Virgil4
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Bonsoir mes chers,
und willkommen bei meinem Versuch, einen Franzosen aus dem Schatten des Spezial-Threads „Her mit den kleinen Franzosen“ zu ziehen und zu zeigen, daß es auch bei den traditionellen Modellen durchaus interessante, technische Aspekte gibt. Außerdem stellte @nenni gerade die passende Fragen im Franzosen Faden ....
PassionFrance als Anbieter hochwertiger „Frenchies“ kannte ich schon länger, wurde dann aber bei einem von @[Nick] organisierten Besuch der Rasierer-Zentrale in Lüneburg (ein Abstecher lohnt sich auf jeden Fall) auf die Modelle „Design Robert Beillonnet“ aufmerksam. Im Nachhinein stellte sich dann heraus, daß einige tolle Messer aus der Sammlung unseres Schwertträgers @excalibur aus dieser Serie waren – manche kapieren es halt etwas später ...
Die verfügbaren Varianten in Lüneburg entsprachen noch nicht ganz meinem Anforderungsprofil, aber auf der KNIFE in Solingen wurde ich vor ein paar Tagen fündig.
PassionFrance hatte dort einen sehr gut bestückten Stand, zum Schluss musste der Chef dann aber doch noch in die Vorratskiste greifen, um mein Wunschmesser mit XC75-Klinge zu finden.
Liest sich schnell, ging aber doch recht lange, da Wolfgang Lantelme, le chef lui-même, sich die Zeit nahm und mir vieles zum Messer selbst, aber auch über die Philosophie von Passion France erklärte. Sein Konzept und das Messer sagten mir sehr zu und so erstand ich mein erstes „deux pièces“ (zwei Teile), also ein Laguiole-Messer mit Klinge und Korkenzieher. Der musste sein – ich wohne ja schließlich in einer Weingegend. Für ein „trois pièces“ hätte ich keine Verwendung mangels Kühen, denen ich mit dem Dorn durch das Aufstechen des Pansens bei Verdauungsstörungen Erleichterung verschaffen könnte.
Dieser Entwurf stammt von Robert Beillonnet, zweimaliger MOF „Meilleur Ouvrier de France“ (bester Handwerker Frankreichs) aus dem Jahr 2009. Er gewann damit 2010 den INTERNATIONAL KNIVE AWARD der IWA in Nürnberg erhielt den Sonderpreis „KNIFE OF THE YEAR“ – Chapeau!
Auf seiner eigenen Homepage (nur auf französisch) kann man einige seiner eigenen Messer sehen. „Le Gros“ (der Dicke) ist sein Spitzname.
Für PassionFrance hat er noch einige andere, ausgesprochen schöne Messer, wie zum Beispiel das Alpin, das Seurre oder das London basierend auf den traditionellen Regional-Modellen interpretiert.
Diese Messer werden in Thiers in der Werkstatt von PassionFrance in Handarbeit hergestellt. Der Vertrieb läuft direkt über die Homepage (Vor-Ort-Termine kann man vereinbaren), aber auch über einige Händler, vor allem in Deutschland.
Die Homepage von PassionFrance bietet einen sehr guten Überblick der französischen Regionalmesser, liefert viele Informationen zu den einzelnen Modellen und deckt eine sehr breite Spanne von einfachen bis luxuriösen Ausführungen ab.
Bei meinem Messer handelt es sich um ein „Grand-LAGUIOLE PassionFrance mit Korkenzieher, Serie LUXE, guillochiertes Ressort, schwarze Hornschalen, 12 cm, Klinge aus XC75“ – voilà.
Bei der Übergabe an mich meinte Monsieur Lantelme, ich hätte jetzt kein Messer erworben, sondern ein „outil de survie“, ein Überlebenswerkzeug also – wegen dem Korkenzieher. Die Einstellung der Franzosen zum Leben hat mir schon immer zugesagt ....
