Schleifen und Wärmeentwicklung - Berechnung bzw. Abschätzung und angemessene Kühlung

Oromis

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Hallo,

prinzipiell ist das Thema ja schon einige Male angesprochen worden. Soweit ich weiß, allerdings nie von diesem Standpunkt. Falls doch, ich suche hier ausdrücklich auch nach Literatur, gerne auch Fachliteratur.

Worum geht es?
Während die meisten sich hier einig sind, dass nach dem Härten jegliche maschinelle Schleifarbeiten tabu sind (hierzu auch der Beitrag von herbert), sieht man auf Youtube bei beinahe jedem Schmiede-Video, dass auch nach dem Härten funkenstiebend geschliffen wird und nur in unregelmäßigen Abständen das Messer mal kurz ins Wasser getaucht wird. Viele dieser Schmiede schaffen aber Werkstücke wie ich sie nie hinbekommen würde, deswegen maße ich mir nicht an, über sie zu urteilen.
Auf der anderen Seite gibt es dann Schleifmaschinen wie eine Tormek, die mit Flüssigkühlung arbeiten. Ich habe noch nie gelesen oder gehört, dass jemand den Verdacht geäußert hätte, auch dort könnten zu hohe Temperaturen an der Schneidkante entstehen.
Sowohl Tormek als auch Jet arbeiten (bei einem Steindurchmesser von 250mm) mit einer Drehzahl von 90 rpm. Das entspricht (sehr großzügig aufgerundet) 72m/min bzw. 1,2m/s Band bzw. Steingeschwindigkeit. Würde jemand die Jet mit einem neuen 250er Stein bei 150rpm betreiben, ergäbe das eine Geschwindigkeit von 120m/min bzw. 2m/s.
Als Vergleichswerte:
- Ein Bosch Handbandschleifer (PBS 75AE) läuft mit 200-350m/min (3,33-5,83m/s)
- Ein Messermacher-Bandschleifer läuft je nach Antriebsrad und Frequenzumrichter oder Keilriemen mit etwa 10-40m/s (600-2400m/min)

Da ich selbst einen Bosch PBS 75AE besitze weiß ich, dass eine Klinge mit den gut 5m/s schon richtig heiß werden kann - von den 10-40m/s gar nicht erst zu reden. Messer nach der Wärmebehandlung schleifen oder gar schärfen traue ich mich da zumindest mal nicht. Zumindest nicht ungekühlt. Und genau das ist der Punkt:

Ab wann gelangen wir in den für uns kritischen Bereich und mit wie viel Kühlung kann er unkritisch gemacht werden?
Da (wie in herberts Abhandlung ausgeführt) nicht nur die Temperatur sondern auch die Zeit eine wichtige Rolle spielen, würde ich sagen, dass 100-150°C an der Schneidenkante wahrscheinlich ok sein sollten - das ist meist unter der Anlasstemperatur und wenn ich 5 Minuten ohne Pause geschliffen habe bin ich entweder fertig oder muss das Schleifbild kontrollieren und kann das Messer dabei ordentlich kühlen - wobei bei einem gekühlten Schliff bei dem die Schneidenkante nur100-150°C warm wird ein kurzes Abheben vom Schleifband schon reichen sollte, um die Temperatur von der Kante abzuführen.

Mein konkreter Fall ist der, dass ich mir eine Kühlung für den Bandschleifer und eine gekühlte Schleifstation bauen möchte.
Dafür müsste ich jetzt wissen, wie schnell der Bandschleifer laufen darf, ohne dass ich bei einer Wasserkühlung (Durchfluss sagen wir 6l/min [zum Vergleich: DIN sagt Armaturen in der Küche bzw. Waschraum sollten in der Größenordnung von 8.4 l/min auf max. leisten. Also ein nicht ganz voll aufgedrehter Wasserhahn]) über eine Temperatur von 100-150°C an der Schneidenkante komme. Dabei kommt zum Tragen, dass nicht nur die Schneidenkante, sondern die gesamte Seite der Klinge (hochgezogener Flachschliff) Kontakt hat und somit der Reibung ausgesetzt wird. Der Anpressdruck spielt natürlich eine große Rolle, aber bevor ich mich darum kümmere, würden mich irgendwelche Werte zur Orientierung interessieren. Ich suche schon seit langem in der Literatur nach Berechnungsmöglichkeiten für die Wärmeentwicklung beim maschinellen Schleifen (abhängig von Drehzahl, Zustellung bzw. Druck und Körnung) habe allerdings bisher nichts finden können.

