Abu
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Werte Freunde schöner, alter Klappmesser,
zu den Solinger Klassikern, die alle Krisen überdauert haben, zählen ganz sicher die Jagdmesser oder, weiter gefasst, jagdliche Messer. Nun müssen Jagdmesser nicht alle Hirschhornbeschalung haben, aber typische Solinger Messer mit diesem Griffmaterial fasse ich hier mal so zusammen. Dabei ist auch die (vermeintlich?) HARTE NUSS.
GEBR. GRÄFRATH
Die Messer der Gebr. Gräfrath sind unter Sammlern beliebte Objekte, deshalb habe ich mich bisher da zurückgehalten. Nun besitze ich plötzlich drei, mit dem im Teil 1 gezeigten Stiefelmesser. Unterschiedlicher könnte das Trio aus der Angebotspalette kaum sein.
Dieser Winzling mit einer GL von 140 mm ist das "Westfälische Adelsmesser" in 1-teiliger Ausführung. Die Klinge ist aus korrodierendem C-Stahl, für mich deshalb Baujahr eher 50er als 60er Jahre.
Das gleiche Messer hat auch heute noch HUBERTUS im Programm. Was nicht verwundert, denn im Jahr 1961 haben RITTER/HUBERTUS die Manufaktur Gräfrath übernommen. Diese Vorgeschichte betrifft auch das folgende Messer.
Form und Merkmale sind bekannter Solinger Standard dieses Messertyps. Besonders markant ist der am Griffende liegende Hebel zum Lösen der arretierten Klinge. Für mich erstaunlich, wie sich dieser ergonomisch-haptische Widerspruch bis in die Neuzeit retten konnte. Das kantige Metallstück macht einen längeren Einsatz zur Tortur, Druckstellen am Handballen sind wahrscheinlich. Vielleicht geht es ja den Käufern und Nutzern so wie mir: Ich mag diese Messer einfach.
Und DIESES hat mich besonders überzeugt: leichtgängige Klinge beim Öffnen, mäßiger Daumendruck auf den Hebel, und die Klinge pendelt herab. Arretiert jedoch absolut fest, keine Wackler oder Spiel. Obwohl die Klinge wie so oft nicht mittig steht, ein handwerklich überzeugendes Produkt mit sehr schönen Hirschhornschalen. Dazu als Repräsentant deutscher Messer-Kultur ein sozialverträgliches Gebrauchsmesser, das aber wohl doch in der Sammelvitrine verbleiben wird. Fünfzig Jahre unbenutzt, das muss ich nicht mehr ändern.
Dieses Gräfrath mit GL 187/KL 82 mm hat bereits eine Klinge aus rostfreiem Material. Herstellung 60er Jahre, als die Gräfrather noch einige Zeit parallel zum Hubertus-Programm gefertigt wurden?
Wie gesagt "Solinger Standard", doch bevor Ihr ermüdet - es wird spannender!
BÖKER
Arretierung geht auch anders, verdeckt, anspruchsvoll und viel schöner. Das BÖKER hat eine sog. Federmesserdrücker-Funktion, durch Druck auf die kleine Klinge löst sich die arretierte Hauptklinge. Dieses wunderbare, recht große Messer (GL 215/KL 95 mm) weist dazu einige weitere, nicht sogleich ersichtliche Feinheiten auf. Die mittelspitze Klinge ist aus korrodierendem Stahl, Zustand und Schimmer lassen mich blaugepliestet vermuten.
Evtl. auch ein erster Hinweis auf ein älteres Baujahr. Zwei weitere finden sich in den Stempeln des Klingengangs und des Buttons im Griff.
Die Hauptklinge trägt nur den "Baum" auf dem rückseitigen Klingengang, die Federklinge nur die Firmierung auf der Vorderseite, der Button ist ohne Beschriftung!
Anlässlich des 140. Firmenjubiläums der Firma Böker hat ein Mr. Mark D. Zalesky in einem Artikel der "Knife World" mal versucht, Struktur in Stempel, Button sowie Zeiträume ihrer Verwendung zu bringen. Was für amerikanische Sammler gedacht war, könnte ja auch für uns nützlich sein - ich orientiere mich hier mal daran. Es muss nach seinen Angaben eine Heidenarbeit gewesen sein, denn es gab unzählige, auch immer mal ein sowohl-als-auch. Erschwert wurde seine Recherche auch durch die Zerstörung des Böker-Werkes während des 2. WK.
