auffällige Dreieck an der Klingenbasis beim Übergang zum Griff ist einerseits optisches Design-Element (was sicher polarisiert), daneben aber auch praktische Mulde für den Zeigefinger. Als friction folder hat man verhältnismäßig wenig Kontrolle bei der Schnittführung. Beim Higonokami wird das etwas durch den Klingenüberhang am Rücken verbessert, weil dadurch die Gefahr des unbeabsichtigten Zuklappens wenigstens etwas besser handlebar wird. Ähnliches schafft beim Le Roques der Zeigefinger an der Klingenbasis vor dem Griff: Die Klinge lässt sich so präziser führen und klappt nicht unbeabsichtigt zu, weil der Finger dies verhindert. Vorteil gegenüber der Higonokami-Konstruktion: Dadurch, dass mit dem Zeigefinger gesichert wird, kann man eine natürlichere Handhaltung einnehmen und muss den Daumen nicht an so unbequemer Position fixieren.
Nachteil gegenüber der Higonokami-Konstruktion: Grundsätzlich ist der Zeigefinger weniger abgesichert, da die Schneide leicht gewölbt ist, könnte man bei zu großer Kraft mit dem Zeigefinger auf die Schneide abrutschen. Andererseits ist ein friction folder ohnehin nicht für größere Kräfte ausgelegt.
Preis
Die Kosten für das Le Roques variieren je nach gewählte Ausstattung sehr stark: rostfreie Klinge und Holz ist ab 48 € zu haben, helles Horn mit Damast kostet demgegenüber satte 302,- €. Ob pulvermetallurgischer Stahl bei einem recht einfachen friction folder sinnvoll ist, sei dahingestellt. Den Einstiegspreis für rostfreien- oder Kohlenstoffstahl und Holzgriff finde ich hingegen fair.
Was es ist und was es nicht ist - was es kann und was es nicht kann
Also wofür taugt das Messer nun eigentlich???
Ist es ein ernstzunehmendes Kochmesser? Mit 6,5 cm kurzer Schneide und als friction folder wohl kaum?
Ist es ein ernstzunehmender gentlemen's folder? Wohl kaum: Zwar wiegt es kaum etwas, aber für Anzughose oder Sakkotasche ist es einfach viel zu voluminös. Es fühlt sich eher in einer lockeren Jeans wohl
Ist es also nur hübsch anzusehen und für die Vitrine? Ganz gewiss nicht! Ich mag es bspw. für spontane Grillabende bei Freunden, wenn unklar ist, ob scharfe Messer für den Lammrücken da sind und man noch eins abbekommt. Für den Urlaub als Küchenhelfer. Für Ausflüge, bei denen man sich zwischendurch sein Brötchen bauen möchte und allerlei solcher Situationen. Durch die Klingenform eignet es sich auch sehr gut für Wiegeschnitte also das Kräuterschneiden in der Urlaubsküche. Aaaaber die Bauform des friction folders macht es hier etwas tricky: Man kann beim Wiegeschnitt nicht einfach den Griff runterdrücken - ohne Rückenfeder klappt er so schlicht zu Es braucht etwas Fingerspitzengefühl, um auch bei Wiegeschnitten 'Zug' zu halten, damit die Klinge auch bei Abwärtsbewegungen des Messergriffs folgt. Klappt dann aber sehr gut (Siehe Beweisfoto Schnittlauch).
Es ist also kein heavy duty folder und taugt nur für ziehende Schnitte, aber das kann er ausgezeichnet! Ich benutze das Savignac Le Roqueseigentlich recht häufig und vor allem sehr gerne. Für mich war es eine gute Anschaffung
Grüße in die Runde,
Armin
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