Was genau ist "Wootz"

chinoook

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Ich habe die Forumssuche bemüht, aber keine genauen Informationen bekommen. Auch Wikipedia schreibt nur, dass es besonders aufgekohlter Stahl sei, der irgendwie alchemistisch in Indien hergestellt wurde (wird). Kann mir wer eine schlüssige Beschreibung geben, was genau das ist und was genau seine Eigenschaften ausmacht, die es von anderen Stählen unterscheidet?

Gruss


-chinoook
 
AchimW und auch Dimm haben einige aufschlussreiche Beiträge zum Thema Wootz geschrieben.
Ganz kurz und unfachmännisch gesagt:
Wootz (ist ?) eine *Variante*, die man mehr oder weniger zum Damast zählen kann, allerdings nicht in der allgemein bekannten Verbundschweissausführung von verschiedenen Lagen oder der gefalteten Ausführung, sondern im Schmelzverfahren hergestellt, darum wird es auch "Schmelztiegeldamast" genannt.
Das Zeug wird je nach Herkunftsregion auch "Bulad", "Buhlat" oder Ähnlich genannt

Dazu wird ein sehr aufwändiges, langwieriges Verfahren von Schmelzen und Abkühlen/Glühen der Schmelze angewandt, also kein "alchemistisches", sondern ein rein technologisches Verfahren. Langwierig bedeutet einige Tage.

Gruß Andreas
 
Soweit ich weiss, ist "Wootz" sozusagen ein Vorgänger der modernen Stahllegierungen. Das Muster des "Wootz" entsteht nicht durch schmieden
bzw. Faltungen, sondern wird direkt gegossen. Die verschiedenen Materialien/Metalle ergeben aber kein Homogenes Gemisch, deshalb entsteht ein Muster ähnlich Damast-Stahl.

[Edit:] Leider Quatsch was ich hier geschrieben habe, ich bitte um Verzeihung... Weiter unten schreibt der Fachmann. Hab meinen Informanten schon gefeuert:glgl: ... [Edit Ende]
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Artikel ist gut, er wurde hier auch schon besprochen, aber Verhoefen ist beleibe nicht der einzige der Wootz herstellen kann und auch nicht der Wiederentdecker. In Deutschland hat schon während des zweiten Weltkrieges eine Frau aus Solingen Experimente mit Wootz gemacht. Auch die Russen haben eine lange Tradition mit Wootz/Bulat.
Such hier einfach mal nach Wootz und AchimW (der selber tollen Wootz herstellt (auch rostfrei)).
Hier http://p222.ezboard.com/fprimalfiresfrm24 findest du auch viele Informationen.

Tschüss
Tobias
 
@ToBo: das war Käthe Harnecker von der Firma Zwilling in Solingen. Ich füge das Zitat bei:

K.Harnecker, Beitrag zur Frage des Damaszenerstahls, Mitteilungen aus der metallografischen Versuchsanstalt J. A. Zwilling-Werke

Stahl und Eisen 44(45)1924, Seiten 1409 bis 1411 sowie Tafeln 7 bis 10

Nicht alles stimmt da, aus heutiger Sicht gesehen. Interessant ists allemal.
 
So jetzt aber.

Wootz also. Prinzipiell ist das nicht ein Material sondern eine Herstellungsmethode, aus der ein Material mit bestimmter Struktur resultiert.

Diese Herstellungsmethode existiert nachgewiesenermaßen (Dr. Ann Feuerbach) seit mindestens dem 4. Jahrhundert und war vor Allem in Zentralasien, und dort im Bereich der größten Ausdehnung des persischen Reiches und in Indien, verbreitet. Aufgrund der relativ großen Verbreitung über mehrere Sprachgruppen und über eine sehr lange Zeit sowie wegen der Vielzahl der Herstellungs- und Verarbeitungsorte gibt es auch viele verschiedene Namen für Methode und Material. Einige Beispiele sind: Jaudar, Jawhar, Bulat, Al Fulad, Al Dimashqui, Kara Chorassan, Vuds, Der letzte Name, der aus dem Sanskrit stammt, hat wohl auch zu der heutigen Namensgebung geführt.