Für die Schleifstation sieht es anders aus. Hier wäre die einfache Frage, ob eine Tormek auch noch ohne Härteverlust schleifen könnte, wenn man die Drehzahl auf 150rpm oder 200rpm anhebt (oder anders herum: ab wann ist Schluss?).

Ich hoffe ihr könnt mir weiter helfen!
 
AW: Schleifen und Wärmeentwicklung - Berechnung bzw. Abschätzung und angemessene Kühl

Sowohl Tormek als auch Jet arbeiten (bei einem Steindurchmesser von 250mm) mit einer Drehzahl von 90 rpm. Das entspricht (sehr großzügig aufgerundet) 72m/min bzw. 1,2m/s Band bzw. Steingeschwindigkeit. Würde jemand die Jet mit einem neuen 250er Stein bei 150rpm betreiben, ergäbe das eine Geschwindigkeit von 120m/min bzw. 2m/s.
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Für die Schleifstation sieht es anders aus. Hier wäre die einfache Frage, ob eine Tormek auch noch ohne Härteverlust schleifen könnte, wenn man die Drehzahl auf 150rpm oder 200rpm anhebt (oder anders herum: ab wann ist Schluss?).
Die Kollegen von Tormek wissen schon, warum die Drehzahl ist wie sie ist. Schon so gibt es eine rechte Sauerei auf dem Arbeitstisch, je nach dem zu schärfenden Werkstück. Wenn Du die Drehzahl erhöhst, dann spritzt das Wasser an Wand und Decke. Fahr mal mit einem Fahrrad mit viel Tempo durch eine Wasserlache, nachdem Du die Schutzbleche abmontiert hast, dann spürst Du, was ich meine.

Wenn Du einen Stein mit mehr Tempo betreiben willst, musst Du den Durchmesser vergrössern, nicht die Drehzahl. Die Messermacher vor 100 Jahren nutzten wassergekühlte Sandsteine mit einem Durchmesser von 2 m und mehr. Da geht die Post ab, auch wenn das Rad recht gemächlich dreht.

Das dürfte auch das Problem sein bei Deinem Vorhaben, mit einem fast voll aufgedrehten Wasserhahn ein Band zu kühlen. Wird eine riesige Spritzerei und der grösste Teil des Wassers wird seine Kühlwirkung gar nie entfalten können. Ein feiner Sprühnebel dürfte da wesentlich effektiver sein.
 
AW: Schleifen und Wärmeentwicklung - Berechnung bzw. Abschätzung und angemessene Kühl

Es gab schon viele Beiträge.
Die Diplomarbeiten von der Zeit umfassten als in Solingen die Schleifer auf Trochenschliff wechselten oder wechseln wollten;
auch mit Temperaturfühlern in der Klinge.:staun:
Ergebnis war immer das die Schneide zu warm wird.
Also ist gekühlt schärfen ein muss und da hat man ja noch Probleme wie bei Rasiermessern, das man die erst einige Zeit benutzen müsste bis die Schneide gut steht. Ist nur die zu heiß gewordene Kante.

Eine Berechnung hat aber wohl noch Keiner versucht.
Der Klingenquerschnitt und die Umgebungstemperatur sind ja auch Einflussfaktoren;
das machte aber eine dauernde Neuberechnung notwendig.