Mir gefallen vor allem die sehr schön geschwungene, schlanke Linie ohne Backen, mit dem für mich genau richtigen Anstieg zum Klingenrücken hin und der Korkenzieher, der ggü. anderen Ausführungen auf der rechten Seite angeordnet ist. Damit wird die Rückenlinie der Show-Seite nicht unterbrochen – très joli!
Weitere Details, die mich, über die exzellente Herstellungsqualität hinaus, überzeugten:
Als erstes wäre da natürlich der Stoppin, der das grundsätzliche Problem vieler französischer Klappmesser des Klingenaufschlagens einfach eliminiert. Wäre ich ein Philosoph, würde mir eventuell der Spruch "ressort silencieux vivra vieux" ("leise Feder lebt länger") reichen, aber als Techniker ist mir der Stoppin lieber. Wie schnell hat das Messer mal jemand anders in der Hand und lässt es einfach zuschnäppern .... Dieser Anschlag dient gleichzeitig auch noch als Schleifkerbe! Na wer sagt’s denn – geht doch!
Dann der Korkenzieher: lang, konisch und mit abgeflachter Oberfläche und fünf Spiralen – asymmetrisch positioniert, weil’s besser aussieht.
Finessen, wie die ausgesparte Feder, um die Klinge gut unterzubringen, eine Daumenrampe, um ausreichend Platz beim Öffnen den Korkenzieher zu haben, die Achse mit Rosette aus Messing, die Weiterführung der Flügellinie der „Mouche“ oder der schicke, einseitige Anschliff auf dem linken Klingenrücken – magnifique!
Die geschickte Mehrfachnutzung der Feder ist nicht neu, bedarf aber oft einer Nut in der Feder wie in diesem Fall. Die nachfolgende Skizze soll das Prinzip der „Doppelfeder“ erläutern, zeigt aber eine Lösung ohne Nut und einen Slipjoint.
Erste Funktion „Klinge“: Federwirkung links für das Sichern der Klingen im geöffneten und geschlossen Zustand, auskragende Feder mit Abstützung auf der Korkenzieherachse und im Griffende
Zweite Funktion „Korkenzieher“: Federwirkung in der Mitte durch die beiden links und rechts liegenden Auflagepunkte, um den Korkenzieher offen und geschlossen zu fixieren.
Als non-konformistisches I-Tüpfelchen: das Schäferkreuz mal bewusst anders herum. Vielleicht ein augenzwinkerndes Infragestellen einer hübschen Legende ohne Nachweis? Genau mein Ding!
Endlich mal ein Messer, das ich nicht gleich auseinanderschrauben muss, um irgendetwas zu Pimpen.
Die Kräfte beim Öffnen und Schließen passen für mich perfekt – keine „Männerfeder“, die das ganze Bewegen schwerer kontrollierbar machen würde.
Technische Daten:
Normalerweise bin ich ja kein großer Freund polierter Messerteile (mein Hungarian Folder lächelt auch nur noch matt), aber zum schön glatt gewienerten Horn passt dann auch der polierte Rest.
Vespern funktioniert schon ausgezeichnet – den ersten Korken bleib ich für’s Erste noch schuldig – kommt aber ... wahrscheinlich an diesem langen Wochenende an den Ufern der Ognon.
Synthèse: Ein überzeugendes Messer mit Tradition und Tiefgang und .... es lohnt sich immer mit der Person hinter dem Messer zu reden!
Bonne nuit
Virgil
und willkommen bei meinem Versuch, einen Franzosen aus dem Schatten des Spezial-Threads „Her mit den kleinen Franzosen“ zu ziehen und zu zeigen, daß es auch bei den traditionellen Modellen durchaus interessante, technische Aspekte gibt. Außerdem stellte @nenni gerade die passende Fragen im Franzosen Faden ....