Die Methode besteht aus mehreren Verarbeitungsschritten.
Zuerst werden Eisen oder Stahl im geschlossenen Tiegel mit kohlenstoffhaltigem Material zusammen verschmolzen und dann langsam, ebenfalls im Tiegel abgekühlt.
So viel erst mal zum Thema, dass das Muster gegossen wird. Wie man sieht, wird hier gar nix gegossen.
Die Mischung im Tiegel wird so gewählt, dass ein stark übereutektoider Stahl mit meist zwischen 1,3 und 2 % C entsteht, dessen Schmelzpunkt dementsprechend tief liegt.
Der dabei entstehende Regulus, der auch König genannt wird, weist sehr ausgeprägte und große Austenitkristalle auf, die auch auf der Oberfläche zu sehen sind:

wootzfertigung09.JPG


Die Zwischenräume zwischen den Kristallen sind gefüllt mit dem überschüssigen Eisenkarbid. Viel wichtiger als Eisenkarbid und Austenit sind aber, zumindest später, die "Verunreinigungen", die sich in der Mitte der interdendritischen Phasen finden und die aus Fremdkarbiden bestehen. Meist ist dies Vanadiumkarbid. Das Vanadium findet sich bereits in den seinerzeit (und auch heute noch häufig) verwendeten Erzen.

Solch ein König ist aber schlichtweg fast unschmiedbar, weil die spröde Struktur fast keine Deformationen verträgt. Zudem ist sie empfindlich gegen große Hitze. Erhitzt man so einen Klotz auf "normale" Schmiedetemperatur und schmiedet, dann fällt der auseinaner wie Hüttenkäse.

Ergo folgt hier der zweite Verarbeitungsschritt. Der König wird in einen Schutzmantel aus Ton- und Eisenoxidgemisch gepackt und einem langen Diffusionsglühprozess unterworfen. Dabei löst sich die kristalline Struktur wieder auf und es entsteht ein homogener Stahl. Zumindest fast, denn die Verunreinigungen, die ja eine Art "Negativbild" der ehemaligen Struktur wiedergeben, bleiben zumindest zum Teil erhalten. Der Erhaltungsgrad richtet sich dabei nach der Dauer des Diffusionsglühens.
Gleichzeitig wird bei diesem Glühen durch das Eisenoxid im Schutzmantel die Oberfläche des Regulus entkohlt und es entsteht eine Art weicher Schutzmantel, der das immer noch recht spröde Material später beim Schmieden schützt und zusammenhält.

Nach dem Entnehmen des Stahlklotzes aus der Tonhülle wird das Material bei relativ niedrigen Temperaturen geschmiedet. Niedrige Temperaturen deshalb, weil das Material bei hohen Temperaturen immer noch zum Reißen neigt. Dabei entsteht dann erst die endgültige Struktur, weil sich bei jeder Schmiedehitze mehr Eisenkarbidmoleküle um die Fremdkarbide gruppieren und so nach und nach zuerst kleine Ketten und schließlich ganze Netzwerke von Zementitsträngen bilden. Weit genug bearbeitet besteht das Material aus einem Netzwerk harter Karbidstränge in einer Matrix relativ kohlenstoffarmen Stahls und ähnelt damit der Struktur eines modernen Kompositwerkstoffes.

Interessant ist, dass die Methode des Feuerschweißens, die ja auch für die Herstellung von Damaszener Stahl angewandt wird, genau zum Gegenteil dessen führt, was beim Wootz passiert, nämlich, zumindest in aller Regel, zu einer Homogenisierung des Kohlenstoffgehaltes. Auch aus diesem Grund ist es eigentlich ziemlich absurd, Wootz als Damast zu bezeichnen.

Auch über das Warum beim Herausfinden des empirischen Prozesses lässt sich, wie über viele Randthemen (Material, Öfen, Schmieden, Verwendung etc.) trefflich räsonnieren und diskutieren, aber da wäre man dann etwa bei Buchstärke und nicht nur bei einer überlangen Antwort in einem Forums-Thema. Nur so viel: aus meiner Sicht fügt sich auch dabei alles, aber wirklich alles, wunderbar logisch zusammen.

Eh' ich es vergesse: auf meiner Webseite ist der Prozess in moderner Form bebildert dargestellt, allerdings nur mit englischen Bildtiteln:

http://www.7knifedwarfs.com/aw/

Achim
 
Zuletzt bearbeitet:
Achim, das ist mal eine Antwort. Super erklärt.

Noch Fragen?
OK, die Fachbegriffe, aber da muß man durch, oder man muss fragen.

