Solingen on steroids – Schnittigere/dünnere Alternative zu Wüsthof und Co.

TT-Arnold

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Hallo zusammen,

nach längerem stillen Mitlesen habe ich mich nun doch angemeldet, da ich zu meinem Problem keine wirklich zufriedenstellende Antowrt gefunden habe bzw. mir nicht ganz sicher bin, ob ich das Gelesene richtig interpretiere. Aber erstmal zu mir, zur Vorgeschichte und der eigentlichen Frage:

Ich bin leidenschaftlicher Hobbykoch, Mitte zwanzig und bisher überwiegend mit einem Messersammelsurium unterwegs, das eine Auswahl aus den ungenutzten Beständen von Bekannten und Verwandten darstellt.
Mein Hauptmesser ist ein Wüsthof Classic Kochmesser, welches außer fürs Schälen und für Brot, harte Früchte etc. für alles andere benutzt wird (90-95% der Zeit).
Das Messer wird mit Wetzstahl und Schleifsteinen scharf gehalten bzw. geschärft und hat mir bisher soweit gute Dienste erwiesen. Ich mag die grundsätzliche Form gerne, schneide viel im Wiegeschnitt. Mit einem Zwilling Santoku kam ich testweise schlechter klar, da steckte mir dauernd die Spitze im Brett (bzw. das Messer steht beim Wiegen halt vorne nur auf der Spitze, welche sich dann minimal ins Brett bohrt), was weder fürs Messer, noch fürs Brett sonderlich gesund sein dürfte, außerdem war mir das Santoku zu kurz.
Ansonsten kenne ich aus dem Gebrauch, neben irgendwelchen Billigmessern, hauptsächlich andere Solinger Standardware von Zwilling, Wüsthof etc. die ich immer mal wieder (meist in mäßig scharfem Zustand) während »Auswärtskochsessions« bei Freunden, Verwandten etc. in der Hand hatte. Die fand ich alle recht ähnlich und soweit ok, ein Kochmesser schnitt für mich immer wie ein Kochmesser, außer es war halt stumpf.
Bisher war ich also mit meinem Wüsthof durchaus zufrieden und habe keinen Gedanken daran gehabt, mir ein anderes Kochmesser zu beschaffen.

Vor einigen Wochen ist es dann aber passiert:
Ich war eigentlich wegen eines neuen Schneidebrettes mal interessehalber in einem Messerladen, welcher auf japanische Messer spezialisiert ist. Nach ein bisschen gucken war ich eigentlich schon fast wieder raus, als ein andere Kunde, der ein Nakiri suchte, zum Probeschneiden an den Tisch mit den obligatorischen Möhren trat:
Schon das Zugucken hat mich völlig überrascht, wie glatt, geräusch- und mühelos das Nakiri quasi durch die Möhre durchfiel. Ich durfte dann auch mal und war wirklich verblüfft, wie leicht und glatt das Messer schnitt. Daraufhin kramte ich natürlich in meinem Gedächtnis, wie sich Möhrenschneiden eigentlich mit meinem Messer anfühlt, wenn das gerade frisch vom Schleifstein kommt. Ohne auf eine Frage zu warten, legte der Verkäufer dann ausgerechnet ein Wüsthof Classic als Vergleich neben das Brett und das Schneidgefühl glich, nachdem ich vorher eine halbe Möhre mit dem Nakiri geschnitten hatte, eher einer Spaltaxt als einem Messer.

Der andere Kunde und ich haben dann noch eine halbe Stunde weiter Möhren mit verschiedenen Messern zerkleinert und das Wüsthof war mit Abstand das unspaßigste Werkzeug. Leider weiß ich nicht mehr, von welchem Hersteller das Nakiri und die anderen japanischen Messer im Test waren, lediglich ein Herder Santoku, genaue Serie weiß ich nicht, habe ich erkannt. Es war aber, außer dem Wüsthof, kein einziges klassisches Kochmesser dabei, die Form fand ich bei allen anderen Messer ungewohnt bis unangenehm, aber sie schnitten alle besser.

