Spitzerl vs. Flacherl/Flachangel

rockwell

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Hallo Leute

Da ich daran denke, mir noch mal ein Messer machen zu lassen, beschäftigen mich z. Zt. zwei Dinge. Zum einen würde ich gerne einen Erl bevorzugen, der vom Griffmaterial vollständig umschlossen ist, kenne jedoch Behauptungen von Fachleuten, die aussagen, dass dies letztendlich hinsichtlich der Stabilität immer ein Problem mit sich bringt. D. h. es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich da etwas lockert. Mit meinen Messern dieser Bauart hatte ich noch keine Probleme, vielleicht habe ich sie aber auch noch nicht zu sehr beansprucht. Doch auch mit dem neuen Messer beabsichtige ich nicht, Autobleche zu durchstoßen, allerdings bleibt eben beim Spitzerl auch bei mir irgendwie ein Restzweifel. Könnte man sagen, dass ein Messer mit Spitzangel auch nicht weniger robust ist, wenn es gut gemacht ist, als eines mit Flachangel, oder hat letzteres hier tatsächlich entscheidende Vorteile?

Zum anderen die Frage, wie hoch das Risiko ist, dass nicht rostfreier/-träger Stahl am Erl (also unter dem Griff ) rosten kann.

Kann mir jemand die Zweifel nehmen? Bin eh schon skeptisch genug, da es mein erstes Nicht-Rostfreies werden soll. Die zahlreichen Beiträge hier für den Carbonstahl haben mich jedoch neugierig gemacht.
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

Unterm Erl wird wohl kaum was rosten da die Lücke meist mit Epoxy aufgefüllt ist.
Ich glaube schon, dass eine Flachangel mehr aushält als ein Steckerl.
Aber im normalen Outdoorgebrauch wird da nix kaputtgehen, wahrscheinlich auch nicht wenn du das Messer hart rannimmst.
mfg
Moritz
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

Hallo Rockwell,

Carbonstahl, gute Wahl!

Röhrer hat Recht mit dem Epoxid. Es härtet schwundfrei aus und gibt der Feuchtigkeit keine Chance.

Zur Belastbarkeit hier eine kleine Geschichte:

Im letzten Jahr wahr ich einen Abend zum Ansitz auf Schwarzwild eingeladen. Ich bekam eine Kanzel zugewiesen deren Einstieg über eine "Falltür" von unten möglich war.
Rein in die Kanzel und gut. Nach einigen Stunden Ansitz ohne Anblick entschied ich mich die Kanzel zu verlassen und zum Treffpunkt zurückzufahren. Ich wollte die Falltür anheben, .... und nix ging.
Das Ding hatte sich selbstständig verriegelt. 6 m Sitzhöhe war mir zunächst zu hoch um 'rauszuklettern, also habe ich versucht mit meinem Jagdmesser (Stienendamast, selbstgemacht, Steckerl), die Falltür aufzuhebeln. Ich habe geschuftet und geackert wie ein Berserker, habe mit beiden Händen und meinem ganzen Gewicht (ca. 85 Kg) auf dem Griff gelegen und gewippt. Ich war wirklich soweit, dass es mir egal war, ob das Messer etwas abbekommt.
Es ging nicht. Bin dann rückwärts aus einem Fenster gekrabbelt und an einer Seitenstrebe 'runtergeklettert. Das Messer hat diese grobe Mißhandlung klaglos überstanden.

Nein, es ist kein Jägerlatein, sondern wirklich so passiert.
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

Also danke schon mal für die beiden Antworten, bin jetzt doch beruhigter. Hatte noch vergessen, die Klingenmaße anzugeben, da die Größe des Messers auch eine Rolle spielen könnte: Klingenlänge 24 cm, Breite 4 cm, Dicke 4 mm.

Im Nachhinein betrachtet dürfte es jedoch dann von nicht zu großer Bedeutung sein.

Eines fällt mir noch ein: Reicht es aus, wenn eine Griffabschlusskappe auf das Erlgewinde geschraubt wird oder sollte zusätzlich noch durch Schrauben oder Nieten seitlich gesichert werden? Ich frage nur deshalb, weil meine Messer mit Spitzerl sämtliche Varianten aufweisen. Einige sind mit seitlichen Schrauben gesichert ohne Abschluss, eines hat eine Kappe sowie zusätzliche Schraubenbefestigung und einige kommen ganz ohne Griffkappe und Schrauben aus. Bei diesen scheinen die Griffe nur aufgeschoben und verklebt, und selbst mit denen hatte ich noch keine Probleme.
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

Hallo rockwell,

Deine Frage hat schon viele Messerfreunde und - benützer bewegt.