Danke.
 
Ich bin sicher kein Stahlexperte.

Und ich finde das ist sehr gut gesagt:
Prinzipiell ist das nicht ein Material sondern eine Herstellungsmethode

Man muss noch mal sagen: es wird als Ergebnis gestrebt eine NICHT HOMOGENE Klinge zu machen. Oft je unhomogener desto besser (sehr grob zu sagen).


Auch „homogen“ und „geschlossene Schneide“ finde ich sehr relativ auch für z.B. 1.3505 oder 1.2519. Sehr viele „sägen“ mit solchen Klingen und sind zufrieden.

Die Tatsache- „je feiner und geschlossener“ desto schärfer ist klar aber IMHO nur bis „einer Grenze“ machbar.

Man muss hier auch sagen, Wootz- Technologie hat manchmal Unterschiede und es gibt verschiedene Wootzsorten.

Streit, wer Wootz „richtig“ oder „nicht richtig“ macht ist schon mehr als 150 Jahre alt.

Mir ist interessant, welche Klingen z.B. „besser“ funktionieren. Aber meine subjektive Meinung lasse ich für mich selbst.

Also: es gibt IMHO keine genaue Antwort, was Wootz „ganz konkret“ ist.
 
Ich kann nix meinen.
Die Geschichte ist bekannt: Bulat von Anosov wurde von einigen anerkannt von einigen nicht.
Wichtig ist aber, dass jemand weiß, er bekommt von Dir Wootz nach Patent N...
Wichtig ist, er weiß, Sarkisan oder... machen Wootz nach „diese Methode“ und einige andere anders.

Um Metallurgie beurteilen zu können, muss man schon Deine Kenntnisse haben.
Da würde ich sagen- die andere „müssen“ bestimmt Deine Meinung hören.

ZB Patent von Verhoeven #5185044
Da kann jemand wissen, ich habe die Klinge gesehen (gekauft, damit geschnitten und s.w.).

http://patft.uspto.gov/netacgi/nph-...50&s1=5185044.PN.&OS=PN/5185044&RS=PN/5185044
Verhoeven 5185044

Und hier noch zum Schluss:
Der Mann aus der Ukraine (jetzt d. USA) macht Wootz nach Patent von Verhoeven.
http://www.geocities.com/qasruf7/bulat.html

Der (man sagt???) nicht nach Verhoeven.
http://www.damask.nm.ru/
Es geht hier nicht um Wootzmachen sondern um Messermachen aus von Macher X gemacht. Bulat. Das ist nur Beispiel.

Mir ist das egal, wenn ich die Klinge gut finde.

Jemandem ist das wahrscheinlich nicht egal? Dann muss er Patent #5185044 genau lesen und sich entscheiden....

Oder man muss sagen, ich brauche die Klinge, die „nur so“ gemacht ist
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich glaube, Du mißverstehst die Anmerkung von Achim, Dimm:

Dimm schrieb:
Und ich finde das ist sehr gut gesagt:
Prinzipiell ist das nicht ein Material sondern eine Herstellungsmethode

Man muss noch mal sagen: es wird als Ergebnis gestrebt eine NICHT HOMOGENE Klinge zu machen. Oft je unhomogener desto besser (sehr grob zu sagen).

AchimW schrieb:
Interessant ist, dass die Methode des Feuerschweißens, die ja auch für die Herstellung von Damaszener Stahl angewandt wird, genau zum Gegenteil dessen führt, was beim Wootz passiert, nämlich, zumindest in aller Regel, zu einer Homogenisierung des Kohlenstoffgehaltes.

Ich glaube, darum ging es nur.

MfG,
Tierlieb
 
Ich habe hier nix missverstanden sondern mich nicht deutlich ausgedrückt.
Ich akzeptiere VOLL die Meinung von Achim. Einige „Kleinigkeiten“- richtige Karbidenverteilung, „feine Schneide- feines Muster“ und s.w. bespräche ich nicht.

DAS EINZIGE, was ich sagen wollte: beim anschauen (kaufen, schneiden) von (mit) einem Wootzmesser muss man wissen, was man haben will.
Da einige Wootz „anders“ machen können, muss man da richtige Fragen stellen und genau sagen, was Du (er; sie) brauchen.
Sonst sind Missverständnisse möglich.
Ich habe das für chinoook geschrieben :)
 
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