Shit happens. Gebrochene Angel - reparabel?

Tomcat II

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… aber kann man das reparieren, und, wenn ja, wer?

Beginnen wir ganz vorne – über Jahre hinweg kam bei mir das Messerhobby berufs- und familiär bedingt sehr zu kurz. Zumindest ein Teil meines Berufes erlaubt mir aber, mit Werkzeugen zu tun zu haben, und ich habe ein Faible für Werkzeug-Oldtimer.
Seit einem Vierteljahrhundert arbeite ich mit Stemmeisen der Firma Berg aus Eskilstuna, ich könnte da jetzt stundenlang weiterschreiben. Viele Eisen erreichten mich im halbtoten Zustand, mit ein wenig Zuwendung werden es wieder fantastische Werkzeuge, die ich gerne nutze.

Vor kurzem erreichte mich ein „Gral“ in geschundenem Zustand – offenbar stets ohne Rücksicht auf Verluste mit Eisenhammer getrieben und verbogen. Heft gespalten, teilweise lose, Klinge um ca. 3 Grad schief. Beim Ersetzen des Heftes wollte ich – sanft – die Angel etwas richten, bei anderen, kleineren Beiteln des gleichen Herstellers war das problemlos möglich, weil weich. Aber dann … sprechen wir nicht darüber, meine Dummheit tut eh schon weh. Siehe Bilder. Ich weiß.

Ich weiß auch genug über Metallurgie, um zu wissen, dass das, wenn eine Reparatur durch Schweißen überhaupt möglich ist, meine Fähigkeiten weit übersteigt.
Falls möglich : Wer schweißt soetwas? Körnig gebrochen, offenbar wurde die Angel hier mitgehärtet, schwedischer Kohlenstoffstahl …

Dieses Forum habe ich vor zehn Jahren als den Ort kennengelernt, wo Materialkunde und Handwerkskunst sich treffen, deswegen suche ich hier nach Hilfe.

Ich schreibe das in die Vintage-Knives, da der Beitel wohl doppelt so alt wie ich bin und ich hoffe, hier Reparaturerfahrene zu finden.
Es täte mir sehr Leid, wenn ich schuld daran wäre, dass er nicht noch älter wird.

Falls ich hier falsch bin, tut es mir Leid und ich bitte um Löschung.

mfg
Tct


 
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Ich (tm) würd damit zum Metallbauer/Sondermaschinenbauer ... um die Ecke gehen. Schweißen, planschleifen. Sicherheitshalber nen nassen Lappen um die Klinge oder sonstwie vermeiden , dass die Klinge zu warm wird. Wenn das eine - im positiven Sinn - "Bude" ist, wo man nicht für jeden Pups nen Prozess durchlaufen muss, machen die das mal so zwischendurch. Kostet irgendwas zwischen Rechnung und Kaffekasse. Wenn Du an Oldtimer bastelst, kennst keinen, der vernünftig Schweissen kann?

Pitter
 
Wie Pitter sagt, den Klingenbereich kühlen! Die Schweißstellen möglichst etwas vorwärmen! Liechte Fasen anschleifen vorher. Schutzgas wäre gut beim Schweißen.
 
Ergänzend zu dem was rocco26 schon gesagt hat:
den Klingenbereich kühlen!
Ich sach nur Kartoffel... (*1)

SZW für S/W-Verbindungen bzw. Pufferlagen verwenden. Zur Not für VA.
Nickelbasis wäre optimal aber wer hat das schon...

Wenn doch Elektroden verwendet werden vorher prüfen ob die Rückgetrocknet werden müssen (speziell bei basischen)

Löten bzw. MSG-Löten sollte an der Stelle eigentlich auch ausreichen...


(*1) kann zu Verfärbungen auf der Klinge führen, aber da nachher eh noch geschliffen wird...
 
Ich bedanke mich herzlich für Eure wertvollen Tipps, fürs Einordnen und vor allem Einnorden!

Ich war gestern Abend arg angeschossen, weil mir sowas eher selten passiert ... um so ärgerlicher, weil ich diesen Beitel lange gesucht hatte und mir meiner Sache sehr (zu) sicher war.

Ich kann selbst leidlich Schweißen (hält gut, ist aber nicht schön), traute mir gestern aber dann gar nix mehr zu. Aus Zeiten, als ich noch aktiv geschmiedet habe, hatte ich mir eine mentale Notiz abgelegt, dass Werkzeugstahl an Baustahl schweissen keine Glanzstunde für mich war (zu schnell ausgekühlt, versprödet...) , auch deshalb mein Zweifel.

An automobilen Oldtimern schraube ich übrigens nicht, nur an uralt-Werkzeugen, die bekomme ich gottseidank auch mit meinen schmalen Geldbeutel :)

Ich halte Euch auf dem Laufenden und bedanke mich nochmals für Eure Zeit und Eure wertvollen Tipps!

mfg
Tomcat
 
Die Schweisstemperatur liegt über der Härtetemperatur. So können sich unterschiedliche Gefüge im geschweissten Bereich bilden. Dabei entstehen Spannungen die gern zu einem Bruch neben der Schweissstelle führen. Deshalb habe ich alles was härten kann, großzügig angelassen.