Ich gehe davon aus, dass wir ein Messer bei seiner Beurteilung "nur" als Schneidwerkzeug sehen.

Spitzerl:
Übermäßige Griffbelastung rund um die Mittelachse von Klinge und Steckerl vermeiden, dabei ist es gleichgültig ob er endig fixiert oder 2/3 der Klingenlänge eingeklebt ist. Das Griffmaterial muss allerdings entsprechend gepflegt sein, dass durch quellen, reißen eine Feuchtigkeitsverformung ausgeschlossen ist.
Der Vorteil des Spitzerls, wenn die Zwinge dicht sitzt ist, dass Rost förderndes und Griff schädigendes nicht eindringen kann.

Flacherl:
Die Angriffspunkte bei einem Flacherl mit einer Holzbeschalung sind ungleich größer bei unsachgemäßer Pflege oder gar ungeeignetem Einsatz. Auch könnte hier Rost eher ein Thema werden.

Aus meiner Erfahrung zugestehe ich jedem Messertyp bei geeigneter Pflege gleiche Lebensdauer und Zuverlässigkeit.
Sind die Messer von Geburt her gut, lassen sie sich auch mal in Notlagen in Grenzbereiche bringen und überleben es. (Siehe Beitrag von robbytobby.)

Wohlgemerkt, ich spreche nicht von Haumesser, Macheten oder anderen Spezialitäten .

Gutes Wochenende, Servus - Reinhold.
 
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Nochmal,

wenn die Erle satt verklebt, vernietet oder gar mit Abschlusskappe verschraubt sind, bist Du immer auf der sicheren Seite.

Was glauben wir, wie viel Zig-Tausend so oder ähnlich verarbeitete Messer in oft unwirtlichen Situationen ihren Macher und Nützer ehren?

Nur ein Quäntchen Pflege und sie danken es uns.
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

flacherl einfach zu bauen.

steckerl schwierig zu bauen.
da es nicht einfach ist, dass die klinke 100% in der flucht ist.
zweitens ist es aufwendig die zwinge zur klinge hin spielfrei anzufertigen. ein steckerl verzeiht keine fehler.

zu rost und stabilität ist es wie reinhold vögele schreibt.
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

Wayne Goddard bezeichnet in deinem Buch "The $50 Knife Shop" einen Spitzerl mit Verschraubung am Ende als "maximum strength handle construction" (S.66)

Goddard schrieb:
"That's why it's my opinion, when properly constructed, the narrow tang is the strongest and most fool-proof handle."

Der große Meister ist dieser Meinung und traut, wie er im weiteren Verlauf schreibt, den (richtig gemachten) Spitzerlen mehr zu als Flacherlen.

Katana, Khukuris, Schwerter, Saxe und ein großer Teil aller anderen traditionellen Messer und Klingen, die extreme Belastungen aushalten mußten (und müssen) sind Spitzerle und manchmal gar nur Steckerle (in Japan habe ich beispielsweise einige Tanto gesehen, die einen extrem kurzen Erl hatten, vielleicht nur 3-4cm).

Also, wenn du nichts grob falsch machst, bist du auch mit Spitzerlen auf der sicheren Seite.

Ookami
 
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Hallo Reinhold

Danke auch für deine Info, allerdings steht diese – jedenfalls deute ich es so - in gewissem Gegensatz zu den Meinungen von Moritz und Robert und lässt mich jetzt erneut zweifeln. Selbst wenn ich hauptsächlich mit dem Messer schneiden werde, wird es bei dieser Größenordnung auch für leichte Schläge herhalten müssen. Diese Aufgabe sehe ich noch nicht als „Spezialität“ an.


Wenn übermäßige Griffbelastung um die Mittelachse vermieden werden sollte, spricht dies nicht gerade für den Spitzerl. Was heißt "übermäßig", und wie sollte man damit umgehen, in diesem ja hauptsächlich beanspruchten Bereich äußerste Vorsicht walten zu lassen? Zudem scheint ja eine Vielzahl an Griffmaterialien für diese Ausführung ungeeignet, und dieser Tatsache muss unbedingt Rechnung getragen werden.

Auch die Flachangel scheint nicht optimal, dies gilt umso mehr für Carbonstahl. Welche Pflege sollte man einem solchen Messer angedeihen lassen und was wäre in deinen Augen ein ungeeigneter Einsatz?

