Was hat "Ela" mit einem Frictionfolder zu tun?

corax

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Hallo zusammen,
für das Messer, dessen Entstehung ich Euch hier zeigen möchte, habe ich ein Griffmaterial verwendet, das mir gewissermaßen „zugeflogen“ ist. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an den heftigen Sturm im Juni diesen Jahres, durch den es zu schweren Schäden in Nordrhein-Westfalen gekommen ist (http://de.wikipedia.org/wiki/Ela_(Tiefdruckgebiet)). Die Stadt Düsseldorf hatte damals das Sturmtief Ela sehr schwer getroffen. So ist auch eine Hainbuche in der Grünanlage vor unserer Wohnung dem Sturm zum Opfer gefallen. Aber das Holz dieses Baumes erlebt nun ein Revival als Griffschalen eines Frictionfolders. Schon vor Monaten habe ich Schalenrohlinge aus dem Holz gesägt, die aufgrund ihrer geringen Größe relativ schnell trocknen. Mittels Schablone wurden die Konturen der Griffschalen auf das Holz übertragen.


Zum Aussägen der Griffschalen habe ich dann meine alte Laubsäge wieder herausgekramt ... hat erstaunlich gut geklappt und man fühlt sich wieder in Kindertage zurückversetzt ;-)


Mit der gleichen Schablone wurden auch die Griffkonturen auf 2mm starkes Messingflachmaterial übertragen, aus dem die Platinen gefertigt wurden. Diese wurden ausgesägt und anschließend passgenau mit der Feile bearbeitet.


Aus dem gleichen Messingflachmaterial habe ich auch die Unterlegscheiben für die Vernietung der Klingenachse hergestellt. Dazu wurden zunächst die Mittelpunkte mit dem Körner festgelegt und dann mit einem Zirkel die Umrisse auf das Material übertragen. Der Durchmesser der Scheiben beträgt 10mm. Entsprechend der Stärke der geplanten Klingenachse wurden zentral 4mm-Löcher in die Scheiben gebohrt und angesenkt. Anschließend habe ich die Scheiben grob ausgesägt und mit der Feile nachbearbeitet. Um zwei wirklich gleiche Scheiben herzustellen, habe ich beide übereinander auf eine Schraube gestapelt und mit einer passenden Mutter fixiert. Dieses Paket wurde wie ein Bohrer im Bohrfutter einer Standbohrmaschine eingespannt. Die rotierenden Scheiben habe ich dann mit einer Feile genau aneinander angeglichen.


Die Klinge habe ich im Stock-Removal-Verfahren aus einem 4mm starken Stück 1.2842 hergestellt. Die Konturen wurden mit einer Schablone auf das Stahlstück übertragen. Zunächst habe ich das Klingenmaterial mit der Bohrmaschine "perforiert" und anschließend ausgesägt indem ich mit einer kleinen Puksäge die Stege zwischen den Bohrlöchern durchtrennt habe. Die Konturen der Klinge habe ich am Schleifbock herausgearbeitet.


Die Bohrungen für Klingenachse und Anschlag wurden mit einem 4mm-Bohrer ausgeführt. Die genauen Positionen der Bohrungen wurden mit einer Schablone auf den Klingenrohling übertragen.


Anschleißend erfolgte die Feinjustierung des Anschlags auf einem Holzmodell. Hierbei wurde solange Material vom Anschlag mit einer Kettensägenfeile abgetragen, bis die Klinge im geöffneten Zustand mit dem Griff eine grade Linie bildet. Für den geschlossenen Zustand musste bei der Materialabtragung darauf geachtet werden, dass die zukünftige Schneide zwar vollständig in den Griff eintaucht, aber auf der Rückseite nicht wieder herausschaut. (Ebenfalls auf dem Bild zu sehen: 4mm starkes Messingrundmaterial für Klingenachse und Anschlag.)


Für den Klingenschliff kam eine Flachfeile (Hieb 2) zum Einsatz.


Den frictionfoldertypischen Hebel (weiß da jemand ein Wort für?...vielleicht auch ein Erl?...) habe ich nicht nur zur Deko mit einem Filework versehen, sonder auch um ihn griffig zu machen, da dieser Hebel ja schließlich ein Einklappen der Klinge bei Gebrauch verhindern muss.


Vor dem Härten habe ich die Klingenoberfläche bis Körnung 400 bearbeitet.


Zum Härten wurde der Stahl erhitzt, bis er nicht mehr magnetisch war und in Öl abgekühlt. Danach griff eine Feile nicht mehr.


Angelassen habe ich eine Stunde bei 200°C bis zur Gelbverfärbung. Um die Anlassfarbe auch erkennen zu können wurde die Klinge zuvor grob vom Zunder befreit.


Das Finish der Klinge erfolgte mit Schleifleinen über die Schritte 400er, 600er, 800er und 1000er Körnung. Abschließend wurde noch an der Filzscheibe poliert.