Mein BÖKER-Messer hatte danach ein anscheinend günstigeres Schicksal, denn es hätte die Kriegswirren unbeschadet, ja glänzend, überstanden. Nach der obigen Nomenklatur läge seine Herstellung nämlich vor dem 2. WK!!! Bei DEM ZUSTAND - ich mag es kaum glauben. Vielleicht werde ich von einem Experten hier im MF ja noch desillusioniert.....
FINDELKIND
Mein Appell: Experten herbei! Das erscheint bei dem folgenden SPRINGER wohl notwendig. Herkunft Solingen, so steht es gestempelt im Klingengang, dazu rostfrei. Vaterschaft unbekannt, kein Hinweis zu finden. Der Patronenzieher deutet auf Gräfrath/Hubertus, die ihn auch heute noch im Einsatz haben. Ein Kenner der Szene hat meine Vermutung bestätigt, ergänzte aber, dass gleiche auch von PUMA verbaut wurden. Ich hab HUBERTUS angeschrieben, Herr Ritter verneinte jedoch seine Manufaktur als Hersteller, wollte aber auch noch weiter recherchieren.
Insbesondere der Mechanismus war bisher allen unbekannt. An einen vermuteten Prototyp glaube ich nicht, denn das Messer lag bei einem Händler - oder jener hatte ein eigenes Modell. Wäre immerhin möglich, aber ein so komplexes Messer? Vierteiler, GL 200/KL 90mm.
Technisch, so scheint mir, war dieser Springer-Mechanismus ein konstruktiver Irrweg. Denn ein wesentlicher Vorteil ging verloren: die einhändige Bedienung /Öffnung der Klinge. Versucht man den Hebel einhändig per rechtem Daumen nach außen zu drücken, so blockiert dort unweigerlich die Handfläche. Einzige Möglichkeit: Griff mit einer Hand halten, Hebel mit der anderen lösen. Hinzu kommt, dass der Hebel einen ziemlich langen Arm bis zur Auslösung hat. Ich hoffe, das Bild kann es verdeutlichen.
Handwerklich ist das ein hervorragendes Messer, keine Spalte, stramme Federn, beste Verarbeitung. Schön, dass es in seinen Tagen trotzdem keinen Käufer gefunden hat - sonst wär's nicht bei mir.
Ich hoffe doch, dass die Experten dieses Forums diese harte Nuss knacken können.
Gruß
Abu
PS: Zur Vorgeschichte dieser Messer siehe Teil 1 des "Sesam, öffne dich...
zu den Solinger Klassikern, die alle Krisen überdauert haben, zählen ganz sicher die Jagdmesser oder, weiter gefasst, jagdliche Messer. Nun müssen Jagdmesser nicht alle Hirschhornbeschalung haben, aber typische Solinger Messer mit diesem Griffmaterial fasse ich hier mal so zusammen. Dabei ist auch die (vermeintlich?) HARTE NUSS.
GEBR. GRÄFRATH
Die Messer der Gebr. Gräfrath sind unter Sammlern beliebte Objekte, deshalb habe ich mich bisher da zurückgehalten. Nun besitze ich plötzlich drei, mit dem im Teil 1 gezeigten Stiefelmesser. Unterschiedlicher könnte das Trio aus der Angebotspalette kaum sein.
Dieser Winzling mit einer GL von 140 mm ist das "Westfälische Adelsmesser" in 1-teiliger Ausführung. Die Klinge ist aus korrodierendem C-Stahl, für mich deshalb Baujahr eher 50er als 60er Jahre.
Das gleiche Messer hat auch heute noch HUBERTUS im Programm. Was nicht verwundert, denn im Jahr 1961 haben RITTER/HUBERTUS die Manufaktur Gräfrath übernommen. Diese Vorgeschichte betrifft auch das folgende Messer.
Form und Merkmale sind bekannter Solinger Standard dieses Messertyps. Besonders markant ist der am Griffende liegende Hebel zum Lösen der arretierten Klinge. Für mich erstaunlich, wie sich dieser ergonomisch-haptische Widerspruch bis in die Neuzeit retten konnte. Das kantige Metallstück macht einen längeren Einsatz zur Tortur, Druckstellen am Handballen sind wahrscheinlich. Vielleicht geht es ja den Käufern und Nutzern so wie mir: Ich mag diese Messer einfach.
Und DIESES hat mich besonders überzeugt: leichtgängige Klinge beim Öffnen, mäßiger Daumendruck auf den Hebel, und die Klinge pendelt herab. Arretiert jedoch absolut fest, keine Wackler oder Spiel. Obwohl die Klinge wie so oft nicht mittig steht, ein handwerklich überzeugendes Produkt mit sehr schönen Hirschhornschalen. Dazu als Repräsentant deutscher Messer-Kultur ein sozialverträgliches Gebrauchsmesser, das aber wohl doch in der Sammelvitrine verbleiben wird. Fünfzig Jahre unbenutzt, das muss ich nicht mehr ändern.
