Schwerter: Funkenflug bei Rüstungstreffern?

wolviemaniac

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Hallo allerseits,

ich untersuche in meiner Magisterarbeit den Realismus von Kampfschilderungen im höfischen Roman, also sozusagen den Rittergeschichten des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts, und hoffe, ich kann da für einen Aspekt von dem geballten Fachwissen gerade auch in diesem Unterforum profitieren.

Es tauchen nämlich immer wieder Schilderungen von "feurigen Schlägen" auf, sprich: Funkenflug bei Treffern des Schwerts auf die Rüstung (Kettenhemd oder Helm). Die Frage ist nun, inwieweit es wahrscheinlich ist, daß Funkenflug auftritt, bei welchen Arten von Treffern (direkt oder "am Material entlangrutschend") und in welcher Menge Funken zu erwarten sind.

Daß die Funken fliegen, wenn zwei gehärtete Stahlteile mit Wucht aufeinanderstoßen, ist klar, für mich wäre es wichtig, Hinweise zu haben, in welcher Frequenz das passiert und sagen zu können, inwieweit die Häufigkeit des Funkenflugs in den Kämpfen der höfischen Romane "realistisch" oder "überzogen" dargestellt ist.

Ich untersuche hauptsächlich den "Erec" Hartmanns von Aue, dort kommen die "feurigen Schäge" in jeder Beschreibung eines ritterlichen Kampfes vor, es gibt jedoch auch Hinweise im Werk selbst, daß diese zumindest teilweise unrealistisch stark dargestellt werden.

Ich hätte auch gern selber mal getestet, nur hab ich leider nur ein Schwert zu Hand und weder Helm noch Kettenhemd – vielleicht hat jemand auf irgendeine Weise schon einmal Erfahrungen gesammelt und kann mir Hinweise geben oder auch nur theoretische Anmerkungen, ich bin für jeden Kommentar dankbar! Vielleicht noch als kleine Anmerkung: Es geht mir hier nicht um die Effektivität der Rüstungen oder die Auswirkungen der Schwertschläge auf die Kämpfer, das ist ein anderes Kapitel. ;)

Schonmal vielen Dank und Grüße,

Nikolas
 
Probiert habe ich es noch nicht.
In einer Fernsehreportage über Indische Kämpfer (Kalajapeia?? oder so) habe ich das aber schon gesehen. Die schafften mit ihren recht leichten Waffen angeblich 120 Kontakte in der Minute :staun:. Die Waren fast nur an den Funken bei Kontakten mit (Stahl)Schild oder der Gegnerischen Waffe zu sehen. Die Funken waren meist Rot also ziemlich dunkel und maximal wie bei einem modernem Feuerzeug.
 
"Funkenflug bei Rüstungstreffer" hatte ich noch nie, dafür was anderes.

Ich wollte es selbst erst nicht glauben, aber bei starken Schlägen die man an der eigenen Schlagkante abgleiten lässt (was man nicht sollte) können durchaus mal die Funken fliegen. Das habe ich bisher aber nur in der Halle gesehen, nie im Freien. Das heißt sichtbar ist es bei Sonne nicht, kein "Funkenregen". Allerdings habe ich das noch nie beobachten können wenn die Klinge an der Fläche abgleitet. Und genau daraus schließe ich dass es schwer wird Funkenflug zu erzeugen wenn das Schwert auf glatte polierte Rüstungsteile trifft. Das könnte eher gehen wenn man Kanten oder Ecken trifft.
 
Sind die
feurigen Schläge
nur durch diese Wendung belegt oder gibt es explizite Nennungen von Funken?
Bei feurigen Schlägen würde ich eher an eine metaphorische Ebene denken, also Schläge, die mit Feuereifer geführt werden...
mfg
Tct
 
Zustimmung für Tomcat von meiner Seite.
Feurige Schläge ....mit äußerster Agressivität geführte Schläge .....das kann ich mir in der blumenreichen Ausdrucksweise schon passend vorstellen.
 
Erstmal danke für die Anmerkungen!

