Seltsamer Härteverzug

ReinerG

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Hi all,

letztes Wochenende habe ich zwei Klingen (Santoku- und Nakiriform) aus 1.2842 geschmiedet. Dicke jeweils 2mm, Höhe 40 mm, Länge 140 mm.
Der Stahl wurde nach dem Schmieden scharf normalisiert, in Öl gehärtet und zweimal für 50 Minuten bei 180 Grad angelassen. Das war auch alles schön glatt und gerade. Klingen weggelegt, um sie bei Gelegenheit mit Griffen zu versehen.
Als ich die Klingen heute wieder in die Hand nehme, sehen die Dinger aus wie Korkenzieher, also nicht nur ein simpler seitlicher Verzug sondern auch einer um die Längsachse gewunden.
Hat jemand so etwas schon mal gesehen? Restspannungen im Material? Hätte ich also vor dem Härten spannungsfrei glühen sollen? Jedenfalls ist mir das nach einigen Dutzend Klingen zu ersten mal passiert. Sofortigen Härteverzug kenne ich ja, aber nach einer Woche Liegezeit? Übrigens blieben dünnere Klingen (1 mm, C45W, für Opinel und Frühstücksmesser, in Wasser gehärtet) aus der selben "Anlasscharge" absolut gerade.

Schon mal danke für euren Rat.
Reiner
 
Hi
Das kann passieren. Du schreibst, Du hast erst normalisiert dann gehärtet. Der 2842 ist schon mal ein Lufthärter. Bei 2 mm Dicke erst recht. Dein scharf normalisieren in Öl ist dann schon mal wie härten. Weniger ist da manchmal mehr. Du bekommst die Spannungen ja gar nicht mehr heraus. Hast Du nicht weichgeglüht oder zwischendurch nochmal spannungsarm geglüht ? Nach dem Härten und abschrecken in Öl ist die Umwandlung auch noch nicht abgeschlossen. Du schaust nach einer Minute nach, alles gerade und nach ein paar weiteren Minuten oder dem Anlassen ist dann alles krumm. Die Spannungen halten die Klinge noch gerade, weil sie ja zwischendurch nie abgebaut wurden. Das Anlassen baut dann Spannungen ab und die Klinge wird krumm. Das zeugt nur von Spannungen vorher im Material. Vor dem Härten muß da alles raus sein.

LG Thomas
 
Danke Thomas,

das Rohmaterial wird zwar als "weichgeglüht und normalisiert" geliefert, aber jetzt weiß ich, dass die Klingen nach dem Schmieden vorsichtshalber immer "in die Röhre" kommen (nach 5 - 6 Hitzen ist vom Ausgangszustand wohl nicht viel übrig).
Dann werde ich mal das Feuer anwerfen, die beiden Hübschen schön einpacken und weichglühen.

Schönen Sonntag
Reiner
 
Hi, habs gerade in meinem neuen Rapatz:hehe: gelesen und mich an diesen Beitrag erinnert.

Das richtige Stichwort wird wohl Dimensionsstabilität sein. Um diese zu erreichen, muss nach dem Härten alles Restaustenit vollständig durch Anlassen beseitigt werden.

Bei einem Stahl mit 1,7% Kohlenstoff kann der Restaustenitgehalt nach dem Härten in Wasser noch bis zu 14% betragen. Die vollständige Zersetzung des Restaustenits dauert in diesem Fall bei 200 Grad Anlasstemperatur genze acht Stunden...

Das kann man natürlich nicht 1-1 auf deinen Stahl übertragen. Aber, da du erstens in Öl abgeschreckt hast (niedrige Abkühlgeschwindigkeiten ergeben höheren Restaustenitgehalt) und zweitens nicht sehr Lange bei unter 200 Grad angelassen hast, kann man davon ausgehen, dass nach dem Anlassen noch eine gewisse Menge Restaustenit vorhanden war...

Nach Rapatz findet sogar bei Raumtemperatur eine Zersetzung des Restaustenit statt, wenn auch sehr langsam... Die Zersetzung des Restaustenit in Zementit erfolgt in versch. Stufen, die mit einer Volumenänderung einhergehen.

Wenn es in deiner Klinge also nach dem Härten und Anlassen noch Restaustenit gab (evtl. durch ungleichmäßige Aufwärmung beim Anlassen noch ungleichmäßig verteilt) könnte der anschließende Zerfall des Restaustenits bei Zimmertemperatur durchaus noch zu einem Verzug führen...

Ob es wirklich so gewesen ist, kann ich nicht sagen. Dafür bin ich noch nicht fit genug in der Materie. Aber es erscheint mir recht plausibel und passt zu deiner Beschreibung...

Gruß Jannis
 
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