Welche Alternative bietet sich an? Ganzstahlkonstruktion mit Lederwicklung? Abschraubbare Micartaschalen an Vollintegralmesser?

Möglicherweise gibt´s noch ´ne weitere Meinung, im Moment bin ich ein wenig ratlos.
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

Richtig gemacht sind beide Erlformen problemlos. Wenn man sieht, wie die Norweger mit kurzen Spitzerlen arbeiten und nichts kaputt geht, beruhigt das doch ganz schön. Eine weitere Überlegung: Wer kann einen 6 mm Nagel durch bloßen Schneiddruck verbiegen?
Ein ausreichend langer und etwas gekrümmter Spitzerl kann sich auch nicht verdrehen und im Griffstück lockern.
Probleme entstehen nur, wenn man es zu gut machen will und dabei das Nachdenken und die Physik vergißt. Wer also den Übergang zwischen Erl und Klinge nicht ausrundet, sondern scharfkantig rechtwinklig macht, damit die Klinge besonders "sauber" eingepasst werden kann, schafft eine -genauer zwei- Sollbruchstelle durch die entstehenden Kerbspannungsspitzen.
Das gilt auch für den Flacherl und zwar gerade dort, wo man am wenigsten daran denkt: Die Integralklinge mit Schwalbenschwanz ist die mit Abstand schwerste und nach dem rechtwinklig abgesetzten Spitzerl die schwächste Form, da auch hier im Schwalbenschwanz Spannungsspitzen auftreten. Der wunderbare Werkstoff Stahl verträgt das in der Regel.
MfG U. Gerfin
 
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Ich glaube du machst dir zu viele Gedanken. Wenn beides gut und sauber gemacht ist, hält auch beides viel aus. Das mit dem Rost am Flacherl halte ich für das gleiche Gerücht wie ultraschnell wegrostende "nicht-rostfreie-Messer". Man muss sein Werkzeug halt ein bissel pflegen, dann hälts auch.

Wenn man jedoch Spitzerl nicht gut angepasst ist , würde ich dann Flachangel bevorzugen.

Wie man auf den Bildern sehen kann, sollten auch ein Flacherl, bzw. die Griffschalen, sauber angepasst werden.

Ich habe mir mal ein Messer gebaut, das einen 6cm Erl hat. Habe damit viel gehackt und Holz gespalten (mit nem Knüppel drauf geschlagen) ohne dass sich etwas gelockert hat. Der Erl ist sauber eingepasst, mit Epoxy verklebt und vernietet.

http://outdoors-magazine.com/s_article.php?id_article=35

Schau dir das hier mal an, das woomit der gute Mann das Holz spaltet ist auch ein Spitzerl.
Schönen Abend noch!

Ciao, Bast
 
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Hallo nochmal,

jetzt kommt jeder und äußert Dies und Das. Und es hilft dann nicht viel.

Halte dir doch einfach vor Augen, dass in den Zeiten, in denen Messer, Dolche und Schwerter so richtig wirklich auch im Kampf benutzt wurden ein Flacherl nicht viele Anhänger gefunden hätte. Weder in Europa, noch in Japan.
Im Messermagazin war vor einigen Monaten einmal ein Beitrag über 2 deutsche Messermacher, die in so einer Art Tutorial ein Tanto gefertigt haben. Die Klinge lief nach historischem Vorbild in einen Flacherl aus, der lediglich durch einen herausnehmbaren Holzpin gesichert wurde. Also noch nicht einmal Kleber! So ein Tanto war bestimmt nicht als Frühstücksmesser gedacht. Im Zweifel musste man sich einfach darauf verlassen können. Und das waren wahrscheinlich höhere Anforderungen als wir sie heute an Messer stellen.

In der Stienen-Schmiede habe ich auch Schwertklingen - nach historischem Vorbild rekonstruiert - gesehen. Rate mal, welchen Erl sie hatten. .................. Richtig! Steckerl.

Es gibt einen begnadeten französischen Messermacher namens Daniel Vally. Er ist gleichzeitig Bogenjäger und hält sich desöfteren in Kanada auf. Er jagt auch Bären. Klingenlängen von deutlich mehr als 20 cm und Klingenstärken ab 6 mm aufwärts sind bei ihm keine Seltenheit. Ich habe denn Vorzug, viele seiner Messer schon in der Hand gehalten zu haben. Schau Dir mal an, welchen Erl er bei schweren Messern oft einsetzt, und zwar hier: http://www.archasse.com/forum/index.php?act=ST&f=11&t=12050

Da kannst du auf beinahe 50 Seiten hervorragende Arbeiten sehen.
Wenn keine Nieten zu sehen sind, kannst Du von einem Steckerl ausgehen.

