Tim Bernard Atelier Névé – "die Zweite"

Bukowski

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Tim Bernard Atelier Névé – "die Zweite"

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Timothée Bernard wurde nach seinem Abschluss als "Coutelier" für Schneid- und Chirurgieinstrumente am Centre de formation d'apprentis de l’industrie de Thiers (CFAI) zwei weitere Jahre im Atelier 1515 von Manu Laplace ausgebildet, bevor er zunächst als Angestellter bei Florinox in Saint-Rémy-sur-Durolle und ein Jahr später in seinem eigenen Atelier "Névé" in Thiers unter eigener Regie Messer herstellt.

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Sein gleichnamiges Modell "Névé" stellt für mich den Inbegriff zeitlosen französischen Messerdesigns, gepaart mit überragenden Schneideigenschaften und sorgfältiger Verarbeitung dar.

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Die vollflachgeschliffene Klinge des "Névé" läuft nadelspitz aus und misst 2,4 mm am Rücken sowie 0,25 mm über der Wate.
Mit 8,9 cm Klingenlänge bei 91,7 g Gesamtgewicht (103,3 g bei der grauen Variante) ist das EDC-Spitzenklasse.

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Der Klingenlauf ist smooth aber definiert, so wie ich das bei washergelagerten Klingen mit Liner- oder Framelock mag. Der Linerlock hält die Klinge bei beiden Versionen gleichermaßen spielfrei und lässt sich ohne das geringste Kratzen oder Haken wieder öffnen. Sehr gelungen, aber tatsächlich nicht überraschend, legt Bernard nach eigener Aussage seit seiner Lehre bei Manu Laplace doch großen Wert auf die tadellose Funktionsweise des Linerlocks.

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Auch ergonomisch ist Bernard im wahrsten Sinne ein Kunstgriff gelungen. Nicht nur, dass die geschwungene Linie des Griffs ein prägendes Stilelement seiner Messerdesigns darstellt; beim Arbeiten schmiegt sich ebendieser Griff wie von selbst in die Mulden der Handinnenfläche meiner 9 ½er Hand:

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Die angenehm gerundeten und fein polierten Griffschalen aus Cocobolo bzw. grauem G10 tun ihr übriges:

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Dieser durchweg positive Eindruck war schließlich ausschlaggebend für mich, als Kontrast zu meinem ersten "Névé" – der Variante mit dem grauen G10-Griff – noch eine zweite, optisch eher klassisch anmutende Variante anzuschaffen.
Beim Vergleich der beiden Modelle wird deutlich, dass Bernard allein mit der Materialauswahl und dem Einsatz seiner Zierelemente eine gänzlich unterschiedliche Stimmung an seinen Messern zu erzeugen vermag:

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Mit diesen zwei Modellen gelingt es ihm, beide Messerherzen in meiner Brust – das modern-kühle und das klassisch-warme – gleichermaßen anzusprechen. :giggle:

Einen subjektiven Vermutstropfen haben die beiden Modelle allerdings. Die Konstruktion der 1,5 mm starken Stahlliner ist vollständig vernietet:

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Einige werden sich vielleicht erinnern, dass dieser Umstand vor nicht allzu langer Zeit ein Dealbreaker für mich gewesen wäre. Aber auch ich werde offenbar genügsamer bzw. pragmatischer und erfreue mich inzwischen einfach an dem wunderbaren Klingengang, dem hervorragend sitzenden Lock sowie der Tatsache, dass ich die Messer nicht auseinandernehmen "muss". ;)

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Am Ende bin ich voll des Lobes für diese Messer und kann jedem Freund französischer Messerbaukunst und performanter Schneidwerkzeuge die Arbeiten von Tim Bernard wärmstens ans Herz legen.

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Einen entspannten Sonntag wünsche ich!
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr schön beschrieben und mit ausgezeichneten Bildern greifbar gemacht.

