güNef
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Servus,
Ein vor gut zwei Jahren angedachtes Projekt hat nun ein Ende gefunden und das Ergebnis möchte ich gerne zeigen und im Detail vorstellen. Das auf den Bildern zu sehende Gyuto ist das Erstgeborene nach dem Prototyp, den Meister Uwe Mattern aka „Suntravel“ für sich und erste Tests angefertigt hat.
Das Projekt läuft unter der Bezeichnung „The Hollow“ und ist konstruktiv, fertigungstechnisch und von den verwendeten Materialien exklusiv und sehr aufwändig umgesetzt. Physik kann man bekanntlich weder überlisten noch aushebeln, aber man kann sich den Grenzen des Machbaren annähern. Dies ist hier bei der Formgebung und Ausgestaltung der Klingengeometrie geschehen. Ich war der erste Kunde für den ein Messer auf CAD/CAM-Basis gefräst und danach von Hand an meine Vorlieben angepasst wurde. Es folgten noch einige dieser handverlesenen Schneidmaschinen, die an nerdige Kunden ausgeliefert wurden und vielleicht noch werden. Der stark reduzierte Kundenkreis, eingeschränkt durch geringe Stückzahlen wegen Zeitmangel/Aufwand durfte seine Präferenzen, in welche Richtung die Geometrie „schneiden und wirken“ soll, bei Uwe Mattern deponieren und der Meister hat sie bemüht versucht, umzusetzen.
Zuerst zu den verwendeten Materialien:
Stahl ist CPM 3V, ein sehr zäher und schnitthaltiger Stahl, der selbst bei feinen Schneiden eine sehr gute Schneidkantenstabilität gewährleistet und zusätzlich eine recht solide Missbrauchsresistenz aufweist. Die ohnehin geringe Reaktivität von 3V wurde mittels passivieren noch weiter reduziert. Griffmaterial ist transluzenter und selbstleuchtender Kunststoff, in Form von 3D gedruckten Waben, ausgegossen mit honigfarbenem Harz unter Luftabschluss in einer Druckkammer. Die Liner sind aus Kirinite-Acryl, speichern Licht und glimmen in der Nacht. Der Zierpin zeigt das Symbol für Biohazard, die restlichen zwei Pins sind verdeckt.
Was war das Projektziel?
In erster Linie der Versuch unvereinbares zu vereinen. Im Laufe der Jahre haben sich bestimmte Benennungen für bestimmte Eigenschaften eines Messer in der Kochmesserszene etabliert. Ein „Laser“ als sehr leicht schneidendes Messer, mit dünner Klinge, kaum Gewicht und fragilem Verhalten. Ein Workhorse als robustes Arbeitstier in der Küche mit sattem Gewicht und Schnitt, dazu eine unempfindliche Schneide. Ein Full-Taper-Gyuto mit fettem Rücken am Griff, aber homogen dünner werdend bis zu einer Laserspitze und einer vorne feiner und nach hinten immer robuster werdender Schneide.
Jede einzelne dieser Klingengeometrien hat Vor und Nachteile. Der Gedanke in vielen Diskussionen war immer, wie könnte man möglichst viele positive Eigenschaften zusammenführen und die nachteiligen weitgehend ausschalten. Durch die im Laufe der Jahre entstandenen Messerbekanntschaften ergaben sich viele Gelegenheiten ambitionierte Messerfreunde zu besuchen und auch durch ordentliche private Investitionen hunderte verschiedene Kochmesser auszuprobieren und deren Eigenschaften zu vergleichen, dadurch haben sich ein paar valide, physikalische Punkte festmachen lassen, die ein Kochmesser aus der Masse herausragen lässt, wenn man sie miteinander kombiniert.
Punkte:
°) balliger Schliff über die gesamte Flanke, beidseitig und führungshandbezogen
°) Full-Taper-Klingen, horizontal, horizontal & vertikal + tapered-tang
°) Hohlkehlen einseitig, oder beidseitig
°) Hook einseitig
Lange Zeit war die Aufmerksamkeit immer auf eine bestimmte Eigenschaft gerichtet, später wurden auch durch Try & Error mehrere Eigenschaften kombiniert z.B. bei einem Rechtshändermesser rechts ein Hook, links eine HK, Klinge getapert was aus meiner Sicht schon sehr gute Messer ergeben hat.