Dieser Besuch hat mich ganz schön ins Grübeln gebracht und ich habe seitdem beim Kochen doch genauer darauf geachtet, was auf meinem Schneidebrett eigentlich passiert. Mein Wüsthof verhält sich genauso wie das im Laden, das Schärfen macht anscheinend nicht den Unterschied, Möhren werden immer eher gespalten als geschnitten und es bedarf doch bei vielem Gemüse recht viel Kraft, auch wenn die Schnitte insgesamt alle ok sind und es nicht zu Quetschungen kommt (oder wenn, dann lässt sich das durch mehr schneiden und weniger drücken technisch korrigieren).

Nach allem, was ich hier im Forum und im sonstigen Netz so gelesen habe, scheint das Problem nicht die Schärfe, sondern die Geometrie der Klinge zu sein, sprich das Messer ist hinter der Schneidkante, egal wie glatt die poliert wird, schlicht zu dick.
Das sei auch ein bekanntes Problem dieses und ähnlicher Messer und scheint wohl in einer Mischung aus Herstellungs- bzw. Schleifprozess und Robustheitsüberlegungen begründet zu sein.


Damit stellt sich mir die Frage, was denn eine Alternative für ein Solinger Standardkochmesser wäre, die bei gleicher/sehr ähnlicher Grundform und damit Wiegeschnitttauglichkeit eine dünnere/feinere/schnittigere Geometrie aufweist, aber ähnlich universell und robust ist, möglichst rostfrei/rostträge?

Diese Frage wird an mehreren Stellen zwar tangiert, oft fehlten dann aber direkte Vergleiche zu mir bekannten Messern (das sind wenige, mir ist klar, dass es das schwierig macht). Deshalb möchte ich einerseits diese Frage hier offen in den Raum stellen, andererseits aber noch ausführen, welche vermeintlichen Alternativen ich bisher ermitteln konnte (unter anderem mithilfe der großartigen grafischen Übersicht von Schwatvogel):


1) Herder
Die scheinen verglichen mit der Konkurrenz aus der gleichen Stadt ihre Messer deutlich dünner auszulegen, das konnte ich bei dem Test im Messerladen auch an dem Santoku nachvollziehen.
Allerdings scheint es außer dem 1922 kein klassisches Kochmesser zu geben, die K Serie scheint eine andere Klingenform zu haben.
Das 1922, falls es noch zu bekommen ist, gibt es aber nur aus Carbonstahl. Damit habe ich noch keine Erfahrungen gemacht, es wäre damit aber wohl keine direkte »No-Brainer«-Alternative, ich müsste schon gucken, ob ich mit den Nachteilen des C-Stahls zurechtkomme.

2) MAC, Global etc.
Die MAC Professional Serie scheint mir fast ideal zu passen, rostfrei, dünn und zumindest nach den Onlinebildern eine ähnliche Klingenform. Ich konnte allerdings keine wirklich hilfreichen Vergleiche zwischen Wüsthof etc. und MAC finden.
Gleiches gilt für Global, da habe ich in deutschsprachigen Foren ohnehin wenig aussagekräftiges entdecken können und auch keinen überzeugende Vergleich zu Solinger Standardkram.
Bei allen weiteren europäischen Kochmessern aus japanischer Produktion (oder wie auch immer diese Gruppe zu benennen ist) fehlt mir der Überblick.

3) Sabatier
Scheint ebenfalls zu passen, zwar wohl etwas weicherer Stahl, aber besserer/schmalere Geometrie, auch wenn ich da bisher wenig Übersicht habe (das mit den verschiedenen Herstellern weiß ich). Allerdings scheinen hier die Carbonstahlvarianten deutlich besser als die rostfreien zu sein, insgesamt habe ich aber wenig direkte Vergleiche finden können, die mir weiterhalfen.

4) Mein Wüsthof ausdünnen lassen:
Nachdem ich das anfangs für ein ziemlich teures Unterfangen hielt, stellte sich heraus, dass das doch recht kostengünstig zu machen ist (z.B bei Herrn Schanz) und bei diversen Solinger »Spaltäxten« wohl auch ordentliche Verbesserung gebracht hat.
Hier ist es natürlich sehr schwierig einen Vergleich außer ein vorher/nachher zu ziehen.


