Sesam, öffne.. - 2. - "ballige Bauern"

Abu

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Werte Freunde schöner, alter Messer,

Bauernmesser gehören eigentlich nicht zu meinem Beuteschema. Nun lagen diese drei aber vor mir, keine Solinger, süddeutsche Form, sog. Tuttlinger Klinge, robust, nützlich und "wunderschön". Dieses Prädikat gab der Finder dem Pärchen, ich konnte nicht widersprechen!

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Über Bauernmesser gab es hier im MF bereits einen Thread, wer sich nochmals vertiefen möchte, Suchfunktion hilft. Die Grundeigenschaften hab ich ja bereits erwähnt: Funktionalität und Stabilität. Das Design folgt der Funktion, das Finish ist sekundär. So werden sie auch heute noch in kleinen Schmieden in Süddeutschland und, edler, in der Schweiz gebaut.

Dass Funktion und Schönheit, hier insbesondere der Klinge, sich nicht ausschließen müssen, zeigt das Paar, dessen Schöpfer vmtl. leider unbekannt bleiben wird. Kein Klingenstempel gibt Auskunft über ihn, nur ein "rostfrei" verweist auf modernere Materialien. Aber was für ein wunderbares Klingendesign ist ihm da gelungen! Dazu völlig pragmatisch: von Brot und Butter bis zu härteren bäuerlichen Einsätzen prima nutzbar. Der Macher wusste offensichtlich auch, worauf es ankam, die ballig geschliffenen Klingen geben Stabilität bei ordentlicher Schärfe, klasse!

Bauernm4MF.jpg Bauernm5MF.jpg

3 bis 4mm starke Federn geben Spannung, auch wenn der Widerstand nur mittelmäßig ist. Optisch durch das Hirschhorn und die Neusilberbacken schönster Bauernschmuck, wäre da nicht das reduzierte Finish. Die Kanten der Griffschalen stehen deutlich über den Backen. Wer weiß, vielleicht hat's die Kunden gestört, immerhin wurden sie ja nicht verkauft....:)

Vielleicht gibt es ja hier im MF Kenner der Szene, die Auskunft über den Macher geben können?Ich tippe jedenfalls auf eine lokale schwarzwälder Fertigung, ähnlich wie heute noch Kneissler.



Vom PL ist der Name bekannt: Pius Lang, und es hat fast alle Ausstattungsmerkmale eines kompletten Bauernmessers, Klinge, Säge, Sackahle. Was ein Bauernmesser ausmachen sollte, darüber fand ich ausgerechnet im spanischen Forum "ArmasBlancas" einen Auszug aus einem Buch von einem Horst A. Brunner (Recherche vergeblich). Den Text lasse ich mal so stehen, ob und wie per INet-Übersetzer geformt, keine Ahnung:

"Praktisch denkende bauer entwickelte im 19. Jahrhundert spezielle, den eigenen bedürfnissen angepasste taschenmesser. Diese ca. 10-12 cm langen Bauernmesser weisen in der traditionellen ausführung vier klingen auf: hauptklinge, sage, hakenklinge für die baumpflege und sackahle zum zunähen der kartoffelsähle.

Als Griffmaterial drängte sich Horn, moistens Kuhhorn, ein im bäuerlichen Alltag wohlbekanntes Material, geradezu auf. Nach der Erfindung der Vulkanfiber im Jahre 1859 fand auch dieses Material für Griffschalen Verwendung."


PiusLang1MF.jpg PiusLang2MF.jpg PiusLang3MF.jpg PiusLang4MF.jpg

Mein Pius-Lang-Messer ist somit echtes Arbeitsgerät, Größe GL 190, KL 85 mm, Federstärke 4mm, kräftige Spannung, C-Stahl. Arbeitsgeräte müssen arbeiten, ja, ich werde die Bauernmesser nutzen!!! Viel zu schade für die Schublade.

Gruß
Abu



PS: Näheres zur Vorgeschichte siehe Teil 1
 
Zuletzt bearbeitet:
Hübsche Messer, ich mag solch einfache, praktische "Bauernmesser"; Besonders das Pius Lang gefällt mir sehr gut.

...Auszug aus einem Buch von einem Horst A. Brunner (Recherche vergeblich).....