PassionFrance als Anbieter hochwertiger „Frenchies“ kannte ich schon länger, wurde dann aber bei einem von @[Nick] organisierten Besuch der Rasierer-Zentrale in Lüneburg (ein Abstecher lohnt sich auf jeden Fall) auf die Modelle „Design Robert Beillonnet“ aufmerksam. Im Nachhinein stellte sich dann heraus, daß einige tolle Messer aus der Sammlung unseres Schwertträgers @excalibur aus dieser Serie waren – manche kapieren es halt etwas später ...
Die verfügbaren Varianten in Lüneburg entsprachen noch nicht ganz meinem Anforderungsprofil, aber auf der KNIFE in Solingen wurde ich vor ein paar Tagen fündig.
PassionFrance hatte dort einen sehr gut bestückten Stand, zum Schluss musste der Chef dann aber doch noch in die Vorratskiste greifen, um mein Wunschmesser mit XC75-Klinge zu finden.
Liest sich schnell, ging aber doch recht lange, da Wolfgang Lantelme, le chef lui-même, sich die Zeit nahm und mir vieles zum Messer selbst, aber auch über die Philosophie von Passion France erklärte. Sein Konzept und das Messer sagten mir sehr zu und so erstand ich mein erstes „deux pièces“ (zwei Teile), also ein Laguiole-Messer mit Klinge und Korkenzieher. Der musste sein – ich wohne ja schließlich in einer Weingegend. Für ein „trois pièces“ hätte ich keine Verwendung mangels Kühen, denen ich mit dem Dorn durch das Aufstechen des Pansens bei Verdauungsstörungen Erleichterung verschaffen könnte.
Dieser Entwurf stammt von Robert Beillonnet, zweimaliger MOF „Meilleur Ouvrier de France“ (bester Handwerker Frankreichs) aus dem Jahr 2009. Er gewann damit 2010 den INTERNATIONAL KNIVE AWARD der IWA in Nürnberg erhielt den Sonderpreis „KNIFE OF THE YEAR“ – Chapeau!
Auf seiner eigenen Homepage (nur auf französisch) kann man einige seiner eigenen Messer sehen. „Le Gros“ (der Dicke) ist sein Spitzname.
Für PassionFrance hat er noch einige andere, ausgesprochen schöne Messer, wie zum Beispiel das Alpin, das Seurre oder das London basierend auf den traditionellen Regional-Modellen interpretiert.
Diese Messer werden in Thiers in der Werkstatt von PassionFrance in Handarbeit hergestellt. Der Vertrieb läuft direkt über die Homepage (Vor-Ort-Termine kann man vereinbaren), aber auch über einige Händler, vor allem in Deutschland.
Die Homepage von PassionFrance bietet einen sehr guten Überblick der französischen Regionalmesser, liefert viele Informationen zu den einzelnen Modellen und deckt eine sehr breite Spanne von einfachen bis luxuriösen Ausführungen ab.
Bei meinem Messer handelt es sich um ein „Grand-LAGUIOLE PassionFrance mit Korkenzieher, Serie LUXE, guillochiertes Ressort, schwarze Hornschalen, 12 cm, Klinge aus XC75“ – voilà.
Bei der Übergabe an mich meinte Monsieur Lantelme, ich hätte jetzt kein Messer erworben, sondern ein „outil de survie“, ein Überlebenswerkzeug also – wegen dem Korkenzieher. Die Einstellung der Franzosen zum Leben hat mir schon immer zugesagt ....
Mir gefallen vor allem die sehr schön geschwungene, schlanke Linie ohne Backen, mit dem für mich genau richtigen Anstieg zum Klingenrücken hin und der Korkenzieher, der ggü. anderen Ausführungen auf der rechten Seite angeordnet ist. Damit wird die Rückenlinie der Show-Seite nicht unterbrochen – très joli!
