Schwerpunkt, Drehpunkt, Schwingungsknoten usw.

Sven

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Ich versuche mich gerade ein bisschen über die Größen schlau zu machen die aus einem Schwert ein gutes Schwert machen.

Generell findet man einiges an Info über die einzelnen Größen und wie man sie bestimmen kann, aber weniger darüber wie sie sich gegenseitig beeinflussen und wie man sie verändern kann.

Die einzelnen Größen:

1. Schwerpunkt / "Center of Balance (CoB)"
Der Masseschwerpunkt des Schwertes. Der Schwerpunkt bestimmt wie Kopflastig eine Klinge ist. Bei Hiebschwertern liegt dieser Punkt natürlich weiter vorne als bei einem Fechtschwert.
Ist er allerdings zu Gunsten der Führigkeit zu dicht am Gehilze kriegt man keine Kraft ins Ziel.
Test: Punkt, an dem man die Klinge flach auf einem Finger balancieren kann.

2. vorderer Schwingungsknoten / "Center of Percussion (CoP)" / "Sweet spot"
Abschnitt der Klinge welcher beim Auftreffen auf ein Ziel am wenigsten Vibrationen in den Griff überträgt. Idealerweise im vorderen Drittel der Klinge.
Test: Schwert mit der Klinge nach oben in der rechten Hand halten und mit der Linken den Knauf anschlagen.
Nun sollte in der Klinge ein schwingungsfreier Bereich sichtbar werden.

3. hinterer Schwingungsknoten / "Harmonic Node"
Korrespondierender Schwingungsknoten zum CoP.
Dieser schwingungsfreie Knoten sollte bei Hiebschwertern dicht am Guard und bei "anderen" (deutsches Wort für Cutting Sword?) idealer Weise zwischen Zeige- und Ringfinger der schwertführenden Hand liegen.
Test: Schwert am Griff mit der Klinge nach unten hängend zwischen Daumen und Zeigefinger halten und den Knauf anschlagen.
Fühlt man Vibrationen in den Fingerspitzen so bewegt man sie ein bisschen rauf oder runter bis man den schwingungsfreien Punkt hat.

4. vorderer Drehpunkt / "Pivot Point"
Bestimmt wie lang der "Hebel" des vorderen Klingenteils (Drehpunkt->Spitze) ist und wieviel Rotationskraft er bei einem Schlag auf die Spitze zurück in die Hand überträgt. Außerdem ist er wichtig für das schnelle Ausrichten der Spitze bei einer räumlichen Winkeländerung.
Bei einem Hiebschwert sollte er möglichst dicht an der Spitze liegen.
Bei einem Cutting-Sword möglichst dicht am vorderen Schwingungsknoten. George Turner von der Arma behauptet allerdings,
dass bei authentischen Schwertern dieser Punkt ~3,8cm (1 1/2") hinter der Spitze liegen würde.
Test: Schwert mit Daumen und Zeigerfinger am Griff, dicht am Guard fassen. Klinge senkrecht nach oben. Die Hand locker nach links und rechts schwenken als wenn man einen Bleistift balanciert. Der Punkt der jetzt still steht ist der vordere Drehpunkt.

4. hinterer Drehpunkt / "Pivot Point"
Ähnlicher Punkt wie der vordere Drehpunkt. Was man an ihm ablesen kann ist mir noch nicht ganz klar.
Test: Schwert mit Daumen und Zeigerfinger am Griff, unten am Knauf fassen. Klinge senkrecht nach oben. Die Hand locker nach links und rechts schwenken als wenn man einen Bleistift balanciert. Der ruhende Punkt ist der hintere Drehpunkt.

Habe ich noch was vergessen?
Ach ja, Quellen...
Arma: Sword Motions and Impacts
Peter Johnsson in myarmoury.com
Schwertdefinition auf deutsch

Nun zu meinem eigentlichen Anliegen.
Wie kann ich die Größen beeinflussen oder berechnen und welche wirken zusammen.

Der Schwerpunkt ist klar, das Gewicht von Gehilze und Knauf verlagert den Schwerpunkt in Richtung Griff. Doch welche Auswirkungen hat das.
Macht es einen Unterschied ob ich ein leichtes Kreuz und einen schweren Knauf oder ein entsprechend schwereres Kreuz und einen leichteren Knauf verbaue?

Die Schwingungsknoten werden vor allem durch die Länge und Geometrie bestimmt?
Inwiefern kann ich sie durch Grifflänge und Knauf beeinflussen?

Durch welche Parameter kann ich Schwingungsknoten und Drehpunkte aufeinander abstimmen?

Fragen über Fragen.
Weiß jemand ein gutes Buch?

