Taperedtang
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Hallo,
da ich seit einiger Zeit stolzer Besitzer eines gut funktionierenden Härteofens bin, stelle ich nun meine ersten Wärmebehandlungen damit vor. Da ich mit einem einfachen Stahl beginnen wollte und ich noch drei Streifen 1.2235 in meinem Stahllager gefunden habe, war die Wahl einfach. Aus diesem Stahl habe ich dann drei Testmesser gebaut, die ich auch schon im Forum vorgestellt habe. Begonnen habe ich aber mit drei Proben die ich von den Streifen abgetrennt habe und die mit 820°C, 830°C und 840°C gehärtet wurden. Nach dem Härten und Anlassen habe ich mit den Proben Bruchtests durchgeführt und unter einer Lupe Gefügeaufnahmen von den Bruchstellen gemacht (man muss schon genau hinschauen um etwas zu erkennen).
Probe 1: 820° C, 5 min. Haltezeit, Abschrecken in 60° C heißem Öl, Anlassen 2 x 1 h bei 180° C
Probe 2: 830° C, 5 min. Haltezeit, Abschrecken in 60° C heißem Öl, Anlassen 2 x 1 h bei 180° C
Probe 3: 840° C, 5 min. Haltezeit, Abschrecken in 60° C heißem Öl, Anlassen 2 x 1 h bei 180° C
Die Bruchtests verliefen sehr interessant. Die Bruchstege waren bei allen Proben ca. 5 mm breit. Der Bruch wurde mit Hilfe eines Schraubstocks und einer 30 cm Wasserpumpenzange herbeigeführt.
Die Ergebnisse:
Probe 1: extrem zäh, verbog sich vorm Brechen, Kraftaufwand bis zum Bruch mittel (Bruch war kaum zu hören), Feilen mit viel Druck und wenig Abtrag möglich, Gefüge ziemlich fein.
Probe 2: sehr hart, kein verbiegen vor dem Bruch, Kraftaufwand bis zum Bruch hoch, min. doppelt so hoch wie bei Probe 1 (Bruch mit lautem Knall), Feile greift nicht, Gefüge sehr fein.
Probe 3: sehr hart, kein verbiegen vor dem Bruch, Kraftaufwand bis zum Bruch mit Probe 1 vergleichbar, Bruch deutlich hörbar, Feile greift nicht, Gefüge relativ grob, Anzeichen einer Überhärtung.
Für mich klarer Favorit, ist die Wärmebehandlung von Probe 2.
Die Testmesser wurden von mir bei 820°C, 825°C und 830°C gehärtet. Die 840°C habe ich für meine Wärmebehandlungen verworfen, da sie mMn zu hoch sind. Es gibt aber wohl Messermacher die den 1.2235 mit 840°C erfolgreich härten, ich gehöre nicht dazu.
Um festzustellen, ob sich die relativ kleinen Temperaturunterschiede bei der Wärmebehandlung auf die Leistungsfähigkeit auswirken, habe ich die Messer im praktischen Einsatz getestet.
Das Test-Trio:
Die ersten Tests habe ich mit Seilschneiden verbracht. Ich hatte noch ein altes 1 cm starkes Seil (Sisal/Hanf??) zur Verfügung. Das Seil hat sich als extrem zäh und abrasiv erwiesen. Alle Testmesser haben vor dem Testen die gleiche Schneidengeometrie erhalten. Da die Schneiden alle eine Stärke von 0,3 - 0,4 mm odW hatten, habe ich nur noch die feine Schneidphase mit einem 35° Winkel geschliffen und dann mit Micro Mesh 4000 und danach noch mit Sic Paste auf dem Leder abgezogen. Alle Messer waren zu Beginn des Tests gefühlt gleich scharf (sehr scharf ). Um einen Vergleich zum 1.2604 zu bekommen, hat mein Kamelknochenmesser außer Konkurrenz mitgemacht.
Das orange Testmesser: Härtetemperatur 820°C. Nach ca. 10 Schnitten war die feinste Schärfe weg, das Seil war wirklich zäh und ließ sich trotz der Schärfe des Messers nur mit Kraft durchtrennen. Nach 53 Schnitten war nur noch eine leidliche Grundschärfe vorhanden und ich habe das Testen eingestellt.
Das "Schlangenhaut" Micarta Testmesser: Härtetemperatur 825°C. Auch bei diesem Messer war die feinste Schärfe nach ca. 10 Schnitten weg. Dann passierte etwas Unerwartetes, nach 47 Schnitten ging nichts mehr! Das Seil konnte nur noch mit wildem "säbeln" durchtrennt werden. Trotz höherer Härtetemperatur schlechtere Leistung? Kann ich mir nicht erklären.