Weitere Details, die mich, über die exzellente Herstellungsqualität hinaus, überzeugten:
Als erstes wäre da natürlich der Stoppin, der das grundsätzliche Problem vieler französischer Klappmesser des Klingenaufschlagens einfach eliminiert. Wäre ich ein Philosoph, würde mir eventuell der Spruch "ressort silencieux vivra vieux" ("leise Feder lebt länger") reichen, aber als Techniker ist mir der Stoppin lieber. Wie schnell hat das Messer mal jemand anders in der Hand und lässt es einfach zuschnäppern .... Dieser Anschlag dient gleichzeitig auch noch als Schleifkerbe! Na wer sagt’s denn – geht doch!
Dann der Korkenzieher: lang, konisch und mit abgeflachter Oberfläche und fünf Spiralen – asymmetrisch positioniert, weil’s besser aussieht.
Finessen, wie die ausgesparte Feder, um die Klinge gut unterzubringen, eine Daumenrampe, um ausreichend Platz beim Öffnen den Korkenzieher zu haben, die Achse mit Rosette aus Messing, die Weiterführung der Flügellinie der „Mouche“ oder der schicke, einseitige Anschliff auf dem linken Klingenrücken – magnifique!
Die geschickte Mehrfachnutzung der Feder ist nicht neu, bedarf aber oft einer Nut in der Feder wie in diesem Fall. Die nachfolgende Skizze soll das Prinzip der „Doppelfeder“ erläutern, zeigt aber eine Lösung ohne Nut und einen Slipjoint.
Erste Funktion „Klinge“: Federwirkung links für das Sichern der Klingen im geöffneten und geschlossen Zustand, auskragende Feder mit Abstützung auf der Korkenzieherachse und im Griffende
Zweite Funktion „Korkenzieher“: Federwirkung in der Mitte durch die beiden links und rechts liegenden Auflagepunkte, um den Korkenzieher offen und geschlossen zu fixieren.
Als non-konformistisches I-Tüpfelchen: das Schäferkreuz mal bewusst anders herum. Vielleicht ein augenzwinkerndes Infragestellen einer hübschen Legende ohne Nachweis? Genau mein Ding!
Endlich mal ein Messer, das ich nicht gleich auseinanderschrauben muss, um irgendetwas zu Pimpen.
Die Kräfte beim Öffnen und Schließen passen für mich perfekt – keine „Männerfeder“, die das ganze Bewegen schwerer kontrollierbar machen würde.
Technische Daten:
- Klingenmaterial: XC75, mattiert
- gelaserte Markierungen auf der Klinge: links: das Logo von PassionFrance, Name des Designers und der Klingenstahl - rechts: nix
- Klingenform: Yatagan
- Klingenschliff: Flachschliff
- Klingenheber: Nagelrille nur auf der linken Seite
- Schalenmaterial: schwarze Büffelhornspitze, poliert
- Liner: Stahl, poliert
- Klingenlagerung Stahl auf Stahl
- Gesamtlänge: 220 mm
- Klingenlänge: 100 mm
- Klingenhöhe: 18 mm
- Klingenstärke: 3 mm an der Wurzel, zw. 0,35 und 0,5 mm hinter der Wate
- Grifflänge: 120 mm
- Verhältnis Griff/Klinge: 1,2
- Griffdicke: 15,8 mm
- Verriegelung: cran forcé
- Gewicht: 85 g
- geschmiedete Fliege
- Ressort guillochiert
- alle Teile miteinander vernietet
Normalerweise bin ich ja kein großer Freund polierter Messerteile (mein Hungarian Folder lächelt auch nur noch matt), aber zum schön glatt gewienerten Horn passt dann auch der polierte Rest.
Vespern funktioniert schon ausgezeichnet – den ersten Korken bleib ich für’s Erste noch schuldig – kommt aber ... wahrscheinlich an diesem langen Wochenende an den Ufern der Ognon.
Synthèse: Ein überzeugendes Messer mit Tradition und Tiefgang und .... es lohnt sich immer mit der Person hinter dem Messer zu reden!
Bonne nuit
Virgil
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