Bei den "feurigen Schlägen" hab ich wohl eine etwas ungünstige Formulierung benutzt, es wird tatsächlich geschildert, daß bei Treffern auf Helm und Kettenhemd Funken fliegen. Wenn die Schläge einfach nur mit "Feuereifer" geführt werden, heißt es üblicherweise "grimmeclîch". ;)

Ich hatte auch ein Video von Schnitttests auf ein Kettenhemd gesehen, wo einer der Zuschauer sagte, "hey, da waren sogar Funken!", allerdings war die Qualität so schlecht, daß man es nicht erkennen konnte.

@ Plain: Danke, das gibt mir schonmal einen guten Anhaltspunkt!

@ Geonohl: Wahrscheinlich "Kalaripayat". Das ist auf jeden Fall sehr interessant, du weißt aber sicherlich nicht mehr genaueres, was das für eine Doku war? Habe da selbst auch schon einige gesehen, vielleicht sollte ich da mal die Weiten des Internets nach durchstöbern, zumindest ein Beleg, daß sowas auftreten kann.

@ D.Kraft: Das heißt, du hältst es für sehr unwahrscheinlich, daß Funken (egal in welcher Menge) bei solchen Treffern überhaupt auftreten?
 
Also ich kenne das Funkensprühen aus der praktischen Arbeit mit dem Freischneider! Da können (mit dem "Stern" aus Carbonstahl) beim Treffen von Steinen oder Metall (Zaunpfosten, Stacheldraht, usw) auch des öfteren Mal die Funken fliegen und zwar relativ deutlich, inwiefern sich das mit Kampfsituationen vergleichen lässt ist zwar fraglich, aber es zeigt meiner Meinung nach deutlich, dass es hauptsächlich von der Geschwindigkeit abhängt!
 
Auch die scharfen Schneiden sind wohl wichtig. In dem Bericht sageten die, dass sie zur Konzentrationsförderung nur mit scharfen Klingen üben :steirer:. Bei den stumpfen Schaukampf-Dingern hab ich in meiner Erinnerung nur einmal kleine Fünkchen gehabt.
Reiner C-Stahl scheint auch etwas schneller zu Funken, wie man bei Werkzeugen sieht, aber die Schaukampfklingen sind heute doch meist legiert.
Ich hab auch schon Funken mit einer Axt erzeugt, beim durchschlagen eines eingewachsenen Nagels.
 
Es passiert zwar selten, aber beim Hämmern eines Nagels in die Wand - nicht nur bei den gebläuten harten Stahlnägeln - kommt es auch mal vor, dass Funken springen, wenn man nicht genau schlägt und er Hammer abrutscht.
Bei "normalen" blanken Nägeln dürfte das dann eigentlich nicht passieren :argw:

Gruß Andreas
 
Bei Escrima-Demonstrationen (Bill Newman) mit leicht abgestumpften Kurzschwertern hab ich das auch schon gesehen.
Passiert eigentlich bei jedem wirklich wuchtigem Treffer, egal ob abgleitend oder ineinander hakend.

Bei direkten Treffern Schneide auf Schneide "kleben" die Schwerter sogar aneinander. Keine Ahnung ob das ausschließlich durch die Kerben oder sogar durch eine Art Punktschweißung passiert. Funkt auf jeden Fall kräftig.

Ciao Sven
 
Eigentlich bin ich ja nicht der Schwertkampfexperte, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es erwünscht, oder gar beabsichtigt war, Schneide gegen Schneide zu parieren... ...somit dürfte der Funkenflug schon mal abgetan sein. Soweit mir noch von Gesprächen mit Leuten die sich dem Schwertkampf der mitteleuropäischen und asiatischen Techniken verschrieben haben, bekannt und in Erinnerung ist, ist das Parieren mit der Schneide tabu. Die Schneide dürfte nach einem Kampf ja nicht mehr als Schneide bezeichnet werden sondern dann nur noch als Säge.
Ich würde es eigentlich so sehen, wie es schon in den Posts von Tomcat II und D. Kraft geschrieben wurde.
Wie gesagt ich bin kein Schwertkämpfer, aber ich denke hier kann der eine oder andere schon was fundiertes dazu beitragen.

