Vorstellung Spyderco Air by Gayle Bradley (C159GF)

Spirou

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Disclaimer: Durch reinen Zufall bin ich vor ein paar Wochen auf das Air gestossen. Verwundert musste ich dann feststellen, dass es hier bisher kaum auftaucht. Das hab ich zum Anlass genommen, mich an meinem ersten Review zu versuchen. Ich hoffe, ich verreisse nicht zu sehr und bitte meine nicht vorhandenen Fotokünste zu tolerieren - ich habe nicht mal eine anständige Kamera. Ein teures Hobby reicht, meint meine Frau. Ihr seht, ich hab alles gegeben :) trotzdem bin ich für konstruktive Kritik immer zu haben.


Also...:

Das Spyderco Air by Gayle Bradley (C159GF) – oder: "Die zirpende Grille"


Die zirpende Grille? Kennt ihr, oder? Falls nicht, schaut euch nochmal Men in Black an, wo Will Smith alias Agent J von der Wirkung dieses kleinen, niedlichen Dingsbums buchstäblich umgehauen wird. Die zirpende Grille war die erste Assoziation, die sich mir zum Spyderco Air geradezu aufgedrängt hat. Dieses kleine, elegante, silbrig glänzende und absolut unscheinbare Messerchen ist ein Killer. Natürlich kein brachialer Hau-den-Lukas-Killer, sondern ein kleiner giftiger Zwerg, der mir direkt bei der ersten Begegnung in den Finger gebissen hat – einfach um zu zeigen dass er es kann.

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Was war passiert? Ausgepackt, aufgeschnippt, zugeklappt. Dabei noch den Klingengang rustikalerer Spinnen gewöhnt, die etwas mehr Nachdruck beim Schließen verlangen – und ehe ich mich versah, steckte die Klinge im unvorsichtigen Knöchel meines Daumens. Liebe auf den ersten Blick :D

Das Air ist klein, leicht (echte 37 Gramm!) und spitz, dabei ein feiner Handschmeichler und durch seine fein schimmernden Schalen aus Silver Twill Glasfiber-Laminat ein echtes Schmuckstück, das auch in der Damenhandtasche nicht deplatziert wirkt.

Geschlossen und auch offen hat es ziemlich exakt die Länge eines Victorinox oder auch des Spyderco Techno, der „dicke Willi“ wirkt aber mindestens dreimal so massiv (was vom Gewicht auch hinkommt). Das Air hingegen ist ein tolles Stück Leichtbau mit einigen Leckerbissen. Es besitzt eine offene Konstruktion und durchgehende, zur Gewichtsreduktion skelettierte Titan-Liner sowie Griffschalen aus Silver Twill Glasfiber-Laminat. Ein Walker Liner Lock hält die Wharncliffe-Klinge aus CPM M4-Stahl sicher und stabil fest. Bemerkenswert ist hier, wie präzise der Lock am Anfang der gerade einmal 2,3 mm starken Klinge hält. Der Liner steht bündig an der Klingenseite, und zwar immer – egal wie heftig man die Klinge aufschleudert.

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Als Anschlag dient ein versteckter innenliegender Stop-Pin, der an der Klingenwurzel befestigt ist und in Führungsschienen innerhalb der Liner läuft. So kommt das Air mit nur zwei Spacern und der Klingenachse als Abstandshalter aus.
Der Klingengang ist butterweich und (wie ich schon sagte…) extrem leichtgängig. Trotzdem hat die Klinge über den gesamten Bewegungsradius keinerlei Spiel. Dass sie dazu noch perfekt mittig steht, rundet das Bild ab. Um die schlanke Linie nicht zu unterbrechen, verzichtet das Air auf einen Clip. Insgesamt muss ich sagen, dass alle meine Spydercos aus Taichung genauso perfekt verarbeitet sind wie dieses hier. Ich werde da in Zukunft verstärkt drauf achten.

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Einziger Schönheitsfehler in meinen Augen ist, dass die Griffschalen nicht ganz bündig mit dem Liner stehen, sondern leicht eingezogen sind. Wahrscheinlich hat das fertigungstechnische Gründe, und irgendeine Möglichkeit zur Steigerung braucht man ja noch. Die Schrauben sind komplett versenkt und liegen ebenfalls bündig in den Schalen. Hätte man hier Kegel- statt Rundkopfschrauben verwendet, hätte man auch hier noch etwas rausholen können.
Das Air leistet sich eine kleine Besonderheit: Der Liner bietet zwei Öffnungsmöglichkeiten, einmal der große Ausschnitt, und weiter in Richtung Klingenachse noch ein kleinerer Ausschnitt für bessere Hebelwirkung. Dieser zweite Ausschnitt ist allerdings nicht mehr wirklich komfortabel bedienbar, weil schlicht zu klein.