Weiche runde Linien wie ein L08, für mich irgendwie ähnliche Handschrift, aber doch eigenständig anders - hab’ ich jedenfalls schon seit Deinem ersten Bericht auf der Observierungsliste.

Klingenform und -länge weniger foodlastig als das Perceval, ich vermute zusammen mit dem Backspacer letztlich auch stabiler als EDC. Die bearbeiteten Liner und Backspacer geben dann dem eleganten Messer den letzten Schliff.

Und. Es gibt sogar eine Burg Edition mit Phacochère. 😄

Vielen Dank für diese gelungene Sonntagslektüre.

grüsse, pebe
 
Servus,

beide ausgesprochen elegante Schneideisen mit viel Liebe zum Detail. Die mattierten, geätzten Klingen sind für mich besonders anziehend. Das Graue ist absolut mein Fall. ❤️ Ich lege zwischenzeitlich ja immer mehr Wert auf Klingen die auch beim Schneiden was drauf haben. Das Julien Maria Canif legt die Latte hoch, was die reine Funktion angeht, wenn die beiden auch so schneiden, wird sich über kurz oder lang auch ein solches bei mir einfinden. ☺️

Danke für die Vorstellung.

Gruß, güNef
 
Danke für eure Kommentierung, die mir große Freude bereitet.

Ein Julien Maria Canif habe ich leider nicht. Bei den mir bekannten Messern sehe ich ebenso am ehesten genetische Ähnlichkeiten zum L-08 von Perceval, auch in Sachen Schneidperformance.
Tim Bernard hat das Névé zwar tatsächlich als täglichen Begleiter konzipiert und ich würde damit auch Kartons zerteilen, insgesamt muss es den Vergleich mit dem performanten L-08 aus meiner Sicht aber nicht scheuen, sind doch beide Modelle mit ~0,25 mm über der Wate nicht weit von nagelgängig entfernt.

Ich persönlich hätte wohl auch gegen eine nagelgängige Klinge nichts einzuwenden gehabt, kann aber verstehen dass Messermacher sich scheuen solche Extreme in den Verkauf zu geben.
 
Ich kann einfach nur staunend gratulieren.
Du bist auch schon ein kleines Trüffelschwein, Du gräbst immer wieder ungewöhnlich feine Dinge aus.
Tolles Review und tolle Bilder.

Gruß Excali
 
Oh nein, du setzt mit deinem prima Report wieder einen Reiz! Bisher konnte ich mich beim Neve zurückhalten…..🙄😵‍💫
Das Messer hat tatsächlich alles, was ich an den Franzosen schätze!

Abu
 
Sehr schöne Sonntagslektüre mit klasse Bildern, die uns da bescherst. Vielen Dank.

Ich bin auch einer von denen der sich das gleiche Messer in unterschiedlichen Ausführungen mehrmals kauft (EDC, Restaurant, Sonntag) und finde beide Versionen die du zeigst für den ihnen zugedachten Zweck sehr passend.
Eine Neve steht auch schon lange auf meiner Liste, habe es bisher nicht geschafft mich für eine erste Version zu entscheiden.
Vernietete Franzosen habe ich schon seit Jahren und noch ein Problem damit gehabt. Meine ältesten Laguioles sind von 2004, wurden viel benutzt und da wackelt nix. Also keine Sorge.
 
Wenn sich die Fachleute zu solcher Resonanz hinreißen lassen macht es natürlich doppelt Spaß. Herzlichen Dank die Herren!

habe es bisher nicht geschafft mich für eine erste Version zu entscheiden.
Da Tim Bernard so ziemlich alles zu Griffschalen verarbeitet, was er an ästhetischen Materialien in die Finger bekommt, scheint die Auswahl auch schier unendlich zu sein. Alle guten Dinge sind drei, sag' ich mir. 😉
 
Sehr schöne Vorstellung zweier toller Messer. Das graue gefällt mir von den Verzierungen her besser, das brauen hat in meinen Augen die schöneren Griffschalen. Ich verstehe, dass Du beide gekauft hast. 😁
 
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