Freddie
 
Zuletzt bearbeitet:
Gewünscht und beabsichtigt war es mit Sicherheit nicht.
Und klar ist auch, dass niemand eine Technik die vorsätzlich das Schwert beschädigt in sein Lehrrepertoire aufnehmen würde.
Aber immer noch besser als es auf den Schädel zu kriegen.

Und ja, die Schwerter sehen danach aus wie eine Säge.

Diese Escrima-Geschichten haben trotz gegenteiliger Beteuerungen auch nicht so viel mit japanischen oder den dokumentierten europäischen Schwertkampfkünsten gemein.

Mir ging es darum, das in einem ernsthaften Aufeinander prallen auch wirklich die Funken fliegen. Erst recht wenn Schild und Rüstungen im Spiel sind.

Ciao Sven
 
Ich habe mit der Formulierung "feurig" auch so meine Probleme...

Hättest Du dazu mal eine Textstelle zur Hand, die Du zitieren könntest? Wenn Du die "zweisprachige" Ausgabe von Fischer hast, reicht auch die Seitenzahl.
 
Wow, das nimmt ja richtig Fahrt auf!

Ich habe auch noch eine Antwort von einem langjährigen Reenactor bekommen, der viel mit Schwert und Plattenrüstung "gekämpft" hat. Seine emphatische Antwort zur Entstehung von Funken: Natürlich! Er konnte mir keine genaueren Angaben zur Wirkung auf Kettenhemden machen, merkte aber an, daß er teilweise eine Schutzbrille unter seinem Helm trug, um sich vor den Funken zu schützen.

Was das alte, leidige Problem von Schneide auf Schneide parieren angeht ;): Zumindest im deutschen höfischen Roman gibt es keine Hinweise darauf, ich kann mich aus dem Stehgreif auch nicht erinnern, überhaupt etwas von einer Parade Schwert gegen Schwert gelesen zu haben – die Jungs benutzen den Schild, oder später die Rüstung. ;) Das Rekonstruieren von Kampftechniken anhand der Schilderungen ist aber sowieso im besten Fall äußerst schwierig und normalerweise unmöglich.

Als kurze Textstellen, die grad obenauf liegen:

dô sach man si vehten
gelîch zwein guoten knehten.
daz viur in ûz den helmen vlouc.

dar nâch sô wart daz spil gegeben
mit manegem viurînen slage
von vruo unz hin nâch mittentage.

nû schirmte in daz îsengewant
vor dem tôde dicke.
die heizen viures blicke
vrumten diu wâfen
swâ si ein ander trâfen.


Man möge mir verzeihen, daß ich keine Übersetzung anfüge, die Arbeit will heut auch noch weitergeschrieben werden. :hmpf:

Vielen Dank für euer Interesse und die rege Beteiligung!
 
@ wolviemaniac:
Gut, die Stelle "daz viur in ûz den helmen vlouc" ist eindeutig genug. Man kann also schon davon ausgehen, dass zumindest gelegentlicher Funkenflug zu beobachten war, wenn man die Aussagen von deinem Bekannten und hier im Thread mit heranzieht. Dass die Schilderungen gerade Hartmanns stets recht überzeichnet waren, ist ja auch klar.

wolviemaniac schrieb:
Das Rekonstruieren von Kampftechniken anhand der Schilderungen ist aber sowieso im besten Fall äußerst schwierig und normalerweise unmöglich.
Allerdings. Zumal sich die Autoren da bisweilen doch eher blumiger Ausdruckweisen bedient haben. Mir fällt da auf Anhieb eine Zeile aus der Joie-De-La-Court Episode bei Hartmann ein. "mit scheften si sich kusten...":D. Minne-Rhetorik in einer (Lanzen-)Kampfbeschreibung. Ich glaub, das stand bei Chrétien wesentlich nüchterner.
Aber bei dem findet man wiederum Hinweise auf den Funkenflug:

A pié sont en mi le vergier,
si s'antre vienent demanois
as boens branz d'acier vîenois,
et fierent granz cos et nuisanz
so les escuz clers et luisanz,
si que trestoz les escartelent,
et que li oel lor estancelent;

Die Augen, die ihnen "funkelten" könnten zusammen mit den (unter den Schlägen) "hellen und leuchtenden" Schilden genau dieses Funkenschlagen umschreiben.
 
