Servus,
Zu Beginn erstmal ein herzliches Danke, an Gunther Löbach von Skorpio-Design dieses konstruktiv einzigartige Kochmesser testen zu dürfen, noch dazu als einer der Ersten.
Shapeshifter BYOCK ScorpioDesign
Nun, nach knapp zwei Wochen mit dem Byock gebe ich jetzt meinen Senf dazu ab. Meine Vorlieben für Kochmesser dürften bekannt sein, wer jetzt aber einen Vergleich mit dünnen japanischen Serienmessern oder ausgedünnten Einzelstücken erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Gunther Löbach hat ein clever konstruiertes und vor allem mechanisch funktionierendes Messer gebaut, dessen Zweck und die danach ausgerichteten Eigenschaften ich zu beurteilen versuche, ob mir das gelingt ist eine andere Frage. Von diesem Standpunkt aus halte ich einen Vergleich mit japanischen Kochmessern für wenig zielführend und lasse es deshalb sein.
Ein Reise (koch) Messer….
Wie wir wissen ist es Gunther schwer auf den Zeiger gegangen in Feriendomizilen und auf Reisen immer minderwertige und stumpfe Messer vorzufinden mit denen ergo nur sehr wenig anzufangen war. So musste eine Löbachsche Lösung her, das Byock.
Der Gedanke war wohl ein möglichst geringes Packmaß bei gleichzeitigem Transportschutz für Anwender und Klinge vor Verletzungen/Beschädigungen und dabei trotzdem ein vollwertiges und scharfes Kochmesser verfügbar zu haben. Das könnte man auch mit einem größeren Klappmesser realisieren ( was es ja auch gibt ), nur wäre das für einen Kopf wie Löbach zu simpel gewesen. Ein bissl was aussergewöhnliches musste es schon sein und das ist es auch geworden, wie man sehen kann.
Ich selber nutze auf Reisen und in Ferienwohnungen mein K-Sabatier 200/8. Die kompakte Größe, das geringe Gewicht und die mitgelieferte Lederscheide prädestinieren den kleinen Koch-Franzosen geradezu für diese Aufgabe.
Ich habe mal ein paar Größenverhältnisse auf Bildern dargestellt. Das Byock ohne Pouch hat das geringere Packmaß, aber etwas mehr Gewicht als mein 200/8, mit Pouch geht der Vorteil des „zusammenfaltens“ fast verloren. Dann mag es noch Trekker geben, die sehr auf Platzverbrauch und Gewicht bedacht sind, ich bin keiner, also kann ich die Eignung bei reduziertem Gepäck nicht wirklich beurteilen, aber vielleicht jemand der anderen Tester.
Die Mechanik…
Es ist eine nett bebilderte Anleitung dem Messer beigelegt, wo alle Schritte vom Transportzustand bis zum einsatzbereiten Kochmesser und wieder zurück erklärt werden. Sobald man verstanden hat, dass eine
rote Pfeilmarkierung zum Messer hinzeigend „drücken“ bedeutet und vom Messer wegzeigend „ziehen“, braucht’s nur mehr etwas Übung und der Wechsel zwischen Gebrauchsfähigkeit und Transportmodus vollzieht sich immer flotter. Hier ein kurzes
Video, damit man sehen kann, wie das in bewegten Bildern aussieht.
Ich empfehle vor dem ersten Zusammenbau ein Tuch auf den Tisch zu legen und darüber das Messer zu zerlegen und wieder zusammenzubauen, zumindest solange bis man routiniert genug ist, das jeder Handgriff sitzt und die Gefahr, das einem die Klinge aus den Händen rutscht und zu Boden knallt keine mehr ist.