Die Wharncliffe-Klinge aus CPM M4-Stahl hat ein perfektes Finish, die Satinierung ist rückläufig angelegt und lehnt sich an den Winkel des Übergangs zwischen Schliff und Fehlschärfe an. Ein schönes Detail, was gut zu der Wharncliffe- Outline passt und die Spitze nochmal betont. Der Klingenrücken verläuft in einem Bogen vom Spyderhole zur Spitze und besitzt eine angedeutete False Edge.

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Unter Berücksichtigung der Größe und des angedachten Einsatzgebiets ist das Air für mich ein perfektes EDC, was auch zum vielzitierten Anzug taugt und für keine Schrecksekunden oder argwöhnische Blicke sorgt. Der Größenvergleich zu meinen bisherigen Bürospielzeugen zeigt nochmal sehr schön die Alltags- und Sheepletauglichkeit. Schneiden tut die Klinge alles was ihr vorgesetzt wird beziehungsweise was ihr im Alltag so begegnet. Natürlich ist das kein Outdoor-Prügel, deswegen habe ich auf Batoning-, Spinewhack- und sonstige sinnfreie Tests verzichtet - ich hoffe ihr seht mir das nach :glgl:

Durch den geringen Chrom-Anteil von 4,00% gilt der M4 als nicht rostfrei, allerdings habe ich beim Schneiden meiner Frühstücksäpfel bisher keinen Ansatz von Patinabildung oder gar Rost feststellen können.

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Der Crucible CPM M4 Stahl ist ein pulvermetallurgisch hergestellter Hochleistungs-Schnellarbeitsstahl für besondere Anforderungen an Stanz- Umform- und Zerspanungswerkzeuge, die hohe Verschleißfestigkeit und Schneidkantenstabilität auch unter hohen Arbeitstemperaturen benötigen. Typische Anwendungsbereiche sind u.a. Schnitt- und Stanzwerkzeuge, Feinschneidwerkzeuge, Press- und Umformwerkzeuge, Lochstempel, Scher- und Industriemesser, Sinterpressen, Räum- und Fräswerkzeuge sowie Gewindeschneidwerkzeuge. (Quelle)


Stahl-Info (Quelle):
Hersteller: Crucible Industries
Offizieller Name: CPM® REX M4 HC High Speed Steel
Kohlenstoff: 1,42%
Chrom: 4,00%
Vanadium: 4,00%
Wolfram: 5,50%
Molybdän: 5,25%
Mangan: 0,30%
Silizium: 0,55%

Eine weitere hilfreiche Zusammenfassung zum CPM M4 von U. Gerfin findet sich auch hier im Forum.



Zur Abrundung noch ein paar technische Daten:

Gesamtlänge: 15,1 cm
Länge geschlossen: 8,7 cm
Klinge: CPM M4
Klingenlänge: 6,5 cm
Schneidlänge: 6,0 cm
Klingenstärke: 2,3 mm
Gewicht: 37 Gramm
Walker Liner Lock, Bronzewasher
Griffmaterial: Silver Twill Glasfiber-Laminat
2 Stoppins
Clip: kein
Lanyardhole: kein
Herkunft: Taichung, Taiwan
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin Gerd,

vielen Dank für das schöne Review und die klasse Bilder. Hat mir das Messer persönlich auch auf den Schirm gebracht. Und 37 Gramm... das ist ja nichts :argw:

Soweit ich weiß sind die überstehenden Liner bei Bradley's ein Designelement (bitte korrigiert mich, falls ich mich irre...). Was deine Erfahrungen mit den Spydies aus Taichung angeht, kann ich dir nur zustimmen. Mein Sage 2 z.B. ist dermaßen perfekt verarbeitet, dass für mich dieser Schriftzug schon fast als Qualitätsmerkmal erster Güte gilt und ich die Spydies aus Taiwan nach meinen (zugegeben erst 6 Modelle umfassenden) Erfahrungen mit Spyderco's schon fast denen aus Golden vorziehe. Wobei mein UKPK Carbon und mein Para2 auch gut verarbeitet sind, aber nicht ganz so perfekt eben wie das Sage :)

Gruß, Gabriel
 
Servus,

@Gerd

Exzellenter Einstieg für deinen ersten Bericht, vielen Dank dafür.