Horst A. Brunner war ein Messersammler aus der Schweiz, der eine der größten oder die größte Taschenmesser-Sammlung(en) weltweit zusammen getragen hat. Leider ist Herr Brunner mittlerweile verstorben und seine Sammlung wurde von Victorinox erworben.
Er hat auch das Buch "Feuer und Feuerschlagmesser" verfasst.

Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke Abu,
sehr schöne Messer.
Besonders bemerkenswert finde ich das optimale Klingen-Griff-Verhältniss , so kommt es jedenfalls optisch rüber.
Achja, diese Oldschool Teile haben echt was:super:

Danke für die genüßliche Teilhabe;)
Excalibur
 
Kann mich nur anschließen: Danke für's Vorstellen dieser schönen alten Teile. Ich mag Bauernmesser sehr gern - aus genau den genannten Gründen: Praktisch, ohne Firlefanz, absolut auf Gebrauch ausgerichtet (was ich mir bei einem Karambit oder einem Neck-Knife irgendwie nicht so recht vorstellen kann ... oder will ... :cool:) und absolut zeitlos.

Sehr schöne Messer, sehr schön präsentiert!
 
Wirklich schöne klassische Taschenmesser, die Tuttlinger.

Wurden übrigens auch einst von Victorinox gebaut.
 
Hallo...
... und danke für Eure Kommentare, immer wieder eine Bereicherung!


....das optimale Klingen-Griff-Verhältniss , so kommt es jedenfalls optisch rüber.
Excalibur

Guter Hinweis, die beiden anonymen hatten es mir gleich optisch angetan, warum? Innerer "Design-Kompass", so etwas wie der "Goldene Schnitt"?
Ich hab mal gemessen, die Klingen-/Grifflängen bzw. Verhältnisse sind: 76/104/0,73 bzw. 80/104/0,77, das PL hat mit 85/105/0,81 die beste Relation. Seine Klingenbreite ist mit 18mm an der breitesten Stelle auch nur 1 mm schmaler als das wuchtiger aussehende anonyme mit den zwei Klingen. Ich denke, der optische Reiz liegt also eher in der breiteren Klinge zur Spitze hin, die die Messer zu strecken scheint.

?...
Horst A. Brunner war ein Messersammler aus der Schweiz, der eine der größten oder die größte Taschenmesser-Sammlung(en) weltweit zusammen getragen hat.....
Claus

Danke Claus, hast doch wieder was gewusst!!! Ist ja nicht das erste Mal, dass Du mir weitergeholfen hast.:super: Dann kündige ich schon mal eine HARTE NUSS für den dritten Teil meines Sesam-öffne-dich an:haemisch:

Gruß
Abu /Burghard
 
... Was ein Bauernmesser ausmachen sollte, darüber fand ich ausgerechnet im spanischen Forum "ArmasBlancas" einen Auszug aus einem Buch von einem Horst A. Brunner (Recherche vergeblich). Den Text lasse ich mal so stehen, ob und wie per INet-Übersetzer geformt, keine Ahnung:

"Praktisch denkende bauer entwickelte im 19. Jahrhundert spezielle, den eigenen bedürfnissen angepasste taschenmesser. Diese ca. 10-12 cm langen Bauernmesser weisen in der traditionellen ausführung vier klingen auf: hauptklinge, sage, hakenklinge für die baumpflege und sackahle zum zunähen der kartoffelsähle.

Als Griffmaterial drängte sich Horn, moistens Kuhhorn, ein im bäuerlichen Alltag wohlbekanntes Material, geradezu auf. Nach der Erfindung der Vulkanfiber im Jahre 1859 fand auch dieses Material für Griffschalen Verwendung."
....