Dieses Gräfrath mit GL 187/KL 82 mm hat bereits eine Klinge aus rostfreiem Material. Herstellung 60er Jahre, als die Gräfrather noch einige Zeit parallel zum Hubertus-Programm gefertigt wurden?
Wie gesagt "Solinger Standard", doch bevor Ihr ermüdet - es wird spannender!
BÖKER
Arretierung geht auch anders, verdeckt, anspruchsvoll und viel schöner. Das BÖKER hat eine sog. Federmesserdrücker-Funktion, durch Druck auf die kleine Klinge löst sich die arretierte Hauptklinge. Dieses wunderbare, recht große Messer (GL 215/KL 95 mm) weist dazu einige weitere, nicht sogleich ersichtliche Feinheiten auf. Die mittelspitze Klinge ist aus korrodierendem Stahl, Zustand und Schimmer lassen mich blaugepliestet vermuten.
Evtl. auch ein erster Hinweis auf ein älteres Baujahr. Zwei weitere finden sich in den Stempeln des Klingengangs und des Buttons im Griff.
Die Hauptklinge trägt nur den "Baum" auf dem rückseitigen Klingengang, die Federklinge nur die Firmierung auf der Vorderseite, der Button ist ohne Beschriftung!
Anlässlich des 140. Firmenjubiläums der Firma Böker hat ein Mr. Mark D. Zalesky in einem Artikel der "Knife World" mal versucht, Struktur in Stempel, Button sowie Zeiträume ihrer Verwendung zu bringen. Was für amerikanische Sammler gedacht war, könnte ja auch für uns nützlich sein - ich orientiere mich hier mal daran. Es muss nach seinen Angaben eine Heidenarbeit gewesen sein, denn es gab unzählige, auch immer mal ein sowohl-als-auch. Erschwert wurde seine Recherche auch durch die Zerstörung des Böker-Werkes während des 2. WK.
Mein BÖKER-Messer hatte danach ein anscheinend günstigeres Schicksal, denn es hätte die Kriegswirren unbeschadet, ja glänzend, überstanden. Nach der obigen Nomenklatur läge seine Herstellung nämlich vor dem 2. WK!!! Bei DEM ZUSTAND - ich mag es kaum glauben. Vielleicht werde ich von einem Experten hier im MF ja noch desillusioniert.....
FINDELKIND
Mein Appell: Experten herbei! Das erscheint bei dem folgenden SPRINGER wohl notwendig. Herkunft Solingen, so steht es gestempelt im Klingengang, dazu rostfrei. Vaterschaft unbekannt, kein Hinweis zu finden. Der Patronenzieher deutet auf Gräfrath/Hubertus, die ihn auch heute noch im Einsatz haben. Ein Kenner der Szene hat meine Vermutung bestätigt, ergänzte aber, dass gleiche auch von PUMA verbaut wurden. Ich hab HUBERTUS angeschrieben, Herr Ritter verneinte jedoch seine Manufaktur als Hersteller, wollte aber auch noch weiter recherchieren.
Insbesondere der Mechanismus war bisher allen unbekannt. An einen vermuteten Prototyp glaube ich nicht, denn das Messer lag bei einem Händler - oder jener hatte ein eigenes Modell. Wäre immerhin möglich, aber ein so komplexes Messer? Vierteiler, GL 200/KL 90mm.
Technisch, so scheint mir, war dieser Springer-Mechanismus ein konstruktiver Irrweg. Denn ein wesentlicher Vorteil ging verloren: die einhändige Bedienung /Öffnung der Klinge. Versucht man den Hebel einhändig per rechtem Daumen nach außen zu drücken, so blockiert dort unweigerlich die Handfläche. Einzige Möglichkeit: Griff mit einer Hand halten, Hebel mit der anderen lösen. Hinzu kommt, dass der Hebel einen ziemlich langen Arm bis zur Auslösung hat. Ich hoffe, das Bild kann es verdeutlichen.
Handwerklich ist das ein hervorragendes Messer, keine Spalte, stramme Federn, beste Verarbeitung. Schön, dass es in seinen Tagen trotzdem keinen Käufer gefunden hat - sonst wär's nicht bei mir.
Ich hoffe doch, dass die Experten dieses Forums diese harte Nuss knacken können.
Gruß
Abu
PS: Zur Vorgeschichte dieser Messer siehe Teil 1 des "Sesam, öffne dich...
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