Taperedtang
Premium Mitglied
- Beiträge
- 1.190
Hallo,
wie angekündigt, habe ich einen Vergleichstest mit meinen beiden Outdoor Messern 12C27 und 14C28N durchgeführt. Gleich zu Beginn möchte ich feststellen, dass dieser Test nicht unter wissenschaftlichen Bedingungen durchgeführt wurde und nur meine subjektiven Erfahrungen widerspiegelt.
Um was geht es mir bei diesem Test? Es geht nicht nur um die Messer selbst, sondern auch wesentlich um den verwendeten Stahl. Für mich war es wichtig festzustellen, wie unterscheiden sich die beiden Stähle im Outdoor Einsatz, gibt es besondere Stärken oder Schwächen der beiden Stähle hierbei?
Folgendes wurde betrachtet: Sind die Stähle (Messer) grundsätzlich für Outdoor Aufgaben geeignet? Ist die Schneidkantenstabilität im Rahmen der von mir vorgegebenen Geometrie ausreichend (Neigt der Stahl unter Belastung zu Ausbrüchen? Wie gut ist grundsätzlich die Schneidhaltigkeit (dies wird kein Test bei dem ich stundenlang Holz, Leder oder Sonstiges schneiden werde, es geht hier vielmehr um die kurzfristige Schneidhaltigkeit, bei mehr oder weniger schwierigen Aufgaben)? Gibt es Anwendungen bei denen der Stahl (Messer) im Outdoor Einsatz versagt?
Zur Erinnerung noch einmal die Zusammensetzung der Stähle 14C28N und 12C27:
14C28N:
C: 0,62, Si: 0,2, Mn: 0,6, P: max. 0,025, S: max. 0,010, Cr: 14 N: 0,11
12C27:
C: 0,6, Si: 0,4; Mn: 0,4, P: max. 0,030, S: max. 0,010, Cr: 13,5
Die Legierungen ähneln sich sehr, der wesentliche Unterschied ist der Anteil an Stickstoff beim 14C28N, der dem 12C27 fehlt. Stickstoff verbessert u. a. die Korrosionsbeständigkeit. Beide Stähle sind sehr rostträge, zäh und nehmen eine sehr gute Schärfe an, bringen also beste Voraussetzungen für ein Outdoor Messer mit.
Was muss ein Outdoor Messer können? Aus meiner Sicht sind die folgenden Themen als Mindestanforderung zu betrachten:
- Holzbearbeitung zum Bau eines Unterschlupfs
- Holzbearbeitung zur Vorbereitung eines Feuers (sollte kein geeignetes Werkzeug zum Holzspalten zur Verfügung stehen, auch Batoning, sowie z. B. Nutzung eines Magnesiumsstabs oder ähnliche Aufgaben)
- Verarbeitung von Nahrungsmitteln jeglicher Art
Die Maße und weitere Daten zu den Messern, bitte ich den Berichten zu den Messern zu entnehmen (habe ich ganz oben verlinkt).
Vorbereitung der Messer für den Test:
Ich habe bei beide Klingen mit der Tormek T4 einen Schneidenwinkel von gesamt ca. 30° angelegt (vielen Dank nochmal an @Hofi mit seiner Tormek App zur Winkelbestimmung und seiner „Winkelmessschablone“ hat er mir sehr geholfen). Die Klingen wurden bis Korn 1000 geschliffen und abschließend mit dem Leder und Sic Paste abgezogen. Die Stärke der Klinge 1 mm hinter der Wate beträgt bei beiden Messern 0,5 mm. Die Klingenhöhe (ca. max. 30 mm) und Stärke der Klingen (4 mm am Klingenrücken) ist bei beiden Messern annähernd identisch. Mit beiden Messern war es möglich in ein frei gehaltenes Stück Zeitungspapier Kurven zu schneiden. Arm- bzw. Beinhaare sprangen vor Angst fast von alleine weg. Sollte diese Schneidengeometrie beim Test versagen, werde ich den Schneidenwinkel auf 36° oder höher umschleifen.