Was ist eure Einschätzung zu den Alternativen und zur Frage im Allgemeinen?
Vielen Dank für eure Antworten schonmal im Voraus :)


P.S.: Falls ich was übersehen haben sollte und die Frage beantwortet wurde, täte mir das Leid und ich freute mich natürlich über Verweise.
 
Wirf mal einen Blick auf die Slim-Line-Serie von Jürgen Schanz. Ich habe vier Messerchen aus der Serie. Gehen durch die Möhren wie durch gute Butter :super:! Du kannst Jürgen bei einer eventuellen Bestellung bitten, alles Machbare rauszukitzeln.

Hier z.B. ein Gyuto ...

R'n'R
 
Moin,

4) am günstigsten und mMn zielführendsten, wenn du ansonsten mit der Formgebung und Haptik deines Messers zufrieden bist, wäre das Ausdünnen bei Jürgen Schanz. Du kannst ihm eine Mail mit deinen Wünschen schreiben (z.B. ausdünnen vom Rücken bis zur Schneide leicht ballig auf fast Null). Die Mail geht dann ausgedruckt mit dem Messer zu ihm auf die Reise. Das Ganze kostet meines Wissens ca. 25-30€ + Versandkosten.

3) Da kommt nur die K-Sabatier 200/8 Serie in Frage. Alle anderen französischen Kochmesser die ich kenne haben eine ähnlich dicke Geometrie wie die Standard-Solinger. Gibt es in 7“ und 10“:
https://www.sabatier-shop.com/kitch...egory_id=1&feature[5][]=639&product_order=new

2) Die Globals, die ich kenne, hatten keine besonders schneidfreudige Klingengeometrie. Ein MAC hatte ich noch nicht in der Hand, die waren mir immer zu teuer.

Ein heißer Kandidat was extreme Schneidfreudigkeit in Verbindung mit europäischem Griff und rostfreiem Stahl angeht ist sicherlich Ashi Hamono Ginga:
https://www.japanische-kochmesser.c...ecialsOnly=0&minimumPrice=14&maximumPrice=429

Preisleistungsmäßig gut finde ich noch Kanetsugu Pro M:
https://japanesechefsknife.com/coll...ugu-pro-m-series-gyuto-180mm-to-270mm-4-sizes

Erwähnenswert wäre noch das JCK Kagayaki CarboNext. Die Klingengeometrie ist nicht laserartig aber schon schneidfreudig (der Stahl bildet bei Korrosion lediglich wenig sichtbare helle/weiße Schlieren):
https://japanesechefsknife.com/coll...carbonext-series-gyuto-210mm-to-270mm-3-sizes

Auch noch relativ schneidfreudig aus japanischer Produktion wären die Zwilling...

Diplome:
https://www.knivesandtools.de/de/ct/zwilling-diplome-messer.htm

Kramer Euro Essential:
https://www.knivesandtools.de/de/ct/kramer-by-zwilling-euro-essential-messer.htm

1) Rostfrei mit Wiegeprofil kommt bei Herder nur das KChef in Frage:
https://messerkontor.de/produkt-kat...-serie-k/herder-windmuehle-kochmesser-k-chef/

Alternativen aus deutscher Fertigung wären:

Schanz:
https://www.schanz-shop.de/de/handgefertigte-messer/kochmesser/

Schanz‘ Serie für’s Messerkontor:
https://messerkontor.de/produkt-kat...messer-hersteller/juergen-schanz-deutschland/

Wasserkraft:
https://www.wasserkraft-messermanuf...15/schinkenmesser-wasserkraft-serie-anno-2015

Gruß,
Daniel
 
Besten Dank für die ausführliche Antwort, das bringt mich schonmal deutlich weiter.

Gerade die Einschätzung zu Global ist wertvoll, ich hatte die Globalmesser bisher deutlich besser vermutet, aber da scheint dann doch viel die Optik und breites Marketing hinter zu sein. Wie sehen das andere so?