Was diese Kombination so gut machte, war die deutliche Reduktion der Kontaktflächen der Klinge an das Schnittgut. Wer fertigt also Klingen mit reduzierten Kontaktflächen? So bin ich auf Will Scheepers, von Scheepersbuild gekommen. Will fräst Muster in die Flanken und reduziert so Kontaktfläche. Ebenso Fifty50-Knives, der aktuell weniger aktiv ist.
Hier ein Gyuto von Will Scheepers mit gefrästen Flankenmuster:
Dann kam Uwe Mattern, ein Zerspanungstechniker, Messerfreak und „forschender“ Messermacher und hat sich eine Werkstatt eingerichtet, in der er CAD/CAM-Fräsungen vornehmen kann.
Ein neuer Zugang zur Gestaltung von Kochmesserklingen wurde möglich. Nach fast zweijähriger Pause und intensiver Beschäftigung/Lernen, Anschaffung, Aufbau und Anschluss seiner Anlage ist es Uwe Mattern gelungen Schnittgutabscheidung/Freisetzung in Kombination mit einem leichten, gleitenden Schnitt auf ein neues Level zu heben und das stelle ich hier vor.
„The Hollow“, güNef Edition:
Uwe hat aus einem plangeschliffenen 1600Gr schweren und 6mm dicken Stück CPM 3V einen Rohling mit beidseitiger Hohlkehle gefräst. Kleines Detail: Der Fräsweg beträgt 50,762 Meter pro Seite! Die Grundform ist komplett keilförmig und daher in zwei Achsen getapert, also auch am Erl horizontal und vertikal, was ein komplexes Stück Planungsarbeit ist. Die HK ist nochmal eine Klasse für sich, weil dort wo sie zur Spitze hin nicht beschliffen ist, tatsächlich spiegelsymmetrisch ist und am Beginn, also über dem, ich nenne es den „Schneidenkeil“ an der dünnsten Stelle nur 0.45mm dick, danach legt die HK in Richtung Klingenrücken langsam keilförmig an Material zu, um einen zu massiven Dickensprung beim Härten zu vermeiden. Bei meinem Messer liegt der primäre Zielpunkt immer noch am Schnitt, daher wurde die Strecke von der Schneidenspitze zur beginnenden HK auf 9mm angehoben um den Primärschliff in diesem Bereich spitzer ansetzen zu können. Bei den wenigen anderen Klingen ist dieser Bereich um zwar zwei Millimeter weniger hoch, aber daher stumpfer angesetzt und die HK-Dicke beträgt rund 0.6mm. Mit meinen Vorgaben ermöglicht mir das einen feineren Schnitt, bei nur unwesentlichem Verlust an Schnittgutabscheidung/Freisetzung.
Soweit, so gut, aber es geht noch weiter. Nach der HK ist durch die Materialstärke ein kräftiger Walkschliff möglich, was nichts anderes heißt, dass die dickste Stelle in der vertikalen immer unmittelbar über dem Ende der HK liegt und zum Rücken hin abnimmt. Die Kombination einer solchen tiefen Hohlkehle mit einem darüber liegenden Walkschliff hat bis jetzt noch keiner angefertigt und begründet auch meine Wahl für CPM 3V, da 14C28N nur in 4mm Flachstahl zu bekommen ist und 3V eben auch als 6mm dicke Platten, das jetzt abgesehen von den Stahleigenschaften.
Warum?
Weil es auf beiden Flanken jetzt über die Horizontale der Klinge nur noch zwei grobe Kontaktlinien mit dem Schnittgut gibt. Erste Kontaktlinie ist die dickste Stelle des „Keils“ unter der HK, die zweite Kontaktlinie genau über der HK, da die Dicke dann zum Rücken abnimmt. Zwischen beiden Kontaktflächen ist die HK und somit „Nichts als Luft“ Diese Bauweise erlaubt durch die geringen Kontaktflächen ein völlig neues gleiten durch Lebensmittel als Schnittgut. Niedriges, hartes Schnittgut wie Möhren läuft genauso leicht wie Schnittgut mittlerer Höhe, also z.B. Pataten oder hohes Knollenschnittgut wie Sellerie. Ausgenommen ist der ausgedünnte und überschliffene Bereich in Nähe der Spitze, dort muss konstruktiv einfach mehr Kontaktfläche vorhanden sein, weil die Materialstärke ungleich geringer ist und hier höchsten nachträglich noch feine Fräsungen möglich wären um die Kontaktfläche noch weiter zu reduzieren. Nur steht hier der Aufwand im Verhältnis zum theoretischen Nutzen nicht dafür.