Horst A. Brunner: „Klappmesser aus zwei Jahrtausenden“, veröffentlicht zur Ausstellung „Klappmesser aus zwei Jahrtausenden“ im Napoleon-Museum Arenenberg/Schweiz 1994:

Bauernmesser Praktisch denkende Bauern entwickelte im 19. Jahrhundert spezielle, den eigenen Bedürfnissen angepasste Taschenmesser. Diese ca. 10-12 cm langen Bauernmesser weisen in der traditionellen Ausführung vier Klingen auf: Hauptklinge, Säge, Hakenklinge für die Baumpflege und Sackahle zum Zunähen der Kartoffelsäcke.
Einen Korkenzieher wird man an den richtigen Bauernmessern vergeblich suchen. Das soll nicht heissen, dass sich die Bauern der Abstinenz verschrieben haben, sondern eben praktische Leute waren. Sie füllten ihren Wein aus den Fässern gleich in geeignete Gefässe wie Krüge u.s.w. Ab und konnten so den fest in die Flasche gepressten Korken umgehen.
Als Griffmaterial drängte sich Horn, meistens Kuhhorn, ein im bäuerlichen Alltag wohlbekanntes Material, geradezu auf. Nach der Erfindung der Vulkanfiber im Jahre 1859 fand auch dieses Material für Griffschalen Verwendung. ...
"

... und es gab "Bauernmesser" natürlich auch MIT Korkenzieher sowie mit anderen Funktionsteilen.

Grüße
cut
 
Danke, Cut,
hätte mir denken können, dass Dein Lexikothek weit über Solingen hinausreicht:super:
Nun habe ich über diesen Umweg sogar noch den Originaltext!

Gruß
Abu
 
Wirklich schöne klassische Taschenmesser, die Tuttlinger.

Wurden übrigens auch einst von Victorinox gebaut.

... kein Wunder, denn der Firmengründer hatte ja seine Lehre bei deutschen Messermachern in Tuttlingen gemacht und zumindest 1942 gab es eine ganz eindrucksvolle Auswahl an "Elsener" Bauernmessern:



cut
 
Moin Burghard,

auch wenn so manche Eigenheit, besser vielleicht Zuschreibung, gegenüber den Bauersleut zuweilen recht negativ konnotiert klingt, getreu dem Motto, "Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich!" zeigt sich hier, dass die Herrschaften einfach einen guten Sinn fürs Praktische hatten, wohl dem Umstand geschuldet, dass diese Messer in erster Linie wirkliche Werkzeuge waren.

An Deinen Exemplaren wird allerdings auch deutlich, dass dabei aber auch die Handwerkskunst und Optik nicht zu kurz kommen müssen. Genau aus dieser Mixtur sind zumindest meine Messerträume: Gutes Material, gekonnt zusammen gefügt, optisch und haptisch nicht nur bei der Verwendung angenehm und dabei Helfer in vielen Lebenslagen. Und sei es zum streicheln auf dem Sofa. :hehe:

Danke fürs Zeigen und viel Freude damit!

Gruß,

Nick
 
......I]"Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich!"[/I] zeigt sich hier, dass die Herrschaften einfach einen guten Sinn fürs Praktische hatten, wohl dem Umstand geschuldet, dass diese Messer in erster Linie wirkliche Werkzeuge waren.

An Deinen Exemplaren wird allerdings auch deutlich, dass dabei aber auch die Handwerkskunst und Optik nicht zu kurz kommen müssen.

.... es zum streicheln auf dem Sofa.

Nick

Hallo Nick,

Danke für Deinen netten Beitrag! Da antworte ich auch gleich mit einem Sprichwort der Sorben:
"Am Anfang der Welt gab es den Bauern, wo waren die Herren!"

Und hinter "Bauern" und "Herren" könnte man jeweils gleich "-Messer" dranhängen, denn das war auch da die Reihenfolge, vom Werkzeug zum schneidenden Edelschmuck. Womit wir vom Tuttlinger den Bogen gleich zum Laguiol spannen könnten, dessen Urvater ja auch ein Bauernmesser war.

Ich gebe ja zu, dass ich für beides, praktisch wie schick, ein Faible habe, aber streicheln..... :cupcake:
Dafür hast Du ja nun Deinen Nachwuchs, wenn ich mich nicht irre:super:

Gruß
Burghard
 
Ich gebe ja zu, dass ich für beides, praktisch wie schick, ein Faible habe, aber streicheln..... :cupcake:
Dafür hast Du ja nun Deinen Nachwuchs, wenn ich mich nicht irre:super:

Gruß
Burghard

Moin Burghard,

ach, hier läuft soviel Nachwuchs zum streicheln rum, da bin ich zuweilen über ein Streichelobjekt, dass keine Anweisungen gibt, ganz froh. :steirer:

Liebe Grüße,

Nick
 
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