Das Herder K Chef sieht für mich auf den Bildern immer etwas eigenartig aus (das Messer scheint insgesamt (Klinge und Griff) leicht konvex zu sein, als quasi wie ein Krummsäbel)), außerdem sorgt die Kombination aus Preis und gestanzter Fertigung bei mir irgendwie für Fragezeichen, auch wenn die Fertigungsmethode an sich natürlich nicht sehr aussagekräftig ist. Da werde ich ums Anfassen/Ausprobieren auch nicht drum herumkommen. Gibt es da Erfahrungswerte/Vergleiche zu »klassischeren/konservativeren« Kochmessern?

Ich werde wohl schlicht mal einen großen Messertestausflug machen müssen, viele verschiedene Sachen in die Hand nehmen und idealerweise Probeschneiden und dann schauen, ob ich mein Wüsthof umarbeiten lasse oder etwas Neues her darf.

Das scheint sich ja bei MAC & Sabatier eher schwierig zu gestalten. Ich habe da bisher nichts gefunden, gibt es im Großraum Köln (bis Dortmund wäre vielleicht noch akzeptabel) eine Möglichkeit, die zu besichtigen?


Noch was anderes:
Ich habe beim Recherchieren auf der Wüsthof-Website gerade erstaunt festgestellt, dass es aus der Classic-Serie drei Kochmesserfamilien gibt, die 4581, die 4582 und die 4584.
Ich habe und kannte bisher nur das 4582, das Standardkochmesser. 4584 hat eine höhere Klinge und das 4581 hat einen Halbkropf und ist angeblich dünner, hat die schonmal jemand in den Händen gehabt?
Natürlich wäre dünnschleifen lassen bei Herrn Schanz sowohl günstiger (da ein 4582 ja schon vorhanden ist) als auch besser, aber das interessiert mich dann doch.

Vielen Dank schonmal bis hierhin und gerne weitere Vorschläge :)
 
Ich war vorhin dann einfach nochmal in dem Messerladen, in dem ich mein »Erweckungserlebnis« hatte (das ist hier vor Ort der einzige, alles andere würde längere Fahrten in Anspruch nehmen) und habe ein bisschen probiert. Dabei hatte ich mein Wüsthof als Vergleich mit.

Am besten gefallen hat mir ein Tojiro DP 3 Lagen HQ in der 24cm Version, das ich mit ~150€ auch noch bezahlbar finde. Allerdings wäre das Umschleifen lassen meines Messers durch Herrn Schanz ja die weitaus günstigere Variante.

Gibt es da Vergleichserfahrungen? Was taugt ein Schanz-getuntes Solinger Messer im Vergleich zu dem Tojiro oder vergleichbarem?

Ich würde mal vermuten, dass in jedem Fall die Standzeit/Schnitthaltigkeit aufgrund des weicheren Stahls geringer sein dürfte (dafür ist es vielleicht besser nachzuschärfen), aber lässt sich ein Wüsthof Classic überhaupt auf eine vernünftige Geometrie bringen?
Im Werkszustand liegen solche Welten zwischen den Messern, dass meine Vorstellungskraft ein bisschen an ihre Grenzen stößt, was ein Umschleifen für 30€ anbelangt.
 
Servus,

lässt sich ein Wüsthof Classic überhaupt auf eine vernünftige Geometrie bringen?

aus jede Klinge die genügend Substanz aufweist lässt sich eine Geometrie schleifen, die jedes Serienmesser in den Schatten stellt, wenn der Schleifer weiß was er tut. ;)

Jürgen Schanz hat schon 100erte Messer dünngeschliffen, dass Ergebnis war geometrisch immer besser als das Ausgangsprodukt, was bei einem fetten Güde auch nicht weiter verwundert. Leichter geschnitten haben sie dann alle.;)

Gruß, güNef
 
Diese Serie von Tojiro ist nicht schlecht, aber besonders dünn geschliffen sind die Messer nicht gerade. Vor ein paar Jahren waren die noch ein Schnäppchen für ~60€.
Für ein Massenprodukt mit VG10 Stahl und ziemlich gewöhnlicher Optik und Verarbeitung würde ich persönlich nicht 150€ ausgeben, außer es muss ein Messer sein das man im Laden begutachten kann.

Gruß,Froghunter
 
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