...über den richtigen Umgang mit Messern ("das höchste Glück")

Stefan Ko.

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Der gute Koch

Es war einmal ein Koch, der für seinen fürstlichen
Herrn einen Ochsen zerlegte. In der Bewegung seiner Hand und Schulter,
seines Knies und Fußes lag Takt und Rhythmus.
Der Klang der Messerklinge war wie ein Gesang
von strenger und gemessener Melodie.

Bewundernd sprach der Fürst: Das lob ich mir!
Das nenne ich vollendete Geschicklichkeit!
Da ließ der Koch das Messer aus der Hand und sprach:

"Dein Diener liebt das Dao, das ist noch mehr als
die vollendetste Geschicklichkeit. Seit ich begann, den ersten Ochsen zu zerlegen, sah ich nur immer weiter nichts als Ochsen.
Nach drei Jahren aber kannte ich von bloßem
Augenschein den ganzen Ochsen doch noch nicht.
Jetzt aber gehe ich mit dem Geist daran und nicht mehr mit dem Auge.
Vom Wissen durch die Sinne laß ich ab und folge
den Regungen des Geistes.
Ich halte mich an die Gesetze der Natur.
Mein Messer trennt die großen Nähte und gleitet
durch die großen Spalten seinen natürlichen Weg entlang.

Mit Geschicklichkeit allein ist noch nicht einmal getan,
Fleisch von den Knochen abzutrennen, noch weniger Knochen von Knochen.

  • Ein guter Koch wechselt das Messer alle Jahre, weil er schneidet.
  • Ein ganz gewöhlicher Koch wechselt das Messer jeden Monat, weil er hackt.

Ich habe mein Messer nun schon neunzehn Jahre und schon viele tausend Ochsen damit zerlegt, und doch ist seine Schneide noch so scharf, als sei sie eben frisch geschliffen.


Nun haben die Gelenke feine Zwischenräume, des Messers Schneide hat dagegen keine Dicke. Was aber keine Dicke hat, dringt in die feinsten Zwischenräume ein. Und darum ist des Messers Schneide nach neunzehn Jahren noch so scharf, als sei sie eben frisch geschliffen.

Und dennoch, immer wenn ich an Gelenke komme, sehe ich alle Schwierigkeiten.

Vorsichtig gebe ich acht, mein Blick ist unbeirrt, und meine Handbewegungen sind ruhig. Ein wenig nur bewege ich das Messer noch, und schon ist knirschend das Gelenk gelöst, zu Boden fällt es wie ein Klumpen Erde.

Dann richte ich mich auf, das Messer in der Hand, blicke mich nach allen Seiten um, wische bedächtig und zufrieden das Messer ab und stecke es wieder in die Scheide.

Da sprach der Fürst:" Das lob ich mir! Ich habe die Worte eines Kochs gehört und natürliche Lebensweisheit vernommen."

Zhuangzi (Dschuang Dse), ca. 365 - 290 v. Chr.
 
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