Wenn Du das hinbekommst währ das toll.:super:
Es braucht aber viele Versuche, nur rechnen wird wohl nicht reichen.:rolleyes:
 
AW: Schleifen und Wärmeentwicklung - Berechnung bzw. Abschätzung und angemessene Kühl

Untersuchungen zu diesem Thema gibt es schon, die von Geonohl angeführte Untersuchung mit Messfühlern in der Klinge z.B.
Das wurde seinerzeit von Hans Stüdemann untersucht:

Stüdemann, H., Lange, H-V., Lauterjung, E.; Forschungsberichte des Landes NRW Nr. 2409, Westdeutscher Verlag 1974, Auswirkungen des Schleifens bei der Feinstbearbeitung von rostbeständigem Stahl (das war in dem Fall der X 48 CrMoV 15)

und

Stüdemann, H., Lauterjung, E., Grube, R.; Forschungsbericht Nr. 2923, ISBN 3-531-02923-1

das wird wohl jede Stadtbücherei besorgen können.
Sehr interessant, das Ganze.

Kann ich nur wärmstens (genau!) empfehlen.

In dem Zusammenhang möchte ich auch noch Stüdemanns Doktorarbeit erwähnen, die er 1987 vorgelegt hat, da war der Mann sage und schreibe 77 Jahre alt.

also, Aachen, 1987, Hans Stüdemann, Untersuchung verschiedener rostbeständiger Messerstähle sowie Unterschiede in wesentlichen Gebrauchseigenschaften bei Stählen der gleichen Stoffnummer.
 
AW: Schleifen und Wärmeentwicklung - Berechnung bzw. Abschätzung und angemessene Kühl

@daenou, Ich glaube eigentlich nicht, dass 90rpm hier schon das Maximum darstellen. Das werde ich aber bei Gelegenheit noch ausprobieren.
Natürlich wäre ein größerer Stein eine einfache Lösung, allerdings möchte ich eine Maschine, die ich auch mitnehmen kann und nicht eine, bei der ich für das Aufbauen allein schon einen Kran brauche. Von der finanziellen Frage mal ganz abgesehen.
Außerdem wäre etwas herumspritzendes Wasser das kleinste Übel, solange noch ausreichend übrig bleibt, um den Schliff zu kühlen.

Bezüglich des Bandschleifers, ich möchte ja auch nicht das Band sondern das Messer kühlen. Der Wasserstrahl wird in meinem Vorhaben direkt auf die Klinge gerichtet und nicht auf das Band. Was mit dem Wasser geschieht, nachdem es das Messer getroffen hat, ist mir relativ egal. Wegen der hohen Geschwindigkeit werde ich auf jeden Fall einen Spritzschutz und ein Auffangbecken bauen, aus dem das Wasser dann wieder hochgepumpt werden kann.

@satanos, VSM Keramik Bänder. Ja, viele (auch Amerikaner) machen das. Es gibt aber auch viele, die Messer am Bandschleifer oder Doppelschleifer schärfen, deswegen denke ich aber trotzdem nicht, dass es dem Messer sonderlich gut tut.

@Geonohl, natürlich müsste man dauernd alles neu berechnen um auf einen wirklich genauen Wert zu kommen. Der ist für mich allerdings nicht so wichtig. Deswegen würde ich bei der Berechnung auch auf vieles (wie bspw. die von Dir angeführten Wechsel in der Umgebungstemperatur und die Verringerung des Klingenquerschnittes) nicht oder stark vereinfacht betrachten. Ob es in der Werkstatt jetzt 5°C wärmer oder kälter ist würde dem Stahl am Ende wahrscheinlich nicht so viel ausmachen. Was den Querschnitt angeht, hier würde ich einfach mit einem keilförmigen Querschnitt rechnen, der bereits auf 0 ausgeschliffen ist. Wenn ich die Kühlung darauf auslege weiß ich auch, dass sie bei einem größeren Querschnitt auf jeden Fall ausreichend ist.

@herbert, danke für die Literaturhinweise. Ich werde gleich mal sehen, ob ich die hier bekommen kann.
 
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