Die Testergebnisse:
Zu 1. Zur „Beschaffung“ von Holz für einen Unterschlupf, habe ich mit jedem Messer drei ca. 5 cm – 10 cm starke Äste aus Holz von einem relativ frischen Windbruch durchgehackt, was mit keinem der beiden Messer ein Problem darstellte, die Holzspäne flogen nur so! Danach waren beide Messer noch Rasur scharf! Ich gehe davon aus, dass der Bau eines Unterschlupfs mit beiden Messern ohne nachzuschärfen möglich ist.
Ergänzend wurden mit jedem Messer noch 3 Heringe aus trockenem Haselnussholz geschnitzt. Das Schnitzen von Heringen für ein Zelt oder eine Plane machte Spaß und war problemlos möglich. Sicherlich hätte das Ganze mit einer dünneren Klinge noch mehr Freude gemacht, aber die sehr gute Schärfe der Messer hat das, zumindest zum Teil, wett gemacht. Bis jetzt war für mich kein Unterschied bei der Schneidleistung festzustellen. Das 12C27 mit dem Griff aus Padouk lag minimal angenehmer in der Hand. Es fühlte sich etwas wärmer, griffiger und besser an, wobei sich das 14C28N mit dem Griff aus Micarta auch gut anfühlte. Ein Schärfeverlust war nach dem Schnitzen bei keinem der beiden Messer festzustellen.
Zu 2. Das Spalten von Holz wurde an einem trockenen Buchenholzscheit getestet. Auch diese Aufgabe wurde von beiden Messern ohne Schwierigkeiten bewältigt und hatte keine Auswirkung auf die Schärfe der Messer. Die Klingen habe ich durch Schläge mit einem abgebrochenen Axtstiel durch den Holzscheit getrieben. Durch den 4 mm breiten Klingenrücken war die Spaltwirkung gut. Aufgrund der identischen Klingengeometrie waren keinerlei Leistungsunterschiede festzustellen. Trotz heftiger Schläge auf den Klingenrücken war nicht der kleinste Kratzer auf dem Klingenrücken zu entdecken. An den Klingenseiten waren feinste Kratzer zu entdecken, beim 12C27 etwas mehr als beim 14C28N. Die Kratzer konnten später sehr leicht wegpoliert werden. Grundsätzlich ist das Spalten von Holz mit einem Messer eine Notlösung, selbst ein kleines Beil (im Bild ein kleines Jagdbeil von Wetterling) ist fast jedem Messer hierbei weit überlegen.
Dann kam der nächste Schritt, das Abschneiden von Magnesiumteilchen von einem Magnesiumfeueranzünder. Der 14C28N Stahl löste das mit Bravour! Kein chipping oder sonstige Probleme, die Klinge blieb absolut unbeschädigt.
Die 14C28N Klinge nach dem Einsatz
Der 12C27 scheiterte auch nicht an der Aufgabe, allerdings musste ich nach getaner Arbeit feststellen, dass es zwar keine Ausbrüche aber winzige Verformungen an der Schneide gab, die ich mit 3 Strichen über den Sinter (nach Ende des gesamten Tests) wieder richten konnte. Ich denke, dass ein Schneidenwinkel von 30° gesamt grundsätzlich für ein Outdoor Messer etwas klein ist. Ich habe am Ende des gesamten Tests beim 12C27 Messer eine ca. 36° Microphase angelegt aber nicht komplett umgeschliffen. Damit war das Problem gelöst, mit der stabileren Schneide gab es bei der Bearbeitung des Magnesiumfeueranzünder keine Verformungen mehr. Auch mit einem Winkel von 36° + sind noch hervorragende Schärfen zu erzielen und mit einem Outdoor Messer muss man ja auch keine Haare spalten.