Für das Distanzstück am Griffende konnte ich ein kleines Stück vom Verschnitt des Klingenmaterials verwenden. Das Stück wurde mit einer Halbrundfeile in Form gebracht und Löcher für die Fangriemenöse (6mm) und Vernietung mit den Platinen (2mm) gebohrt. (Ich habe Distanzstück und Platinen mit zwei 2mm Messingstiften vernietet. Auf dem Bild ist allerdings erst eine 2mm-Bohrung zu sehen.) Die Innenseite des Distanzstücks wurde wie die Klinge bis 1000er Körnung geschliffen und poliert.


Auf eine der beiden Platinen habe ich zunächst mit dem Körner alle Punkte der Löcher für Klingenachse, Anschlag, Fangriemenöse und Befestigung des Distanzstücks übertragen. Beide Platinen wurden dann exakt übereinander liegend in den Maschinenschraubstock eingespannt und entsprechend der Markierungen gebohrt. Danach habe ich die Passgenauigkeit mit Hilfe des oben schon erwähnten Holzmodells überprüft.


Mit Hilfe einer Platine als Schablone wurden dann die Löcher auf die Griffschalen übertragen. Dazu wurden Die Teile mit einer Schraubzwinge aufeinander fixiert und durch die vorhandenen Löcher der "Schablonen-Platine" gebohrt. So ist eine genaue Platzierung der einzelnen Bohrlöcher in den Griffschalen möglich.


Innen- und Außenseite der Platinen habe ich unterschiedlich gefinished. Um eine stabile Verklebung der Griffschalen zu ermöglichen, wurden die Außenseiten der Platinen mit groben 120er Schleifleinen aufgeraut. Die Innenseite hingegen wurde bis 600er Körnung geschliffen und anschließend poliert.


Und weil alles so schön passt, musste ich mir das unbedingt noch mal genauer ansehen und eine leckere Flasche Tyskie dabei genießen (Prost ;-).


Im nächsten Schritt habe ich beide Platinen mit dem Distanzstück vernietet.


Die vorbereiteten Griffschalen hatten bis zu diesem Zeitpunkt von der Säge noch eine relativ unregelmäßige Oberfläche und auch nicht exakt parallele Seiten. Um dies auszugleichen habe ich auf ein Brett ein Stück Schleifpapier mit Nägeln befestigt und auf diesem die Griffschalen geschliffen.


Um dem Griff während der Verklebung der Griffschalen mehr Stabilität zu geben, wurden provisorisch Klinge und Achse eingesetzt. Mittels Klingenachse und Fangriemenöse konnten die Griffschalen für die Verklebung mit den Platinen exakt ausgerichtet werden. Damit in das Kupferröhrchen der Fangriemenöse kein Klebstoff gelangt, habe ich dieses zunächst mit Papier verstopft, welches ich später wieder entfernt habe. Bis zur Aushärtung des 2-Komponenten-Klebstoffs wurden die Griffschalen mit Schraubzwingen fixiert.


Am Bandschleifer wurden die Griffschalen bündig mit den Platinen, der Fangriemenöse und dem Distanzstück verschliffen (Anschlag und Klingenachse sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht vernietet).


Für die Unterlegscheiben des Achsniets habe ich Aussparungen in das Holz gefräst um die Scheiben in diese Aussparungen mit 2-Komponentenklebstoff einzukleben.


Das war`s erst mal. Ich werde an dieser Stelle weiter berichten und wünsche schon mal viel Spaß mit dem WIP.

Viele Grüße,
corax
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Sieht nach viel Arbeit aus, aber auch nach einem :super: Ergebnis.
 
Das war wiedermal schön zu lesen! Vielen Dank dafür!! Ich bin schon auf den fertigen Folder gespannt.
Was macht übrigens der kleine rote Frictionfolder? Hat er sich bewährt?
 
Schöne Doku mit einem sehr leckeren Bier :super: Freue mich schon auf die Fortsetzung. Hab´vielen Dank für die Arbeit.
 
Sehr schönes Messer!
Und das trotz Brummschädel nach Tyskie^^

Hast du keine Bedenken, dass das Holz noch zu frisch ist?



Gruß T.P.
 
Hallo und vielen Dank für Eure netten Kommentare!

...Was macht übrigens der kleine rote Frictionfolder? Hat er sich bewährt?...
Das war eher ein Spass-Projekt. Dieses Messer ist für den täglichen Gebrauch eigentlich zu klein, einen Apfel zu schälen wird schon zum Problem. Aber man kann damit sehr gut z. B. ein Paket öffnen.

Sehr schönes Messer! Und das trotz Brummschädel nach Tyskie^^...
„Allein die Menge macht das Gift“ (Paracelsus) ... mir ging`s nach dem Bier noch ganz gut :drunk:
...Hast du keine Bedenken, dass das Holz noch zu frisch ist?...
Ich habe ja schon vor ca. 5 Monaten die Schalenrohlinge aus dem Holz gesägt und trocken gelagert. Diese dünnen Holzstücke scheinen mir gut getrocknet zu sein. Das Große Stück, was auch auf dem ersten Bild zu sehen ist, würde ich jetzt so nicht weiterverarbeiten, da es sicher noch weiter trocknen muss.