Das Beste zum Schluß! Das Padouk/Büffelhorn Testmesser: Härtetemperatur 830°C. Die ersten 15 Schnitte hielt die Schärfe sehr gut! Dann wurde es langsam weniger, hielt aber bis zum 83. Schnitt sehr gut! Die dann noch verfügbare Grundschärfe ließ immer noch ruckelndes Papierschneiden zu, was bei den anderen Testmessern nicht mehr möglich war.
Ganz kurz noch zum Kamelknochen Messer aus 1.2604 (lief ja außer Konkurrenz mit). Nach 102 Schnitten war nur noch eine leidliche Grundschärfe vorhanden, also auf jeden Fall mehr Leistung als beim 1.2235 festgestellt wurde.
Schlussfolgerung zur ersten Testreihe:
Selbst kleine Temperaturunterschiede bei der Wärmebehandlung können Einfluß auf die Leistungsfähigkeit eines Stahls nehmen. Der 1.2604 ist dem 1.2235 überlegen, in wie weit sich beide Stähle, bei jeweils idealer Wärmebehandlung bzgl. ihres Leistungspotentials annähern, wurde nicht festgestellt und somit kann ich hierzu keine Aussage treffen.
In einer zweiten Testreihe habe ich noch ein bisschen weitergetestet und ein wenig Holz bearbeitet. Das machte deutlich mehr Spaß als das Seilschneiden! Das Holz hat den Messern nicht zugesetzt. Ich muss zugeben, dass ich „nur“ einen trockenen Haselnußstecken bearbeitet habe. Alle Messer haben danach noch rasiert und Kurven ins Papier geschnitten. Um die Messer an Holz wirklich stumpf zu machen dauerte es mir zu lange oder man hätte irgendein exotisches Hartholz nehmen müssen (das mir zum Testen zu Schade war). Also habe ich den Test beendet.
Die Tests haben mir mir zwei Dinge deutlich gemacht. Erstens, wie abrasiv dieses olle Seil war und zweitens, dass der 1.2235 zwar kein "Schnitthaltigkeitswunder" ist, aber dennoch eine Leistung bringt, die mich überrascht hat. Zumal dieser Stahl ein absolutes Top Preis-/Leistungsverhältnis mitbringt. Darüber hinaus ist auch noch nicht ausgetestet, ob die Wärmebehandlung vom besten Testmesser nicht doch noch zu toppen ist. Trotzdem werde ich das Arbeiten mit diesem Stahl jetzt einstellen, da noch so viel anderes zu testen ist. Trotzdem hat mir dieses Projekt super viel Spaß gemacht und auch einige Erkenntnisse gebracht.
Gruß
Matthias
da ich seit einiger Zeit stolzer Besitzer eines gut funktionierenden Härteofens bin, stelle ich nun meine ersten Wärmebehandlungen damit vor. Da ich mit einem einfachen Stahl beginnen wollte und ich noch drei Streifen 1.2235 in meinem Stahllager gefunden habe, war die Wahl einfach. Aus diesem Stahl habe ich dann drei Testmesser gebaut, die ich auch schon im Forum vorgestellt habe. Begonnen habe ich aber mit drei Proben die ich von den Streifen abgetrennt habe und die mit 820°C, 830°C und 840°C gehärtet wurden. Nach dem Härten und Anlassen habe ich mit den Proben Bruchtests durchgeführt und unter einer Lupe Gefügeaufnahmen von den Bruchstellen gemacht (man muss schon genau hinschauen um etwas zu erkennen).
Probe 1: 820° C, 5 min. Haltezeit, Abschrecken in 60° C heißem Öl, Anlassen 2 x 1 h bei 180° C
Probe 2: 830° C, 5 min. Haltezeit, Abschrecken in 60° C heißem Öl, Anlassen 2 x 1 h bei 180° C
Probe 3: 840° C, 5 min. Haltezeit, Abschrecken in 60° C heißem Öl, Anlassen 2 x 1 h bei 180° C
Die Bruchtests verliefen sehr interessant. Die Bruchstege waren bei allen Proben ca. 5 mm breit. Der Bruch wurde mit Hilfe eines Schraubstocks und einer 30 cm Wasserpumpenzange herbeigeführt.
Die Ergebnisse:
Probe 1: extrem zäh, verbog sich vorm Brechen, Kraftaufwand bis zum Bruch mittel (Bruch war kaum zu hören), Feilen mit viel Druck und wenig Abtrag möglich, Gefüge ziemlich fein.
Probe 2: sehr hart, kein verbiegen vor dem Bruch, Kraftaufwand bis zum Bruch hoch, min. doppelt so hoch wie bei Probe 1 (Bruch mit lautem Knall), Feile greift nicht, Gefüge sehr fein.
Probe 3: sehr hart, kein verbiegen vor dem Bruch, Kraftaufwand bis zum Bruch mit Probe 1 vergleichbar, Bruch deutlich hörbar, Feile greift nicht, Gefüge relativ grob, Anzeichen einer Überhärtung.
Für mich klarer Favorit, ist die Wärmebehandlung von Probe 2.
