So jetzt aber.
Wootz also. Prinzipiell ist das nicht ein Material sondern eine Herstellungsmethode, aus der ein Material mit bestimmter Struktur resultiert.
Diese Herstellungsmethode existiert nachgewiesenermaßen (Dr. Ann Feuerbach) seit mindestens dem 4. Jahrhundert und war vor Allem in Zentralasien, und dort im Bereich der größten Ausdehnung des persischen Reiches und in Indien, verbreitet. Aufgrund der relativ großen Verbreitung über mehrere Sprachgruppen und über eine sehr lange Zeit sowie wegen der Vielzahl der Herstellungs- und Verarbeitungsorte gibt es auch viele verschiedene Namen für Methode und Material. Einige Beispiele sind: Jaudar, Jawhar, Bulat, Al Fulad, Al Dimashqui, Kara Chorassan, Vuds, Der letzte Name, der aus dem Sanskrit stammt, hat wohl auch zu der heutigen Namensgebung geführt.
Die Methode besteht aus mehreren Verarbeitungsschritten.
Zuerst werden Eisen oder Stahl im geschlossenen Tiegel mit kohlenstoffhaltigem Material zusammen verschmolzen und dann langsam, ebenfalls im Tiegel abgekühlt.
So viel erst mal zum Thema, dass das Muster gegossen wird. Wie man sieht, wird hier gar nix gegossen.
Die Mischung im Tiegel wird so gewählt, dass ein stark übereutektoider Stahl mit meist zwischen 1,3 und 2 % C entsteht, dessen Schmelzpunkt dementsprechend tief liegt.
Der dabei entstehende Regulus, der auch König genannt wird, weist sehr ausgeprägte und große Austenitkristalle auf, die auch auf der Oberfläche zu sehen sind:
Die Zwischenräume zwischen den Kristallen sind gefüllt mit dem überschüssigen Eisenkarbid. Viel wichtiger als Eisenkarbid und Austenit sind aber, zumindest später, die "Verunreinigungen", die sich in der Mitte der interdendritischen Phasen finden und die aus Fremdkarbiden bestehen. Meist ist dies Vanadiumkarbid. Das Vanadium findet sich bereits in den seinerzeit (und auch heute noch häufig) verwendeten Erzen.
Solch ein König ist aber schlichtweg fast unschmiedbar, weil die spröde Struktur fast keine Deformationen verträgt. Zudem ist sie empfindlich gegen große Hitze. Erhitzt man so einen Klotz auf "normale" Schmiedetemperatur und schmiedet, dann fällt der auseinaner wie Hüttenkäse.
Ergo folgt hier der zweite Verarbeitungsschritt. Der König wird in einen Schutzmantel aus Ton- und Eisenoxidgemisch gepackt und einem langen Diffusionsglühprozess unterworfen. Dabei löst sich die kristalline Struktur wieder auf und es entsteht ein homogener Stahl. Zumindest fast, denn die Verunreinigungen, die ja eine Art "Negativbild" der ehemaligen Struktur wiedergeben, bleiben zumindest zum Teil erhalten. Der Erhaltungsgrad richtet sich dabei nach der Dauer des Diffusionsglühens.
Gleichzeitig wird bei diesem Glühen durch das Eisenoxid im Schutzmantel die Oberfläche des Regulus entkohlt und es entsteht eine Art weicher Schutzmantel, der das immer noch recht spröde Material später beim Schmieden schützt und zusammenhält.
Nach dem Entnehmen des Stahlklotzes aus der Tonhülle wird das Material bei relativ niedrigen Temperaturen geschmiedet. Niedrige Temperaturen deshalb, weil das Material bei hohen Temperaturen immer noch zum Reißen neigt. Dabei entsteht dann erst die endgültige Struktur, weil sich bei jeder Schmiedehitze mehr Eisenkarbidmoleküle um die Fremdkarbide gruppieren und so nach und nach zuerst kleine Ketten und schließlich ganze Netzwerke von Zementitsträngen bilden. Weit genug bearbeitet besteht das Material aus einem Netzwerk harter Karbidstränge in einer Matrix relativ kohlenstoffarmen Stahls und ähnelt damit der Struktur eines modernen Kompositwerkstoffes.
Interessant ist, dass die Methode des Feuerschweißens, die ja auch für die Herstellung von Damaszener Stahl angewandt wird, genau zum Gegenteil dessen führt, was beim Wootz passiert, nämlich, zumindest in aller Regel, zu einer Homogenisierung des Kohlenstoffgehaltes. Auch aus diesem Grund ist es eigentlich ziemlich absurd, Wootz als Damast zu bezeichnen.
Auch über das Warum beim Herausfinden des empirischen Prozesses lässt sich, wie über viele Randthemen (Material, Öfen, Schmieden, Verwendung etc.) trefflich räsonnieren und diskutieren, aber da wäre man dann etwa bei Buchstärke und nicht nur bei einer überlangen Antwort in einem Forums-Thema. Nur so viel: aus meiner Sicht fügt sich auch dabei alles, aber wirklich alles, wunderbar logisch zusammen.
Eh' ich es vergesse: auf meiner Webseite ist der Prozess in moderner Form bebildert dargestellt, allerdings nur mit englischen Bildtiteln:
http://www.7knifedwarfs.com/aw/
Achim