Viele Grüße,
corax
 
... hab ich schon mehrfach geschrieben, aber der Trugschluss ist wohl nicht so leicht aus der Welt zu schaffen:

Der Grad der Trockenheit für sich betrachtet ist kein Garant für die Verrbeitungstauglichkeit von Hölzern!

Trocken sind Griffschalendimensionen der meisten Hölzer nach einer Woche.

Instrumentenbauer haben oft Zuschnitte in viel kleineren Dimensionen und lassen die mindestens 10 Jahre liegen!
Grund?
Bis Holz nicht mehr arbeitet müssen komplexe Reaktionen weitgehend ausreagiert haben.
Z.B. Ätherische Ole verdunsten, andere verharzen, Zucker-/Stärkemoleküle treten in Wechselwirkung Feuchtigkeit und Enzymen,
Mineralien (Salze, ...) reagieren Feuchtigkeit, Luftsauerstoff, ...
Bis sich das alles beruhigt hat und das Holz weniger heftig auf jede Luftfeuchtigkeits- oder Temperaturschwankung reagiert,
braucht es Zeit.

Ich drück dir mal die Daumen,
Jost
PS: schöner WIP!
 
Hallo Jost,
vielen Dank für den Hinweis und für`s Daumendrücken. Ich muss gestehen, dass ich anfangs auch meine Bedenken hatte relativ frisches Holz zu verarbeiten. Allerdings habe ich bislang nur gute Erfahrungen damit gemacht. Z. B. habe ich Esche, Pappel und Eiche aus dem heimischen Wald in ähnlichen Dimensionen nach vergleichbarer Lagerungsdauer für die Herstellung von Messergriffen verwendet und diese Griffe sind auch nach Jahren noch völlig in Ordnung. Die einzige Veränderung ist ein zum Teil deutliches Nachdunkeln. Ich hoffe, dass sich Hainbuche ähnlich günstig verhält.

Viele Grüße,
corax
 
...weiter geht’s...

Nach dem Einkleben der Unterlegscheiben für die Klingenachse habe ich mit einem Bleistift grob die Kanten angezeichnet, die verrundet werden sollen um dem Griff eine angenehme Handlage zu verleihen. Die aufgezeichnete Form wurde dann am Bandschleifer herausgearbeitet.


Die Kanten der Platinen und des Distanzstücks am Griffende wurden bis 600er Körnung geschliffen und poliert. Hierbei war es wichtig das Holz vor Schleifstaub durch Abkleben zu schützen.


Die Klingenachse und der Anschlag für die Klinge wurden vernietet und bündig mit den Griffschalen verschliffen. Anschließend habe ich das Holz mit Schmirgelpapier bis Körnung 240 und Stahlwolle gefinished und abschließend mit Leinölfirnis behandelt.


Nun war das Messer fertig, aber noch nicht scharf. Mit einem Bankstein habe ich eine Schneidphase angelegt. Im letzten Schritt verlieh ein Thüringer Naturstein dem Messer Rasierschärfe.


Abschließend noch die Maße und ein paar Bilder vom fertigen Messer. Leider hatte ich noch nicht die Gelegenheit bei Tageslicht zu fotografieren, ich werde aber bessere Bilder vom fertigen Messer nachliefern.

Länge ausgeklapptes Messer: 170mm, davon 70mm Klinge und 100mm Griff
Länge zusammengeklapptes Messer: 130mm, davon 100mm Griff und 30mm Angel
Länge der Klinge inklusive Angel: 125mm
Stärke der Klinge: 4mm auf Höhe der Achse und zur Spitze hin auslaufend
Höhe der Klinge: 30mm
Stärke des Griffs: 17mm
Höhe des Griffs (schmalste Stelle): 20mm
Höhe des Griffs (breiteste Stelle): 28mm





Viele Grüße,
corax
 
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Hallo zusammen,
wie angekündigt reiche ich noch ein paar Bilder nach, die ich heute bei Tageslicht aufgenommen habe.





... und hier noch ein paar Details.







Viele Grüße,
corax
 
Zuletzt bearbeitet:
Wow,
das war/ist mal wieder ein wunderbarer Corax-WIP mit einem Ergebnis, das sich echt sehen lassen kann:super:
Immer wieder schön anzusehen, was Du so-mit relativ bescheidenen Mitteln- herzauberst.
Sehr sympathisch finde ich auch die Verwendung einheimischer Hölzer.
Was die Verwendung des "Ela-Holzes" angeht habe ich vollstes Vertrauen in Corax "Händchen" und "Näschen" , denn als stolzer Besitzer eines seiner Messer konnte ich mich schon von der Qualität seiner Arbeiten persönlich überzeugen.;)

Danke fürs Zeigen und Grüße aus Berlin
Excalibur
 
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