Ciao Sven
 
Eine gute Antwort weiß ich auch nicht, aber eine kleine Hilfe:
Hiebwaffe = Cutting Weapon (Axt, Wikingerschwert, Falchion z.B.)
Stichwaffe = Thrusting weapon (Rapier, Speer, viele spätmittelalterliche Schwerter. und so)
Ansonsten kommt Alles auf eines raus.
Wieviel Stahl ist an welchem Punkt der Klinge?
Die zum stechen fangen (relativ) breit und dick an und werden immer spitzer und dünner.
Die zum Hauen fangen auch breit an aber nicht unbedingt dick und bleiben breit, werden im Extremfall sogar noch breiter.
Die für beides liegen logischerweise irgendwo dazwischen und habe eine klare Vorliebe für eine der beiden Sachen.
Das verschiebt den Schwerpunkt, Knäufe, Griffe dienen zum "feintunen". Die Schwingungsknoten, tja da kommt es drauf an, wie die dünner und schmaler werden, das ist bei schönen und guten Schwertern aus der Originalzeit eben nicht gleichmäßig und ich fürchte, man müßte erstmal ein paar Schwerter schmieden um das hinzukriegen.
 
Die für beides liegen logischerweise irgendwo dazwischen und habe eine klare Vorliebe für eine der beiden Sachen

Die Schwingungsknoten, tja da kommt es drauf an, wie die dünner und schmaler werden

@ Havor: Sach mal hast du dir deine Antwort nochmal durchgelesen bevor du sie abgeschickt hast bzw. weisst du wovon du redest ?


Nix für ungut :hmpf:

Corin
 
Ich habe gestern noch mal ein bisschen rumprobiert.

Die Schwingungsknoten scheinen schon mal gar nicht so schwer zu sein.
Sie werden in ihrer Lage eigentlich kaum durch Griff und Knauf beeinflusst.
Die Amplitude erhöht sich zwar mit zunehmendem Knaufgewicht aber sonst passiert nichts.
Da ich eine fast durchgängige Stärke von 3,8mm am Mittelgrat habe und die Klinge komplett gehärtet ist, dürfte das Schwingungsverhalten ziemlich homogen sein.
Wäre die Klinge jetzt noch überall gleich breit könnte ich wohl die Schwingungsknoten bei 1/4 und 3/4 der Gesamtlänge erwarten.

Die Drehpunkt-Bestimmung geht mit der Spitze nach unten übrigens etwas einfacher.

Ciao Sven
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe gestern noch mal ein bisschen rumprobiert.

Die Schwingungsknoten scheinen schon mal gar nicht so schwer zu sein.
Sie werden in ihrer Lage eigentlich kaum durch Griff und Knauf beeinflusst.
Die Amplitude erhöht sich zwar mit zunehmendem Knaufgewicht, aber sonst passiert nichts.
Da ich eine fast durchgängige Stärke von 3,8mm am Mittelgrat habe und die Klinge komplett gehärtet ist, dürfte das Schwingungsverhalten ziemlich homogen sein.
Wäre die Klinge jetzt noch überall gleich breit, könnte ich wohl die... Schwingungsknoten bei 1/4 und 3/4.... der Gesamtlänge erwarten.....
Ich bin überzeugt davon, dass da eine ganze Reihe von Parametern eingeht, die bisher noch gar nicht erwähnt wurden. Höhe und Masse des Mittelgrats (mit "t"!), die Anzahl, Breite und Tiefe von Rillen, der Querschnitt samt seiner Änderungen im Verlauf bis zur Spitze, das Schwingungsverhalten in Abhängigkeit von der Härte usw.

Die alten Meister, die nicht nur große Schmiede waren, sondern gleichzeitig aus aktuellem Anlass eine Menge vom Schwertkampf verstanden, hatten uns zwangsläufig noch eine Menge an Kompetenz und Erfahrung voraus. Ich denke nicht, dass Schwertschmieden mit dem Anspruch, eine richtig gute individuelle Waffe zu machen, eine leichte Sache ist, die man mal eben über den breiten Daumen peilt.

Gruß

sanjuro
 
Höhe und Masse des Mittelgrats (mit "t"!)
Uups, korrigiert.

Ich denke nicht, dass Höhe und Masse des Mittelgrats einen sehr großen Einfluß auf die Lage der Schwingungsknoten haben.
Es federt halt mehr oder weniger aber mit einer homogen Amplitude.

Rillen und Querschnittsveränderungen, insgesamt die Steifigkeit sind da natürlich schon wieder ein ganz anderer Fall.

Ich denke nicht, dass Schwertschmieden mit dem Anspruch, eine richtig gute individuelle Waffe zu machen, eine leichte Sache ist, die man mal eben über den breiten Daumen peilt.
Doch ich denke genau das (bis auf die leichte Sache).
Genau errechnen kann man es nämlich mit Sicherheit nicht. Es sind einfach zu viele schwer messbare Größen dabei.
Also Peilen, herauskriegen welche Parameter zusammenspielen und machen.

Ciao Sven
 
Hallo, Sven!

Ich denke nicht, dass Höhe und Masse des Mittelgrats einen sehr großen Einfluß auf die Lage der Schwingungsknoten haben.
..Vorrausgesetzt, der Grat, bzw. der Querschnitt, ist homogen. So einfach rhombisch ist sehr vereinfacht. Wenn der Querschnitt von einer oder zwei Rinnen sich verändert, ändert sich auch die lokale Steifigkeit.