So ist „The Hollow“ funktional revolutionär und lässt die bisherigen Bemühungen Schnittgut nicht an den Flanken anhaften zu lassen deutlich hinter sich und stellt eine neue Evolutionsstufe bezogen auf eine Schnittgutabscheidung/Gleitschnitt dar. Was nicht haften kann, kann auch den Schnitt nicht bremsen, also wurden die Kontaktpunkte der Flanken soweit irgend möglich flächenmäßig auf das nötigste reduziert. So gleitet das Messer jetzt nur noch an den nötigsten Kontaktflächen durch das Schnittgut, was zu Beginn das Schnittgefühl irritiert, es ist surreal leicht, obwohl das Messer extrem wuchtig baut.
Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, viele Möhrenkiller sind in einer fetten Sellerieknolle stecken geblieben und nur mit massivem Kraftaufwand durchgekommen. Es gehört eine satte Portion Verständnis für die Eigenschaften und Schwachstellen eines Kochmessers um solch ein Messer zu bauen.
Ein entscheidender Antrieb war auch, den Beweis abzuliefern, dass ein dünner Rücken nicht maßgeblich durch hohes und hartes Schnittgut leichter durchgeht. Den Beweis liefert dieses Messer jetzt ab. Es ist das Gesamtkonzept das dies möglich macht. Hinzu kommt das Uwe während dem sorgfältigen Erstellen der Schneidfähigkeit, die immer noch von Hand am Bandschleifer ausgefertigt wird, dazwischen immer Schnittproben in der Küche absolviert hat. Erst als die Schneidfähigkeit ein Niveau erreicht hat, das sich mit den besten Lasern vergleichen lässt, wurde final der frische Bandschliff passiviert und satiniert, was nachweislich (Uwe hatte Forenkollegen zum Vergleichstest eingeladen) die Gleitfähigkeit nochmal erhöht hat. Ich bin auch im Austausch mit einigen Forenkollegen die auch ein individualisiertes "The Hollow" erworben haben, wie eines in Richtung "Workhorse" geschliffenes schneidet kann man hier sehen: KLICK ( Danke Jörg )
Das Ganze wird noch durch einen Systemschliff an der Schneide abgerundet, wo jede noch vorhandene Defektschicht vom Bandschliff entfernt wird. Der 3V wurde auf 60 +2 HRC gehärtet um sich noch gut wetzen zu lassen. Schleifen lässt er sich bei dieser Schneide sowieso easy. Die Schneidfase als solche ist so dick wie ein Haar und lässt sich nur durch seitliche Lichtreflexionen ausmachen, ist die Schneide im „Schatten“ kann man keine Fase erkennen.
Fazit:
Hier ist ein Messer entstanden, das zum einen präzise auf mich abgestimmt und gezielt individualisiert wurde, und zum anderen wurde es als ein Geometriekonzept entwickelt, das funktionell ein neues Level erreicht hat. Der Funktion wurde Vorrang gegeben, daher wird das Aussehen der Flanken und dessen Finish polarisieren. Ich leihe mir den Begriff von Jörg, der es treffend als „Industrial-Design“ umschreibt, weil ich ihn am besten passend finde. Die Griffform, keilförmig breit zur Klinge und schmäler zum Griffende werdend, bricht auch mit der Regel zur Klinge hin verjüngenden Griffformen, aber das Griffdesign von Tobias Hangler hat mich haptisch und optisch überzeugt, so dass ich die Basisform auf dieses Gyuto übertragen habe. Die Sache mit den 3D gedruckten, transluzenten Waben, der Farbgebung von Harz und Kirinite ist sicher nicht massentauglich, genauso wie die Optik des ganzen Messers es nicht ist, aber es musste für mich von besonderer Exzentrik getragen sein und was die Suche nach der allerbesten Geometrie betrifft, so ist es mein „Exit-Messer“. Ich kann mir schwer vorstellen, dass man ein klar spürbar noch wirksameres und leichtern schneidendes Messer anfertigen kann.
Ich weiß, war viel Text und musste sicher teilweise mehrmals gelesen werden um alles zu verstehen, aber ich habe mich bemüht meine Eindrücke incl. Daten und Fakten weitgehend unverfärbt zu beschreiben.