Die 12C27 Klinge nach dem Einsatz
Zu 3. Mit jedem Messer wurde jeweils ein rohes Hähnchen geteilt. Einen Unterschied bei der Schneidperformance konnte hierbei durch mich nicht festgestellt werden. Der Fleischanteil der Hähnchen konnte sehr leicht durchschnitten werden. Die Knochenanteile ließen sich mit leichtem Druck ohne Probleme durchtrennen, Schäden entstanden hierbei keine. Das Zerlegen von Fleisch funktioniert mit beiden Stählen sehr gut.
Zum Gemüse schneiden gibt es bessere Alternativen, auch hierbei waren durch mich keinerlei Unterschiede festzustellen. Das Knacken der Karotten beim Schneiden (Sprengen) schallte durch das ganze Haus. Auch das Zerteilen einer Zwiebel fiel nicht geräuschlos aus. Die Klingengeometrie der Messer ist für diesen Verwendungszweck definitiv nicht gut geeignet – aber es geht.
Schlussfolgerung:
Beide Messer sind mMn als Outdoor Messer geeignet, die beiden Stähle 12C27 und 14C28N haben sich bewährt. Alle gestellten Aufgaben konnten von beiden Messern bewältigt werden. Ich sehe leichte Vorteile beim 14C28N. Er ist etwas schnitthaltiger, belastbarer als der 12C27 und auch etwas rostträger. Am Ende des Tests war es immer noch, ohne schärfen der Messer während des Tests, möglich Armhaare zu rasieren. Wobei dies beim 12C27 eher „rupfend“ erfolgte. Beim 14C28N verlief die Rasur noch glatt aber auch nicht so perfekt wie zu Beginn des Tests. Möglicherweise hätte man mit längeren und intensiveren Tests noch deutlichere Unterschiede zwischen den beiden Stählen feststellen können. Da ich aber schon viele Stunden für diesen Test investiert habe und meine grundsätzlichen Fragen beantwortet wurden, war ich nicht bereit noch intensiver und somit noch zeitaufwändiger zu testen.
Welche Erkenntnisse habe ich noch gewonnen? Die Klingenstärke von 4 mm ist sehr großzügig bemessen und sicherlich bei weniger zähen Stählen wie bei einem D2 oder N690 Stahl nicht verkehrt. Bei den getesteten Stählen oder ähnlich zähen Stählen reichen mMn auch Stärken von 2,5 mm bis 3 mm (sofern man keine Türen aufhebeln möchte) aus. Mit der Folge, dass „Küchenarbeiten“ effektiver und leichter von der Hand gehen.
Dass, das Thema Ergonomie und Haptik von Messergriffen ein wichtiges Thema ist, ist mir schon seit langem bekannt. Richtig deutlich wird das aber erst dann wahrgenommen, wenn man ein Messer auch mal länger als eine halbe Stunde einsetzt. Bei einem Messer das in der Vitrine liegt ist es egal, ob es nach 5 Minuten überall in der Hand drückt und zwickt, bei einem Gebrauchsmesser eben nicht. Was nützt der beste Stahl, wenn am Ende des Tages die Hand voller Blasen ist. Glücklicherweise passierte das mit meinen Messern nicht. Ich habe sehr gern mit beiden gearbeitet.
Man sieht wohl den Messern meinen jagdlichen Hintergrund an, bei einem nächsten Outdoor Messer werde ich meine gemachten Erfahrungen miteinfließen lassen, um das Messer noch vielseitiger für den Outdoor Einsatz zu gestalten. Einige Details habe ich für mich schon festgelegt: Als Stahl werde ich 14C28N in einer Stärke von ca. 3 mm oder auch darunter einsetzen. Die Griffschalen werden aus Canvas Micarta bestehen und mit 3 Corby Bolts befestigt werden. Alles Weitere überlege ich mir noch.
Über Kommentare zum Test oder auch Anmerkungen zum Thema würde ich mich sehr freuen.
Grüße
Matthias
Zuletzt bearbeitet: