Warum ist eine blau angelaufene Klinge Schrott?

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Hihi Leut´s

ich habe von meinem Vater eine kleine SChmiede geerbt und werde demnächst wieder mit einigen schmiedeübungen anfangen, mit dem Ziel einmal hochwertige feuergeschweißte Klingen schmieden zu können.

Momentan bin ich noch am einlesen und die schmiede auf mich anzupassen.

Ich habe schon oft gelesen das Klingen die beim schleifen blau angelaufen sind schrottreif sind. Die tage hat mich ein Freund das gleiche gefragt was ich nach meinem Theoretischen Wissen so beantwortet habe:

ZITAT:


Normalerweise ist es so: Wenn man ein fertiges Messer oder eine fertige Klinge allgemein erhitzt das sie blau anläuft wie zum Beispiel beim SChleifen ohne Wasser oder sogar u.U. beim Polieren mit der Schwabbelscheibe ändert sich das Stahlgefüge und der Stahl verliert an Härte. Um diese Härte wieder herzustellen müsste man:

Das Messer wieder zerlegen und mit einem speziellen Verfahren normalisieren. Je nach Stahl könnte das auch 2 mal nötig sein. Damit wird das Stahlgefüge wieder normaliesiert und vom grobkörnigen wieder ins feinkörnige über.

Dann beginnt die gesammte wärmebehandlung von vorne.

Härten und dann entspannen das heißt anlassen je nach Stahl auch 2 oder 3 mal.

Dann wäre die Stahlqualität wieder die gleiche - theoretisch

Praktisch wird das alles VOR dem schleifen und schärfen gemacht um den eventuell an der Oberfläche verbrannten Kohlenstoff noch zu entfernen und den härteren hochwertigeren guten Kohlenstoffstahl an die Oberfläche zu bringen. Auserdem müssen die temperaturen bei allen Schritten der Wärmebehandlung in der ganzen Klinge möglichst gleich sein. Bei einer geschliffenen und damit sehr dünnen Klinge ist das in der Kohleesse fast unmöglich. Eventuell ginge es in einer Gasesse, wäre aber auch sehr schwierig da man sich sehr langsam an die Richtige Temperatur herantasten müsste. Warscheinlich käme man nicht darum herum die Klinge schmäler zu schleifen da an der Schneite der Kohlenstoff verbrennt.


Viel Theorie die ich mir angelesen und auf die Gleiche Frage zusammengereimt habe.
Mit einem Profi hab ich aber noch nicht darüber diskutiert.

Ich werde mal diese Nachricht ins messerforum schreiben und schauen was die Profis sagen.




Und ? Was sagen die Profis?

Hab ich das richtig erkannt oder liege ich falsch?

Und nochwas, ich weiß das die Anlassfarben sich auf die Anlasstemperatur beziehen. Aber warum verfärbt sich der Stahl? Oxitation?

Und nochwas, hat gehärterter Stahl und der gleiche Stahl weichgeglüht das gleiche Funkenbild?



Alize
 
Hallo Alize,

herzlich Willkommen!

Was du so aufgeführt hast stimmt weitgehend. Dass man mehrfach härtet und Anlässt ist aber auf das "scharfe" normalisieren beschränkt.

Die Anlassfarben entstehen tatsächlich durch Oxidation. Es bildet sich eine sehr dünne Oxidhaut, in der es zu Interferenzen kommt. Dadurch erscheinen die bekannten Farben.

Sehr schön übrigens, dass du erstmal die Suchfunktion bemüht hast. Man markt, dass du schon viel gelesen hast.

Weiter so!

MfG
newtoolsmith
 
Hallo Alize,

willkommen im Forum!
Du hast dich ja wirklich schon etwas eingelesen. Also:

Um diese Härte wieder herzustellen müsste man:
Das Messer wieder zerlegen und mit einem speziellen Verfahren normalisieren. Je nach Stahl könnte das auch 2 mal nötig sein. Damit wird das Stahlgefüge wieder normaliesiert und vom grobkörnigen wieder ins feinkörnige über.

Eine Klinge die durch Überhitzung beim Schleifen weich geworden ist war sehr wahrscheinlich nicht so lange auf der erhöhten Temperatur, dass es zu nennenswertem Kornwachstum gekommen ist. Dafür ist nämlich entweder eine sehr hohe Temperatur oder eine sehr lange Haltezeit nötig.

Dann beginnt die gesammte wärmebehandlung von vorne.
Härten und dann entspannen das heißt anlassen je nach Stahl auch 2 oder 3 mal.

Den Begriff 'Entspannen' würde ich nicht für's Anlassen verwenden. Zwar bauen sich dabei auch evtl. beim Härten entstandene Spannungen im Material ab, aber primär geht's darum Sprödigkeit loszuwerden.

Praktisch wird das alles VOR dem schleifen und schärfen gemacht um den eventuell an der Oberfläche verbrannten Kohlenstoff noch zu entfernen und den härteren hochwertigeren guten Kohlenstoffstahl an die Oberfläche zu bringen.

Das ist so pauschal nicht richtig. Die meisten Messermacher schleifen zunächst die Klinge praktisch fertig, dann wird gehärtet und dann geschärft. Ansonsten müßte vielzuviel Material im harten Zustand abgetragen werden. Das geht sinnvoll nur naß, eben wegen der möglichen Überhitzung.


Auserdem müssen die temperaturen bei allen Schritten der Wärmebehandlung in der ganzen Klinge möglichst gleich sein. Bei einer geschliffenen und damit sehr dünnen Klinge ist das in der Kohleesse fast unmöglich.

Du solltest die Begriffe 'geschliffen' und 'geschärft' voneinander trennen. Eine geschliffene Klinge kann man sehr wohl in der Kohleesse härten. Schärfen sollte man allerdings erst nachher.


Und nochwas, ich weiß das die Anlassfarben sich auf die Anlasstemperatur beziehen. Aber warum verfärbt sich der Stahl? Oxitation?

Richtig. Es bildet sich eine Oxidschicht. Einfallendes Licht wird an der Oberfläche der Schicht teilweise reflektiert, teilweise durchdringt es sie und wird erst auf der Stahloberfläche reflektiert. Da die Schichtdicke in der Größenordnung der Wellenlänge des Lichtes liegt kommt es zu Interferenzen und einige Wellenlängen werden gewissermaßen herausgefiltert (der gleiche Effekt wie beim Ölfilm). Je höher die Temperatur umso dicker die Schicht. Damit werden dann andere Wellenlängen herausgefilter.


Und nochwas, hat gehärterter Stahl und der gleiche Stahl weichgeglüht das gleiche Funkenbild?

Ja. Bei den Temperaturen, die so ein Funke hat, ist der Stahl nicht mehr gehärtet :)

Gruß, Jan.
 
Vielen Dank für die Antworten und das herzliche Willkommen.

Eine Klinge die durch Überhitzung beim Schleifen weich geworden ist war sehr wahrscheinlich nicht so lange auf der erhöhten Temperatur, dass es zu nennenswertem Kornwachstum gekommen ist. Dafür ist nämlich entweder eine sehr hohe Temperatur oder eine sehr lange Haltezeit nötig.

Was genau passiert denn dann dass der Stahl so massiv an Qualität verliert?
 
Es nimmt einfach die Härte mehr oder weniger drastisch ab.
Suche mal im Unterforum Material-Total nach "Bandschleifer, überhitzen" oder so, da wirst du garantiert fündig.

Grüße Rainer
 
Ich will versuchen, es ganz einfach zu erklären:
Durch das Erwärmen auf Anlaßtemperatur werden Abschreckspannungen teilweise abgebaut, der Zwangszustand des martensitischen Gefüges wird etwas gelockert, die Härte sinkt leicht, die Zähigkeit steigt stark.
Die blaue Anlaßfarbe- Jan hat das mit den Interferenzfarben der Oxyde richtig erklärt-entspricht je nach Erwärmungsdauer einer Temperatur von 280-320 Grad bei unlegierten Stählen, bei den rostträgen-eben weil sie weniger schnell oxidieren- tritt die Blaufärbung erst bei etwa der doppelten Temperatur auf.
Man könnte nun denken, eine Anlaßtemperatur von ca 300 Grad sei doch gar nicht so hoch- bei vielen Stählen-vergl. Stahlschlüssel- liegt die Härte dann immer noch bei 58-60 HRC. Das kann ja also nicht so schlimm sein, wenn beim Schleifen Blaufärbung auftritt.
Das ist leider nicht richtig. Beim Schleifen treten teilweise enorme Temperaturen auf, die am meisten erhitzten Teile werden aber von der Schleifscheibe abgetrennt und fliegen als Schleiffunken durch die Gegend. Der Teil, der nicht abgetrennt wird hat aber durch das Schleifen eine neue Oberfläche erhalten, die die Anlaßfarbe, die der Temoeratur entsprechen würde, nicht zeigt. Dazu kommt, daß bei der kurzen Erhitzung beim Schleifen die Temperatur, die zur Blaufärbung führt, wesentlich höher liegt, als bei langsamer Erwärmung. Die Stellen, die beim Schleifen blau werden, haben also ganz wesentlich an Härte verloren.
Schrott sind sie deshalb nicht. Wenn man sie erneut korrekt wärmebehandeln kann, gewinnen sie ihre volle Leistungsfähigkeit zurück.
MfG. U. Gerfin
 
Schrott sind sie deshalb nicht. Wenn man sie erneut korrekt wärmebehandeln kann, gewinnen sie ihre volle Leistungsfähigkeit zurück.
Ich muss den Thread nochmal ausm Keller holen: Das alles bezieht sich ausschließlich auf gehärtete Klingen oder?
Wenn ich Klingen nach der Stock Removal Methode fertige, passiert es bei mir leider fast immer, dass die Klinge durch Überhitzung Farbe annimmt. Ich schleife dann, bis der Stahl wieder farblos ist, bevor sie zur Härterei kommen.
 
Ich muss den Thread nochmal ausm Keller holen: Das alles bezieht sich ausschließlich auf gehärtete Klingen oder?
Ja klar! Weiter oben ist ja erklärt, dass nicht die Klinge zerstört wird, sondern dass die Härte weg ist, sobald der Stahl blau angelaufen ist. Den Stock removst Du aber aus nicht gehärtetem oder weich geglühtem Material. Was meinst du, wie viel heisser es beim Schmieden zugeht? Da wird ja auch nachher gehärtet.
Nein, im Ernst:haemisch:: Schleif vor dem Härten ruhig im blauen Bereich, aber pass auf, dass Du Dir dabei nicht die Finger verbrennst.

Aber natürlich keine Regel ohne Ausnahme: Es gibt hoch legierte Stähle (Lufthärter), die beim Schleifen im blauen Bereich hart werden. Da musst Du gut aufpassen, dass der Verschleiss an Schleifleinen nicht zu gross wird!
 
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