Gruß, güNef
Ein vor gut zwei Jahren angedachtes Projekt hat nun ein Ende gefunden und das Ergebnis möchte ich gerne zeigen und im Detail vorstellen. Das auf den Bildern zu sehende Gyuto ist das Erstgeborene nach dem Prototyp, den Meister Uwe Mattern aka „Suntravel“ für sich und erste Tests angefertigt hat.
Das Projekt läuft unter der Bezeichnung „The Hollow“ und ist konstruktiv, fertigungstechnisch und von den verwendeten Materialien exklusiv und sehr aufwändig umgesetzt. Physik kann man bekanntlich weder überlisten noch aushebeln, aber man kann sich den Grenzen des Machbaren annähern. Dies ist hier bei der Formgebung und Ausgestaltung der Klingengeometrie geschehen. Ich war der erste Kunde für den ein Messer auf CAD/CAM-Basis gefräst und danach von Hand an meine Vorlieben angepasst wurde. Es folgten noch einige dieser handverlesenen Schneidmaschinen, die an nerdige Kunden ausgeliefert wurden und vielleicht noch werden. Der stark reduzierte Kundenkreis, eingeschränkt durch geringe Stückzahlen wegen Zeitmangel/Aufwand durfte seine Präferenzen, in welche Richtung die Geometrie „schneiden und wirken“ soll, bei Uwe Mattern deponieren und der Meister hat sie bemüht versucht, umzusetzen.
Zuerst zu den verwendeten Materialien:
Stahl ist CPM 3V, ein sehr zäher und schnitthaltiger Stahl, der selbst bei feinen Schneiden eine sehr gute Schneidkantenstabilität gewährleistet und zusätzlich eine recht solide Missbrauchsresistenz aufweist. Die ohnehin geringe Reaktivität von 3V wurde mittels passivieren noch weiter reduziert. Griffmaterial ist transluzenter und selbstleuchtender Kunststoff, in Form von 3D gedruckten Waben, ausgegossen mit honigfarbenem Harz unter Luftabschluss in einer Druckkammer. Die Liner sind aus Kirinite-Acryl, speichern Licht und glimmen in der Nacht. Der Zierpin zeigt das Symbol für Biohazard, die restlichen zwei Pins sind verdeckt.
Was war das Projektziel?
In erster Linie der Versuch unvereinbares zu vereinen. Im Laufe der Jahre haben sich bestimmte Benennungen für bestimmte Eigenschaften eines Messer in der Kochmesserszene etabliert. Ein „Laser“ als sehr leicht schneidendes Messer, mit dünner Klinge, kaum Gewicht und fragilem Verhalten. Ein Workhorse als robustes Arbeitstier in der Küche mit sattem Gewicht und Schnitt, dazu eine unempfindliche Schneide. Ein Full-Taper-Gyuto mit fettem Rücken am Griff, aber homogen dünner werdend bis zu einer Laserspitze und einer vorne feiner und nach hinten immer robuster werdender Schneide.
Jede einzelne dieser Klingengeometrien hat Vor und Nachteile. Der Gedanke in vielen Diskussionen war immer, wie könnte man möglichst viele positive Eigenschaften zusammenführen und die nachteiligen weitgehend ausschalten. Durch die im Laufe der Jahre entstandenen Messerbekanntschaften ergaben sich viele Gelegenheiten ambitionierte Messerfreunde zu besuchen und auch durch ordentliche private Investitionen hunderte verschiedene Kochmesser auszuprobieren und deren Eigenschaften zu vergleichen, dadurch haben sich ein paar valide, physikalische Punkte festmachen lassen, die ein Kochmesser aus der Masse herausragen lässt, wenn man sie miteinander kombiniert.
Punkte:
°) balliger Schliff über die gesamte Flanke, beidseitig und führungshandbezogen
°) Full-Taper-Klingen, horizontal, horizontal & vertikal + tapered-tang
°) Hohlkehlen einseitig, oder beidseitig
°) Hook einseitig
Lange Zeit war die Aufmerksamkeit immer auf eine bestimmte Eigenschaft gerichtet, später wurden auch durch Try & Error mehrere Eigenschaften kombiniert z.B. bei einem Rechtshändermesser rechts ein Hook, links eine HK, Klinge getapert was aus meiner Sicht schon sehr gute Messer ergeben hat.