Die Mechanik ist so simpel wie ausgeklügelt, alles klickt und klackt vertrauenserweckend und passgenau, wenn man die Griffsegmente an die Klinge clippt. Der Griff wird zum Rahmen der die Schneide und den Anwender zu gleichen Teilen schützt und die Länge des Messers um ca. 40% reduziert. Die Klinge hängt locker in den Griffteilen, die den Rahmen bilden, dabei hat die Schneide keinen Kontakt zum Griffmaterial. Ich würde das Byock in ein Leinentuch einschlagen und mit einem Gummiring fixieren, das erspart den Pouch und schützt das Messer bei kleinem Packmaß vor Kratzern falls wirklich einmal wenig Stauraum verfügbar sein sollte. Insgesamt ein pfiffiges System, dessen Reiz man sich nur schwer entziehen kann. Hier gibt es einen hohen Spielfaktor mit Eye-Catcherbonus gratis dazu, wer beim Nächsten größeren Picknick, einem Grillnachmittag oder einer Gastkoch-Session bei Freunden, das Ding aus dem Hut zaubert hat alle Aufmerksamkeit auf seiner Seite. Nur üben ist vorher angesagt, man will sich ja nicht blamieren und alle Handgriffe sollten flüssig, sicher und in einem Zug ausgeführt werden können.
Staunende Gesichter sind dann vorprogrammiert, ich hab vor dem Spiegel geübt um meiner Familie und Freunden das Messer zu präsentieren, war recht lässig…..
Das Handling…
Das Messer in einsatzbereitem Zustand zeigt einen markanten Unterschied zu einem herkömmlichen Kochmesser und das ist natürlich der Griff. Die Form und der langgezogene Griffrücken, der Konstruktionsbedingt weit in die Klinge hineinragt, bedarf für Pinch-Grip-Nutzer etwas Umgewöhnung, es greift sich einfach anders als gewohnt an, was an einem so ungewöhnlichem Messer ja nichts ungewöhnliches ist.
Ab hier kommen wie so oft bei Grifffragen die persönlichen Vorlieben ins Spiel, die einen werden es noch als gut funktionell beurteilen, andere werden anderes sagen. Ich sehe immer die Idee dahinter und die Aufgabe die es zu erfüllen gilt, von daher finde ich den Griff komfortabel genug um das Messer länger gut zu nützen.
Geometrie und Aufbau der Klinge…
Je länger ich mich mit dem Messer beschäftigt habe, desto mehr bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Aufbau und die Geometrie der Klinge kein reines Kochmesser sein will/soll/kann, sondern mehr ein universell brauchbares Messer für unterwegs, das durchaus eine härtere Gangart verträgt als man einem Kochmesser allgemeinen angedeihen lassen würde.
Die Schneidfase ist sauber und gleichmässig angeschliffen. Das geübte Auge kann die Solidität erkennen.
Ich habe die Klinge vermessen und das Ergebnis bestätigt meinen Eindruck. Die Klingenstärke ist jetzt nicht wirklich dicker gewählt als so manches Kochmesser das zu Hause im Block steckt, aber im Detail merkt man dann schon, wo und warum konstruktionsbedingt Wandstärke nötig ist. Der Klingenrücken beginnt bei
2,66mm, bleibt bis zur Mitte ziemlich gleich (
2,51mm) und endet bei
0,94mm. An den Stellen wo die Klinge den Griff aufnimmt ist Wandstärke nötig. Das trägt zur Stabilität des gesamten Messers bei, hat aber noch keinen wirklichen Einfluss auf die Schneidfähigkeit der Klinge. Erst wenn man die unteren 2/3 der Klinge vermisst kommt der Kompromiss zugunsten einer „robusten“ Konstruktion zum Tragen.
1mm über der Wate beginnt die Klinge bei
0,66mm nimmt zur Mitte hin etwas ab (
0,57mm) um dann in einer robusten Spitze zu enden (
1,30mm). Bereits
1cm über der Wate liegt die Materialstärke in Griffnähe bei
1,43mm zur Mitte hin
1,19mm und kurz vor der Spitze bei stattlichen
2,08mm. Damit kann man in Materialien herumpuhlen, die kein „normales“ Kochmesser überstehen würde. Für einen Druckschnitt ist die Geometrie nach meinem dafür halten nur bedingt geeignet, im Zugschnitt hingegen lässt sich alles zerteilen, von hartem Gemüse, was jetzt nicht gerade die Paradedisziplin darstellt, aber immerhin funktioniert, bis zu Speck und Krustenbrot. Wäre die Schneide und die Klingenspitze dünner ausgeschliffen, würde das zwar die Schneidfähigkeit verbessern, aber gleichzeitig das Risiko eines Ausbruches bei Sturz oder unsachgemäßer Handhabung deutlich erhöhen und zum Schneiden von hartem Brot und Speckrücken würde das Messer nicht mehr mit der gleichen Sorglosigkeit zu benutzen sein. Das bauchige Profil und die Geometrie der Klinge geben einen „wiegenden Zugschnitt“ eigentlich vor. Choppen wird damit wohl niemand wollen. Ich habe damit auch Nüsse, Bitterschokolade und Kerne ohne Scheu zerkleinert, da passiert nix. Wenn’s mein Messer wäre würde ich damit sogar Grillstöckchen anspitzen…
Daten und Fakten: (von Scorpio-Design übernommen)
Shapeshifter BYOCK (First Production Run)
Klinge: Niolox / SB1 (1.4153.03)
Griffsegmente: G10 Schwarz
Spacer und Achsen: Titan 6Al4V (Grade 5)
Schrauben / Pin: Rostträger Stahl (1.4301 / 1.4034)
Gleitscheiben: PTFE (Teflon)
Schneidenlänge: 17,5 cm
Klingenhöhe (max): 47 mm
Rückenstärke (max): 3,0 mm
Länge geöffnet: 30,0 cm
Länge geschlossen: 21,5 cm
Packmaß: 21,5 x 6,5 x 1,5 cm
Gewicht: ca. 190 g
Lieferumfang:
-Shapeshifter BYOCK
-Bedienungsanleitung (Deutsch/Englisch)
-Gepolsterte Cordura Zipper Pouch
-Zahlenschloss
-ScorpioDesign Fan Pack
Balancepunkt:
Fazit…..
Ich habe lange mit mir gerungen, wie und nach welchen Kriterien ich das Byock beurteilen soll. Soll die clevere Mechanik und die dahinter stehende Idee gesondert Beachtung finden. Soll wie bei allen anderen Kochmessern gnadenlos über die Schneidfähigkeit geurteilt werden? Soll nur der angedachte Einsatzzweck und die Tauglichkeit für diesen beurteilt werden. Oder das gesamte Messer in vollem Umfang und wenn ja, womit soll ich es dann vergleichen?
Das Byock hat aktuell ein Alleinstellungsmerkmal, mechanisch und konstruktiv funktioniert das Ding tadellos uns wird unter Freunden und Bekannten für Furore sorgen, weil’s irgendwie eine coole und lässig Sache ist, ein Kochmesser vor den Augen der Gäste aus der Sakkotasche zu fischen um dann die Teile gekonnt zusammenzuschieben und anzuclippen. Die Verarbeitung ist sorgfältig ausgeführt, ebenso das Finish. Sollte sich das Byock gut verkaufen, werden wohl optisch ansprechendere Griffmaterialien folgen. Als Anregung würde ich alternativ eine zweite Klinge mit feinerer Geometrie auf Wunsch anbieten, so wie Jürgen Schanz seine Standard oder Slim-Line-Reihe. Die robuster ausgeführte Klinge mit unverwüstlichem Griffmaterial für den Camper/Outdoorer oder Selbstversorgerreisenden, die feinere und schnittigere Ausgabe mit edlerem Griffmaterial für den gehobenen Hobbykoch/Picknicker und Kochmesserfreak, dem das Risiko und die Handhabung einer feineren Klinge klar ist und der auch auswärts nicht auf sein gewohntes Schneidgefühl verzichten möchte. Es kann nicht schaden, wenn die angesprochene Käuferschicht ein wenig freaky ist, mit einem Hang zu exaltierter Lebensführung, aber das brauch ich nicht extra zu erwähnen, oder.
Ich denke das wäre ein nettes Geschenk für einen anstehenden, runden Geburtstag oder überhaupt. Mal sehen ob mir Fortuna zugetan ist, wenn’s an die Verlosung geht.
Gruß, güNef