Verständnissfrage zum Wetzstahl

thommy_l

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Hallo,

ich lese hier und anderswo immer, dass ein Wetzstahl den umgelegten Grat eines Messers wieder aufrichten soll. Soweit so gut, also ich schneide mein Küchengut, der Grat "legt" sich um und:

Ein paar Züge "wie wenn ich mit dem Messer dünne Scheibchen vom Stahl schneide" und der Grat ist wieder aufrecht??? Sorry für die drei Fragezeichen.

Der Grat ist doch gegen die Schneidrichtung (... dünne Scheibchen vom Wetzstahl schneiden ...) umgebogen und könnte so doch nicht aufgerichtet sondern nur gebrochen werden. Allenfalls wenn ich das Messer "Rücken nach vorn" gegen die Schneidrichtung am Stahl bewege wird da was aufgerichtet.

Kann mir das jemand erklären?

Thommy
 
Die klassische Art des Wetzstahls mit groben Riefen ist dazu da, Material an der Schneide abzuraspeln und damit zu schärfen.

Die feineren Wetzstähle sind geeignet, einen umgebogenen Grat wieder zurückzustreichen. Das geht aber nur mit einer Bewegung schräg vom Rücken zur Schneide hin in einem Winkel, der für mich immer viel größer war, als mein Gefühl mir empfohlen hatte. Das geht aber nur solange, wie man mit dem Stab noch nichts "abschnitzt".
In Gegenrichtung von der Schneide zum Rücken wird der umgebogene Grat abgerissen. Wetzt man weiter, wird durch Materialabtrag geschärft. Der dabei entstehende Grat wird dabei recht schnell beim wechselseitigen Wetzen entfernt.

Meiner Meinung nach eignen sich nur die polierten Wetzstähle zum Aufrichten des Grats. Alle schleifenden Stäbe tragen Material ab.

Gruß
Mico
 
Ist ein komplexes Thema das immer wieder so viele Fragen aufwirft, dass ein Metallkundler zurate gezogen werden müsste, am besten einen von F. Dick.

Wie mico betont, entfernen Wetzstähle, wenn sie nicht ganz glatt sind, in einem sehr geringen Umfang Stahl von der Schneide -- vorausgesetzt, der Klingenstahl ist weicher als der Wetzstahl. Vielleicht wird auch bei den härteren Stählen etwas Stahl entfernt, aber dort sehe ich vielmehr die Tendenz, dass die Schneide etwas umgebogen wird.

Meine Erfahrung mit besseren Edelstahl-Küchenmessern:
1. Auf Steinen bei 15-20° pro Seite schärfen.
2. Im Gebrauch immer wieder mit einem nicht sehr aggressiven Wetzstahl abziehen, allerdings bei einem Winkel von ca. 25° pro Seite. Anfangs 5-7x mit etwas Druck abziehen, am Ende 3x ganz leicht.
3. Nach einer gewissen Zeit reicht das Abziehen auf einem Stahl nicht mehr aus und das Messer muss wieder auf die Steine. Danach geht der Spaß wieder von vorne los, also schleifen bei ca. 17°, abziehen bei 25°.

Mit dieser Methode arbeite ich seit sehr langer Zeit und bin mehr als zufrieden. Wichtig scheint mir, am Ende des Abziehens so gut wie kein Druck mehr auszuüben. Wie gesagt, sie funktioniert nur mit einem Messerstahl, der weicher ist als der Wetzstahl. Meine Karbonstahlmesser reagieren auf Wetzstähle nicht gut und benötigen zum Schärfen immer Keramikstäbe und Schleifsteine.
 
Hallo mico und MPS,

danke, sehr interessante Beiträge! Beim "nach unten streichen" oder "scheibchen abschneiden vom Wetzstahl" wird der Grat also abgeschliffen oder abgebrochen und nicht aufgerichtet. Laut bisherigen Erklärungen.

Schon wieder eine Urban Legend, die zu Grabe getragen wird? Warten wir auf weitere Beiträge.

Grüße
Thommy
 
Beim "nach unten streichen" oder "scheibchen abschneiden vom Wetzstahl" wird der Grat also abgeschliffen oder abgebrochen und nicht aufgerichtet.

"Abschleifen" und "abbrechen" treffen nur dann zu, wenn wir uns vor Augen führen, dass alles mikroskopisch klein vor sich geht. Wenn ich ein gut geschärftes Messer (ca. 17° auf diversen Schleifsteinen und Leder) benutze und anschließend bei ca. 25° vorsichtig wetze, kann ich mit einer starken Lupe extrem kleine Mikrofasen entlang der Wate deutlich erkennen. Dort wird der Stahl minimal verformt, bei aggressiveren Wetzstählen noch mehr. Es handelt sich also um mehr als ein bloßes Aufrichten der Schneide.

Nochmal: Dieses gilt nach meiner Erfahrung nicht bei sehr harten Karbonstählen, sondern nur bei etwas weicheren sog. Edelstählen. In diesem Fall trifft also Weiches auf Hartes, und da das Harte etwas rau ist, muss etwas nachgeben, wenn auch nur minimal.

Eine weitere Frage, hierzu aber passend, ist: Da Wetzstähle lange vor der Entwicklung von Edelstahl im Einsatz waren, und nicht wenig, wurden sie damals wirklich nur zum Aufrichten der Schneide eingesetzt, also ca. im gleichen Winkel wie geschärft wurde? Damals trafen ja Wetzstähle nur auf Karbonstahl. Auch sehr alte Karbonstahlmesser reagieren nicht besonders gut auf einen Wetzstahl, der bei 25° eingesetzt wird nachdem das Messer bei 17° geschärft wurde. Ich habe es vielfach getestet.
 
Das Aufrichten der Schneide funktioniert nicht bei harten Stählen. Die umgebogene Schneide bricht einfach ab und dieser Bereich ist dann stumpf.

Das Wetzen des Messers mit einem Wetzstahl muss in einem viel größeren Winkel passieren als dem Schneidenwinkel. Meine Erklärung dafür ist, dass die Schneide im Kontaktbereich zum Wetzstahl aufgrund der hohen Punktbelastung elastisch verbogen wird und zur Seite wegkippt. Dieser zusätzliche Winkel muss dann kompensiert werden, damit der Wetzstahl wieder die Schneidenspitze berührt.
 
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