Was diese Kombination so gut machte, war die deutliche Reduktion der Kontaktflächen der Klinge an das Schnittgut. Wer fertigt also Klingen mit reduzierten Kontaktflächen? So bin ich auf Will Scheepers, von Scheepersbuild gekommen. Will fräst Muster in die Flanken und reduziert so Kontaktfläche. Ebenso Fifty50-Knives, der aktuell weniger aktiv ist.
Hier ein Gyuto von Will Scheepers mit gefrästen Flankenmuster:
Dann kam Uwe Mattern, ein Zerspanungstechniker, Messerfreak und „forschender“ Messermacher und hat sich eine Werkstatt eingerichtet, in der er CAD/CAM-Fräsungen vornehmen kann.
Ein neuer Zugang zur Gestaltung von Kochmesserklingen wurde möglich. Nach fast zweijähriger Pause und intensiver Beschäftigung/Lernen, Anschaffung, Aufbau und Anschluss seiner Anlage ist es Uwe Mattern gelungen Schnittgutabscheidung/Freisetzung in Kombination mit einem leichten, gleitenden Schnitt auf ein neues Level zu heben und das stelle ich hier vor.
„The Hollow“, güNef Edition:
Uwe hat aus einem plangeschliffenen 1600Gr schweren und 6mm dicken Stück CPM 3V einen Rohling mit beidseitiger Hohlkehle gefräst. Kleines Detail: Der Fräsweg beträgt 50,762 Meter pro Seite! Die Grundform ist komplett keilförmig und daher in zwei Achsen getapert, also auch am Erl horizontal und vertikal, was ein komplexes Stück Planungsarbeit ist. Die HK ist nochmal eine Klasse für sich, weil dort wo sie zur Spitze hin nicht beschliffen ist, tatsächlich spiegelsymmetrisch ist und am Beginn, also über dem, ich nenne es den „Schneidenkeil“ an der dünnsten Stelle nur 0.45mm dick, danach legt die HK in Richtung Klingenrücken langsam keilförmig an Material zu, um einen zu massiven Dickensprung beim Härten zu vermeiden. Bei meinem Messer liegt der primäre Zielpunkt immer noch am Schnitt, daher wurde die Strecke von der Schneidenspitze zur beginnenden HK auf 9mm angehoben um den Primärschliff in diesem Bereich spitzer ansetzen zu können. Bei den wenigen anderen Klingen ist dieser Bereich um zwar zwei Millimeter weniger hoch, aber daher stumpfer angesetzt und die HK-Dicke beträgt rund 0.6mm. Mit meinen Vorgaben ermöglicht mir das einen feineren Schnitt, bei nur unwesentlichem Verlust an Schnittgutabscheidung/Freisetzung.
Soweit, so gut, aber es geht noch weiter. Nach der HK ist durch die Materialstärke ein kräftiger Walkschliff möglich, was nichts anderes heißt, dass die dickste Stelle in der vertikalen immer unmittelbar über dem Ende der HK liegt und zum Rücken hin abnimmt. Die Kombination einer solchen tiefen Hohlkehle mit einem darüber liegenden Walkschliff hat bis jetzt noch keiner angefertigt und begründet auch meine Wahl für CPM 3V, da 14C28N nur in 4mm Flachstahl zu bekommen ist und 3V eben auch als 6mm dicke Platten, das jetzt abgesehen von den Stahleigenschaften.
Warum?
Weil es auf beiden Flanken jetzt über die Horizontale der Klinge nur noch zwei grobe Kontaktlinien mit dem Schnittgut gibt. Erste Kontaktlinie ist die dickste Stelle des „Keils“ unter der HK, die zweite Kontaktlinie genau über der HK, da die Dicke dann zum Rücken abnimmt. Zwischen beiden Kontaktflächen ist die HK und somit „Nichts als Luft“ Diese Bauweise erlaubt durch die geringen Kontaktflächen ein völlig neues gleiten durch Lebensmittel als Schnittgut. Niedriges, hartes Schnittgut wie Möhren läuft genauso leicht wie Schnittgut mittlerer Höhe, also z.B. Pataten oder hohes Knollenschnittgut wie Sellerie. Ausgenommen ist der ausgedünnte und überschliffene Bereich in Nähe der Spitze, dort muss konstruktiv einfach mehr Kontaktfläche vorhanden sein, weil die Materialstärke ungleich geringer ist und hier höchsten nachträglich noch feine Fräsungen möglich wären um die Kontaktfläche noch weiter zu reduzieren. Nur steht hier der Aufwand im Verhältnis zum theoretischen Nutzen nicht dafür.