Ok, da es jetzt bei der Hälfte der Diskussionsteilnehmer in die Interpretationsrichtung "Feuereifer" geht, dies ist definitiv nicht der Fall.

Das, was wir heute vielleicht mit "Feuereifer" bezeichnen würden, findet im "Erec" seinen Niederschlag in "mit grimme", "mit zorne", "grimmeclîch" und weiteren.

Die funkenschlagenden Schwertschläge sind ein Element, das auch in den französischen chanson de geste vorkommt (diese Werke liegen zeitlich früher und waren oft Vorlagen für deutsche Dichtungen) und auch gerade charakteristisch für die deutsche Heldenepik ist – man möge sich einmal im Nibelungenlied umschauen, da gibt es genug Schilderungen. Es handelt sich einfach um eine grundlegende erzählerische Formel der Kampfbeschreibungen.

Hier eine markante Stelle aus dem "Erec" dazu, die ich wegen ihrer Deutlichkeit gewählt habe:

ûf den helm er in erriet,
dâ die swarte daz mittel schiet,
und luoc ez alsô vaste
daz von dem slage erglaste
ein breitiu vlamme viurîn,
daz daz viur möhte sîn
gevangen mit einem schoube.
got lône im derz geloube,
wan ich niht drumbe geswern mac.


Hier wird also von oben direkt auf den Helm geschlagen, wo von eine so große Flamme aufsteigt, daß sie mit einem Strohwisch hätte aufgefangen werden können. Der Erzähler kommentiert, daß Gott es demjenigen lohnen mag, der es glaubt, denn er selbst könne es nicht beschwören.

Das jetzt mal ohne weitere Interpretation meinerseits (das ist eine der Kernstellen für die Diskussion des Funkenschlags), nur um zu zeigen, daß es sich tatsächlich um Beschreibungen von Funkenflug handelt.
 
Oh, ich sehe, Sam Hain war schneller. ;)

Genau so sehe ich das auch, im Unterpunkt "Funkenflug" der Arbeit soll eben geklärt werden, inwieweit diese Schilderungen der "Realität" folgen oder überzeichnet waren.

Mit dem "nüchterner" bei Chrétien, ok, vielleicht auf die Minne-Metaphorik bezogen, aber bei den Kampfschilderungen ist Hartmann doch deutlich "nüchterner" und meiner Meinung nach auch realitätsnäher; das würde hier jetzt aber zu weit führen. Es sind nur in der Forschung viele verquere Ansichten verbreitet, gerade was die Kampfschilderungen und deren zugrundeliegende historische Realität angeht, dem möchte ich versuchen, entgegenzuarbeiten.

Und bleib mich weg mit dem Altfranzösisch, ich kann dem nicht so gut. ;)
 
Mit dem "nüchterner" bei Chrétien, ok, vielleicht auf die Minne-Metaphorik bezogen, aber bei den Kampfschilderungen ist Hartmann doch deutlich "nüchterner" und meiner Meinung nach auch realitätsnäher;
Sicher auf die Minne-Sprache bezogen. Aber auch was die Ausführlichkeit der Schilderung angeht. Zumindest die JDLC-Episode, aus der Du ja auch die Stelle mit dem entflammenden Helm zitiert hast, finde ich bei Hartmann deutlich mehr ausgeschmückt. "die heizen viures blicke vrumten diu wâfen swâ si ein ander trâfen.":D
Das ist bei Chrétien alles deutlich knapper.
 
Ja, da magst du bei der Episode recht haben, ein Vergleich mit Chrétien kommt die Tage erst wieder dran, bin nicht mehr so drin bei ihm. Aber Hartmann hat sich ja insgesamt mehr Platz rausgenommen. ;) "Nüchterner" und "realitätsnäher" bezog ich auch eher auf die Blutigkeit der Kämpfe bei Hartmann. Aber wie gesagt, ich denke, das geht hier zu weit, bei Interesse kann ich dir gerne die fertige Arbeit schicken – wenn es denn endlich soweit ist. :hmpf:
 
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