Mit wenig Werkzeug und meinen begrenzten Fertigkeiten können die Vobereitungen viel Zeit kosten. Deshalb lasse ich solche Arbeiten gern von Fachkräften mit einer geeigneten Werkstatt erledigen.

Wenn doch Elektroden verwendet werden vorher prüfen ob die Rückgetrocknet werden müssen (speziell bei basischen)
Die Dinger würde ich gern erkennen. Kann ich das an der Beteichnung ablesen?
 
Alle Basischen Elektroden (B) müssen rückgetrocknet werden und aus dem Köcher verschweißt werden
Rutile (R) nur wenn sie gebadet wurden und
Celloloseumhüllte (C) dürfen normalerweise nicht Rückgetrocknet werden. Die nimmt man wenn man Unterwasser (aber bitte nur die Profis) oder bei Scheißwetter schweißen muss...

Hier wird es schön erklärt.

Warum überhaupt unterschiedliche Ummantelungen und wann nimmt man was?

C düfte klar sein. Schweißt keiner freiwillig, raucht wie hulle und ist auch sonst nicht einfach wird auch als Pipeline Elektrode bezeichnet,
z.B. PHOENIX CEL 70 (E 42 2 C 25).
R ist die am einfachsten zu verschweißende Elektrode für Anfänger z.B. Phönix BLAU (E 42 0 RC 11) und Grün (E 42 0 RR 1 2) werden auch gerne als Schosserelektroden bezeichnet
(RR doppeltrutilumhüllt also dickummantelt, gibt eine optisch schöne Schweißnaht))
B für alles was hochfest und hochlegiert werden soll. Neigen zu Wasserstoffindizierten Rissen wenn sie nicht Rückgetrocknete werden. Wird anders als normal meist am + Pol verschweißt !

Alles stark vereinfacht und zusammengefasst.

In Zweifel steht es auf der Verpackung oder im Datenblatt! (auch die Positionen die man damit schweißen kann)
 
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… danke für Deine Zusammenfassung! Eine weitgehend neue Welt für mich, da hilft so eine Orientierung sehr!
 
Gegen Portoübernahme mach ich dir das gerne.

kleine Edith - jau, ihr habt alle mit Allem recht. Aber, don´t overthink it. Ist ein Hoch-C-haltiger Stahl wahrscheinlich, den schweisst man mit Schutzgas ( also ordiänres MIG nach Schweissfugenvorbereitung), dann glüht man die Angel weich ( das is wichtich klar), achtet darauf dass die Klinge keine Wärme abbekommt, schleift es in Form und gut is - das ist Stahl, kein Meteor unserer Vorfahren.
Und du schreibst körnig, also normalisieren wir die Angel gleich 2 mal mit wenn wir eh dran sind.
Hoffe das Grobkorn ist nur Thema der Angel, sonst sollte man dat Ding mal komplett durch-Wärmebehandeln.
Ups, Edith kam ins Schwafeln..... Sorryyyyy
 
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Mathias, danke für Dein großzügiges Angebot! Ich kenne Deine Arbeit von vor meiner Zehnjahres-Messerabstinenz und bin mir sicher, dass mein Malheur bei Dir in guten Händen ist. Beim Porto belassen wir das aber nicht!
 
Alle Basischen Elektroden (B) müssen rückgetrocknet werden und aus dem Köcher verschweißt werden
Danke, das hilft.

Falls noch jemand Probleme mit basischen Elektroden hat:
Basischumhüllte Elektroden und solche, die Feuchtigkeit aufgenommen haben, müssen vor dem Verwenden rückgetrocknet werden. Dies geschieht in einem Elektrodenofen bei 300 bis 350°C für etwa zwei Stunden.
Rücktrocknen am Schmiedefeuer hat wunderbar funktioniert, der Backofen mit 200 ° hat nicht gereicht.
Das stammt von @uuups link Rücktrocknen von umhüllten Stabelektroden – ja oder nein? Home of welding . Da verbergensich hoffentlich noch mehr hilfreiche Artikel.
 
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Und nun ein ausführlicher Dank!

Sowas von gut!

Über Mathias' Arbeit sprechen seine Messer ja ohnehin mehr als 1000 Worte, was mich dann Mitte der Woche in der Post erwartete, zauberte dann aber dennoch ein sehr breites Grinsen auf mein Gesicht. Nicht nur, dass die Angel wieder "ganz ist", sondern Mathias hat sie quasi spurlos repariert und en passant gerade gerichtet sowie metallurgisch genau so eingestellt, wie man sich eigentlich so eine Angel wünschen würde.
Ganz großes Kino also.
Die Klinge steckt im new-old-stock-Heft und wird jetzt aufgearbeitet - und darf bald die ersten Zinken stemmen.

Herzlichen Dank Mathias!

 
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... die Klinge hat heute Nacht einen vor-österlichen Überschliff bekommen.
Das Business-End erhält noch einen neuen Anschliff, Richtung Hals und Krone bleiben aber die Spuren von früher -
schließlich will ich den Beitel ja nicht neu, sondern nur gut gebrauchsfertig machen.
Und wer hat's ermöglicht?
Der Siebenstern :)

 
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Einfach schön zu sehen, wie viel Liebe und Energie man doch in so ein tolles Werkzeug stecken kann.
Gerade in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft ist das Balsam für die Seele!
 
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