Die Testmesser wurden von mir bei 820°C, 825°C und 830°C gehärtet. Die 840°C habe ich für meine Wärmebehandlungen verworfen, da sie mMn zu hoch sind. Es gibt aber wohl Messermacher die den 1.2235 mit 840°C erfolgreich härten, ich gehöre nicht dazu.
Um festzustellen, ob sich die relativ kleinen Temperaturunterschiede bei der Wärmebehandlung auf die Leistungsfähigkeit auswirken, habe ich die Messer im praktischen Einsatz getestet.
Das Test-Trio:
Die ersten Tests habe ich mit Seilschneiden verbracht. Ich hatte noch ein altes 1 cm starkes Seil (Sisal/Hanf??) zur Verfügung. Das Seil hat sich als extrem zäh und abrasiv erwiesen. Alle Testmesser haben vor dem Testen die gleiche Schneidengeometrie erhalten. Da die Schneiden alle eine Stärke von 0,3 - 0,4 mm odW hatten, habe ich nur noch die feine Schneidphase mit einem 35° Winkel geschliffen und dann mit Micro Mesh 4000 und danach noch mit Sic Paste auf dem Leder abgezogen. Alle Messer waren zu Beginn des Tests gefühlt gleich scharf (sehr scharf ). Um einen Vergleich zum 1.2604 zu bekommen, hat mein Kamelknochenmesser außer Konkurrenz mitgemacht.
Das orange Testmesser: Härtetemperatur 820°C. Nach ca. 10 Schnitten war die feinste Schärfe weg, das Seil war wirklich zäh und ließ sich trotz der Schärfe des Messers nur mit Kraft durchtrennen. Nach 53 Schnitten war nur noch eine leidliche Grundschärfe vorhanden und ich habe das Testen eingestellt.
Das "Schlangenhaut" Micarta Testmesser: Härtetemperatur 825°C. Auch bei diesem Messer war die feinste Schärfe nach ca. 10 Schnitten weg. Dann passierte etwas Unerwartetes, nach 47 Schnitten ging nichts mehr! Das Seil konnte nur noch mit wildem "säbeln" durchtrennt werden. Trotz höherer Härtetemperatur schlechtere Leistung? Kann ich mir nicht erklären.
Das Beste zum Schluß! Das Padouk/Büffelhorn Testmesser: Härtetemperatur 830°C. Die ersten 15 Schnitte hielt die Schärfe sehr gut! Dann wurde es langsam weniger, hielt aber bis zum 83. Schnitt sehr gut! Die dann noch verfügbare Grundschärfe ließ immer noch ruckelndes Papierschneiden zu, was bei den anderen Testmessern nicht mehr möglich war.
Ganz kurz noch zum Kamelknochen Messer aus 1.2604 (lief ja außer Konkurrenz mit). Nach 102 Schnitten war nur noch eine leidliche Grundschärfe vorhanden, also auf jeden Fall mehr Leistung als beim 1.2235 festgestellt wurde.
Schlussfolgerung zur ersten Testreihe:
Selbst kleine Temperaturunterschiede bei der Wärmebehandlung können Einfluß auf die Leistungsfähigkeit eines Stahls nehmen. Der 1.2604 ist dem 1.2235 überlegen, in wie weit sich beide Stähle, bei jeweils idealer Wärmebehandlung bzgl. ihres Leistungspotentials annähern, wurde nicht festgestellt und somit kann ich hierzu keine Aussage treffen.
In einer zweiten Testreihe habe ich noch ein bisschen weitergetestet und ein wenig Holz bearbeitet. Das machte deutlich mehr Spaß als das Seilschneiden! Das Holz hat den Messern nicht zugesetzt. Ich muss zugeben, dass ich „nur“ einen trockenen Haselnußstecken bearbeitet habe. Alle Messer haben danach noch rasiert und Kurven ins Papier geschnitten. Um die Messer an Holz wirklich stumpf zu machen dauerte es mir zu lange oder man hätte irgendein exotisches Hartholz nehmen müssen (das mir zum Testen zu Schade war). Also habe ich den Test beendet.
Die Tests haben mir mir zwei Dinge deutlich gemacht. Erstens, wie abrasiv dieses olle Seil war und zweitens, dass der 1.2235 zwar kein "Schnitthaltigkeitswunder" ist, aber dennoch eine Leistung bringt, die mich überrascht hat. Zumal dieser Stahl ein absolutes Top Preis-/Leistungsverhältnis mitbringt. Darüber hinaus ist auch noch nicht ausgetestet, ob die Wärmebehandlung vom besten Testmesser nicht doch noch zu toppen ist. Trotzdem werde ich das Arbeiten mit diesem Stahl jetzt einstellen, da noch so viel anderes zu testen ist. Trotzdem hat mir dieses Projekt super viel Spaß gemacht und auch einige Erkenntnisse gebracht.
Gruß
Matthias
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