So ist „The Hollow“ funktional revolutionär und lässt die bisherigen Bemühungen Schnittgut nicht an den Flanken anhaften zu lassen deutlich hinter sich und stellt eine neue Evolutionsstufe bezogen auf eine Schnittgutabscheidung/Gleitschnitt dar. Was nicht haften kann, kann auch den Schnitt nicht bremsen, also wurden die Kontaktpunkte der Flanken soweit irgend möglich flächenmäßig auf das nötigste reduziert. So gleitet das Messer jetzt nur noch an den nötigsten Kontaktflächen durch das Schnittgut, was zu Beginn das Schnittgefühl irritiert, es ist surreal leicht, obwohl das Messer extrem wuchtig baut.
Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, viele Möhrenkiller sind in einer fetten Sellerieknolle stecken geblieben und nur mit massivem Kraftaufwand durchgekommen. Es gehört eine satte Portion Verständnis für die Eigenschaften und Schwachstellen eines Kochmessers um solch ein Messer zu bauen.
Ein entscheidender Antrieb war auch, den Beweis abzuliefern, dass ein dünner Rücken nicht maßgeblich durch hohes und hartes Schnittgut leichter durchgeht. Den Beweis liefert dieses Messer jetzt ab. Es ist das Gesamtkonzept das dies möglich macht. Hinzu kommt das Uwe während dem sorgfältigen Erstellen der Schneidfähigkeit, die immer noch von Hand am Bandschleifer ausgefertigt wird, dazwischen immer Schnittproben in der Küche absolviert hat. Erst als die Schneidfähigkeit ein Niveau erreicht hat, das sich mit den besten Lasern vergleichen lässt, wurde final der frische Bandschliff passiviert und satiniert, was nachweislich (Uwe hatte Forenkollegen zum Vergleichstest eingeladen) die Gleitfähigkeit nochmal erhöht hat. Ich bin auch im Austausch mit einigen Forenkollegen die auch ein individualisiertes "The Hollow" erworben haben, wie eines in Richtung "Workhorse" geschliffenes schneidet kann man hier sehen: KLICK ( Danke Jörg )
Das Ganze wird noch durch einen Systemschliff an der Schneide abgerundet, wo jede noch vorhandene Defektschicht vom Bandschliff entfernt wird. Der 3V wurde auf 60 +2 HRC gehärtet um sich noch gut wetzen zu lassen. Schleifen lässt er sich bei dieser Schneide sowieso easy. Die Schneidfase als solche ist so dick wie ein Haar und lässt sich nur durch seitliche Lichtreflexionen ausmachen, ist die Schneide im „Schatten“ kann man keine Fase erkennen.
Fazit:
Hier ist ein Messer entstanden, das zum einen präzise auf mich abgestimmt und gezielt individualisiert wurde, und zum anderen wurde es als ein Geometriekonzept entwickelt, das funktionell ein neues Level erreicht hat. Der Funktion wurde Vorrang gegeben, daher wird das Aussehen der Flanken und dessen Finish polarisieren. Ich leihe mir den Begriff von Jörg, der es treffend als „Industrial-Design“ umschreibt, weil ich ihn am besten passend finde. Die Griffform, keilförmig breit zur Klinge und schmäler zum Griffende werdend, bricht auch mit der Regel zur Klinge hin verjüngenden Griffformen, aber das Griffdesign von Tobias Hangler hat mich haptisch und optisch überzeugt, so dass ich die Basisform auf dieses Gyuto übertragen habe. Die Sache mit den 3D gedruckten, transluzenten Waben, der Farbgebung von Harz und Kirinite ist sicher nicht massentauglich, genauso wie die Optik des ganzen Messers es nicht ist, aber es musste für mich von besonderer Exzentrik getragen sein und was die Suche nach der allerbesten Geometrie betrifft, so ist es mein „Exit-Messer“. Ich kann mir schwer vorstellen, dass man ein klar spürbar noch wirksameres und leichtern schneidendes Messer anfertigen kann.
Ich weiß, war viel Text und musste sicher teilweise mehrmals gelesen werden um alles zu verstehen, aber ich habe mich bemüht meine Eindrücke incl. Daten und Fakten weitgehend unverfärbt zu beschreiben.
Gruß, güNef