Es federt halt mehr oder weniger aber mit einer homogen Amplitude.
Die Frequenz ist gleich im vibrierenden Schwert, genannt Eigenfrequenz, weil die Teile fest verbunden sind; die Amplitude- die Höhe des Ausschlags- natürlich nicht. Sonst wären da keine Knoten.

Genau errechnen kann man es nämlich mit Sicherheit nicht. Es sind einfach zu viele schwer messbare Größen dabei.
Man kann. Das Schwert wird am Rechner modelliert, das Modell in endlich kleine Elemente zerlegt und das Verhalten jedes Elementes im Kontakt mit den Nachbarn berechnet. Stichwort Finite Elemente Methode http://de.wikipedia.org/wiki/Finite-Elemente-Methode und Modalanalyse http://de.wikipedia.org/wiki/Modalanalyse. Nix für den Heimwerker, aber machbar.

Gruß, Der Baer
 
In dem was ich geschrieben habe ist, glaube ich, ein Widerspruch.
Die Höhe des Mittelgrats hat natürlich einen Einfluß auf die Steifigkeit und somit auf den Abstand der Knoten zueinander.

Die Finite-Element-Methode kenne ich, aber wie führe ich die mit Meßschieber und Bleistift am Amboß durch?:D
Aber ich werde mir die Programme mal anschauen, vielleicht gibt es so etwas ja auch mit einem für einen Techniker verständlichen Interface.
Es muss ja nur ein simpelst Modell sein an dem man ein paar Größen verändern kann und dann sieht was passiert.

Ansonsten werde ich mir jetzt erstmal mit ein paar Bleigewichten zum ausprobieren behelfen.

Ciao Sven
 
Hallo Sven,

mach mal. Wieland & Co. wußten, Versuch macht kluch.

Davon abgesehen, entscheidend für das Fechten wird das Schwingungsverhalten nicht sein, nur eine angenehme Dreingabe.. fakultativ.
Wichtig sind in erster Linie Gesamtgewicht und Balance.

Ein Schwert ist weder Keule noch Axt oder Hammer, und Fechttechnik ist ausdrücklich nicht, die Klingen aufeinander zu kloppen oder wie doof auf eine Rüstung zu dengeln. (Eine Rüstung soll genau davor schützen, und wenn die das nicht schafften, hätte sie keiner getragen. Deshalb gibt es spezielle Schwerttechniken für Fugen und Gelenke.)

Mein Übungs-Langschwert ist z. B. relativ schlabbrig und viel Druck in der Bindung ist nicht drin. Darum arbeite ich nicht mit Gewalt, sondern lieber um den Druck herum, dann schwingt auch nichts.
Fechttechnik ist, sich auf die Eigenschaften der Waffe einstellen zu können; auch früher waren nur die wenigsten Waffen optimal kundenspezifisch angepaßt.
Wenn Du da Ehrgeiz entwickelst, frag mal Eisenhans. (Hallo Hans. Muuh! :D)

Gruß,
Der Baer
 
Nicht das ihr denkt das ich untätig war...

Hier zwei Artikel die mir sehr geholfen haben:
Determining Pommel and Guard/Grip Weights
Plotting the dynamic balance

Der Versuch mit den Bleigewichten hat sehr gut funktioniert.
Ich habe mir zwei Testzylinder mit jeweils 350g gegossen einen für das Schwertkreuz und einen für den Knauf.
Beide durchbohrt und an den Erl angepasst.
Gerade an der Klingenwurzel ist es sehr wichtig dass man das Gewicht formschlüssig festhämmert, da die Klinge sonst nicht schwingt sondern klappert.

Nach einigen rumprobieren bin ich für meine Klinge auf Gewichte von ca.
310g an der Klingenwurzel und 250g am Knauf gekommen.

Für den Knauf habe ich bereits einen Specksteinrohling für den Guß gefertigt der, anhand der Wasserverdrängung geschätzt, auf 300g kommt. Also noch genug Material zum verputzen.

Als nächstes bereite ich heute das Material für das Kreuz vor (wird was besonderes;))

Ciao Sven
 
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Sorry hat ein bisschen gedauert.

Die Klinge wiegt momentan 670g und wird am Ende wohl so auf 650g kommen.
Die Klingenlänge beträgt 79cm.
Gesamtlänge momentan 107cm.
Auch da werde noch ein bisschen rumspielen wenn Kreuz und Knauf fertig sind.
Vom Gesamtgewicht möchte ich knapp unter 1300g bleiben.

Ciao Sven
 
Tja... in welche Zeit soll es passen...
Bisher habe ich mir mehr Gedanken gemacht, wie es in meine Hand passt:rolleyes:

Es ist aber schon eher ein Typ XVIII (allerdings Typ a Klinge und b Grifflänge).

Es sieht von Knauf und Klinge diesem Schwert mit weißem Leder ähnlich. Nur mit weniger verspieltem Kreuz.

post-23694-125438745371.jpg

Quelle: P. Johnsson

Das Kreuz wird in der Form schlicht. Gerade, vierkant auf achtkant.

Ciao Sven
 
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Oha :D

Die Beispiele kenne ich doch irgendwoher ......

Aber schön ...bin gespannt auf das Ergebnis. Vorlagen wie sowas aussehen kann hast Du ja.
 
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