Ich kenne das Messer nur aus den Augenwinkeln, das Gewicht verblüfft mich jetzt auch, mit 37 Gramm fällt das Air (nomen est omen) voll in das Beuteschema von edel-utralight-Trekkern! :D

Auch die Klingenlänge ist für mich fast ein Schock, gilt ja mein Hauptinteresse Messern mit kaum kleineren als 180mm Klingen! :glgl:

Könntest du noch Inhandbilder nachreichen, mal sehen was in der geschlossen Faust noch über ist. :D

Wie beurteilst du die Hebelverhältnisse beim öffnen? Bei deinem Hasenfuss waren ja bedingt durch das Verhältnis Handgröße-Foldergröße und Öffnungswinkel zu Beginn eine Um-und Eingewöhnung nötig.

Wobei hier das Spyderhole an sich schon im Vorteil ist und auch näher der Heftmitte liegt als der Öffnungspin vom kleinen Hasenfuss.

Gruß, güNef
 
Gabriel, mein Sage1 ist auch eins der Messer aus Taichung die man nur perfekt nennen kann. Genauso mein ganz frisches Techno aka "der dicke Willi". "Zufällig" hab ich es gerade dabei und konnte ein Vergleichsbild machen, schnell aus der hohlen Hand geschossen.


Günter, in der Faust bleibt da nicht mehr viel übrig. Siehe Bilder :) Die Küchenwaage schwankt sogar zwischen 36 und 37 Gramm, ich habe mich für die Werksangabe entschieden.

Das Öffnen erfordert einen Kraftaufwand nahe Null. Die Klinge rastet geschlossen zwar ein, bedingt durch die geringen Massen konnten die Haltekräfte aber minimiert werden. Ein Taschentuch aufzuwedeln ist anstrengender, trotzdem wird die Klinge jederzeit sicher gehalten.

Der Hasenfuss war noch nicht eingespielt, mittlerweile kann ich ihn auch einhändig öffnen wenn's denn sein muss. Halte ich - zur Kontrolle des Widerstands - das Mini in beiden Händen und löse die Klinge per Daumen und Pin ist alles prima - also liegts nicht am Hasenfuss. Für das einhändige Öffnen per Daumen&Pin müsste ich mir aber die Hände operieren lassen. Ich behelfe mir damit, die Klinge erst mit Mittelfinger und Daumen vom Detent zu lösen und dann erst mit dem Daumenpin zu öffnen. Das ist jetzt auch eine fliessende Bewegung.

Das Air wiederum hat durch das Spyderhole, dessen grösseren Abstand zur Klingenachse und mehr Freiraum für meinen dicken Daumen (alte Controller-Berufskrankheit :irre: ) alle Vorteile auf seiner Seite. Ich halte das Spyderhole sowieso für die Mutter aller Öffnungshilfen. Da geht nichts drüber.

Ach ja, Bilder:

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Servus,

uff, auf den Bildern wirken beide Messerchen wie Miniaturen in deinen Händen! :staun:

Erstaunlich das jemand mit deiner Handschuhgröße solch einen Faible für kleine Folder hat oder teilst du sie mit deinem Sohn! :D

Gruß, güNef
 
Erstens bin ich knappe zwei Meter lang mit entsprechenden Händen, und zweitens bedient mein Sohn sich gern und häufig an meinen Messern :D aber ich mag Messer in der Grösse, ich finde die perfekt.

Deswegen machen Vergleichsbilder absolut Sinn, ich könnte wahrscheinlich auch ein Military verschwinden lassen :D
 
Schönes Review :super:! Nach einem anstrengenden "behördlichen" Vormittag eine angenehme Entspannung. Locker aus der Feder.

Und, wer das Messer haben möchte, braucht sich der Bedienung wegen ja keine Sorgen zu machen. Was Du aufkriegst :D ...

Übrigens in netter Gesellschaft das Air :p

Gruß R'n'R
 
Ein wundervolles Review (mit Quellenangabe!) über ein wundervolles Messer. Danke dafür.
Mir sind auch die Bilder gut genug - besser als meine. ;)
Gruß
giovanni
 
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