Für mich ist der Flacherl einfach die "billigere" Variante.
 
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AW: Spitzerl vs. Flachangel

Also ein herzliches Dankeschön für die aufschlussreichen Antworten.

Hatte anfangs überlegt, ob ich die Frage überhaupt stellen soll und bin jetzt sehr froh, es getan zu haben. Habt mir sehr geholfen. Bin beruhigt und bleibe dann beim Spitzerl mit verschraubtem Abschluss.
 
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...ein weiterer, bisher nicht genannter vorteil von steckerlen ist, dass du nur holz(oder horn oder wasweißich) in der hand hast. wenn du dein messer im winter ohne handschuhe ziehst, ist das nicht zu verachten...
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

flacherl einfach zu bauen.
steckerl schwierig zu bauen.
da es nicht einfach ist, dass die klinke 100% in der flucht ist.
zweitens ist es aufwendig die zwinge zur klinge hin spielfrei anzufertigen.

Stimmt so, nur finde ich es bei etwas stärker konturierterer Grifform bedeutend schwerer, den sichtbaren Griffteil beim Flacherl sauber zu finishen. Ich meine damit z.B. das Satinieren in Längsrichtung von Radien.
Quer geht das mit einem Bandschleifer wie`s Katzenmachen. Längs ist es zumindest bei harten Stählen schwer.

Ab und zu kann das durchaus zur Qual werden.

Ansonsten traue ich beiden Konstruktionen gleichviel zu.

Stefan
 
AW: Spitzerl vs. Flachangel

"I´m still confused, but now on a higher level."

So ist es zwar nicht, für mich ist es jedoch nach wie vor - man verzeihe mir meine technische Unkenntnis - nicht ohne weiteres verständlich, dass ein Flacherl tatsächlich nicht wesentlich stabiler als ein Spitzerl ist. Denn was sollte an einer Flachangel passieren, während bei jeder Schlagbewegung der Spitzerl und das ihn umgebende Material - wie soll ich sagen - in seinem Zusammenhalt strapaziert wird und demnach es tatsächlich nur eine Frage der Zeit ist, bis sich etwas lockert.

Allerdings, ich vertraue in diesem Fall blindlings den Fachleuten und nehme deren Aussagen erstaunt zur Kenntnis, ohne Ergeiz, es unbedingt verstehen zu müssen.
 
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Flacherl vs. Steckerl

N`Abend zusammen!
Ein Thema wollte ich schon lange einmal ansprechen. Und zwar den immensen Materialverbrauch bei Flachangelmessern.
Die Galerie wimmelt in letzter Zeit geradezu von wunderschönen, großartig gemachten Messern.
Aber wird nicht bei Flachangel zuviel Werkstoff verschenkt?
Bei Monostahl ist das vielleicht eher nebensächlich aber bei Damast, wenn man vielleicht viel Geld oder Schmiedezeit in das Mat investiert hat, ist es doch schade das unter dem Griff zu verstecken.
Ich hoffe meine Argumentation wird nicht als Federhandschuh aufgefasst.
Es geht mir nicht darum die Leistung eines Machers herabzuwürdigen aber zeichnet den kundigen Handwerker nicht auch ein sparsamer Materialeinsatz aus?
In früheren Zeiten waren die Flachangeln (wenn sie denn verwendet wurden) sehr flach geschmiedet zur Matersparnis.
Wäre das heute angesichts schwindender Ressourcen nicht auch angebracht zu überlegen?
mfG. hartzahn
 
AW: Flacherl vs. Steckerl

Hallo Hartzahn,

Du stelltst hier die Ressource "Stahl" sehr stark in den Vordergrund.
Daneben gibt es aber viele andere Ressourcen:

  • Holz,
  • Elfenbein,
  • Edelmetalle,
  • etc.

Teilweise sind die Zutaten teurer, als der verwendete Stahl.

Und dann kommt der Faktor Arbeit dazu. Er ist mit Abstand der Teuerste. Der Stahl geht dann in der Gesamtkalkulation unter.

Ob das richtig ist, oder nicht, kann ich nicht beurteilen.
 
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