WB von 1.3505

dinscheder

Mitglied
Beiträge
71
Guten Tag!

Habe eine Klinge aus Kugellager geschmiedet und wollte diese in meinem neuen Härteofen wärmebehandeln.

Habe in Günthers Zusammenfassung für Wärmebehandlung (http://www.messerforum.net/showthread.php?t=26645) gelesen man richtet sich beim Normalisieren nach dem C-Gehalt des Stahls, was bei 1.3505 ca. 750°C wäre. Er schreibt aber man solle bei 850°C normalisieren, was sogar weit über der empfohlenen Härtetemperatur von 820°C und AC1 liegt. AC1 müsste doch bei übereutektoiden Stählen (also mein 1.3505) reichen, da laut Roman Landes Buch dort die Alpha-Gamma Umwandlung stattfindet, welche für die Kornfeinung sorgt??

Sehe ich das falsch oder habe ich es einfach nicht verstanden??

Grüße Dinscheder
 
Warum wird normalisiert ?.

Die Antwort: "zur Kornfeinung " greift etwas zu kurz.
Man muß nämlich zwischen der Feinung des Matrixkorns und der Feinung der Karbide unterscheiden.

Bei untereutektoidischen oder exakt eutektoidischen Stählen stellt sich die Frage einfacher. Bei diesen Stählen gibt es nach korrektem Härten keine freien Karbide, da sie beim Austenitisieren vollständig gelöst wurden.
Hier geht es also allein um die Feinung der Matrix und dafür genügt das Umkörnen beim Pendeln um AC 1.

Bei übereutektoidischen Stählen- wir erinnern uns: bei reinen C-Stählen ab 0,78 % C, bei legierten Stählen bei niedrigeren C-Gehalten- wird beim Überschreiten von AC 1 nur der Teil der Karbide gelöst, der dem Eutektikum entspricht.

Die restlichen Karbide bleiben bei dieser Temperatur ungelöst.
Liegen sie nun in ungünstiger Verteilung vor, im schlimmsten Fall auf den Korngrenzen der Matrix, oder sind sie infolge von Überhitzung und mangelhafter Verschmiedung zu groß geworden, so müssen auch sie verfeinert werden.

Das setzt aber voraus, daß auch sie durch entsprechende Erwärmung aufgelöst und beim schnellen Abkühlen in feiner Form ausgeschieden werden.
Dazu braucht es eben eine deutlich höhere Temperatur als AC 1.

Liegen Sonderkarbide vor- also Karbide mit Legierungselementen, die eine deutlich höhere Affinität zum C haben als das Eisen selbst, braucht es noch höhere Temperaturen und längere Erwärmungszeiten, um sie in Lösung zu bringen

Die Angaben in den Datenblättern der Firmen oder im Stahlschlüssel sind verläßlich. Sie sind vernünftige Richtlinien und geben einen Rahmen vor. Völlig sklavisch muß man sich aber nicht daran halten- fünf Grad drüber oder drunter werden den Stahl auch nicht verderben.

Kababear hat mit seinen Angaben also recht.
Ich wollte hier nur klarstellen, w a r u m das so ist.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Vielen Dank für die Antwort!
Das hat genau meine Frage geklärt warum z.B. bei meinem 1.3505 das Pendeln um den AC1 nicht ausreicht!

@ U.Gerfin
Beim "scharfen Normalisieren" (das man auch immer machen sollte??) werden doch auch Karbide gelöst die sonst nur schwer lösbar wären oder?? Sorgt dieser Schritt uch für eine Feinung der Matrix??

Danke

Gruß Dinscheder
 
So ganz einfach kann man das auch nicht beantworten.

1. Bei Stählen unter dem Eutektikum kann man die Kornfeinung, die hier nur die Matrix betrifft, zugleich mit dem Weichglühen/Einformen vornehmen.

Statt lange knapp unter AC 1 zu erwärmen, pendelt man hier um AC 1 und hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Das Gefüge wird optimal weich und bearbeitbar und das Matrixkorn wird durch das mehrfache Umkörnen fein.

2. "Karbide, die sonst nur schwer lösbar sind" werden beim Normalisieren- ganz gleich wie scharf es ist- nicht zwangsläufig gelöst.

Es sind hier mehrere Fälle zu unterscheiden:

a) In unlegierten oder leicht legierten übereutektoidischen Stählen tritt meist nur das Eisenkarbid Fe3 C auf oder - wenn das Eisen durch ein anderes Element teilweise ersetzt wird- M(Metall)3 C.
Diese Karbide werden mit steigender Temperatur mehr und mehr gelöst.
Die Einzelheiten kann man dem Eisen- Kohlenstoff-Diagramm entnehmen.
Bei hohem C-Gehalt kann zur völligen Karbidlösung eine Temperatur von 1000-1100 Grad erforderlich sein.

Hier befindet man sich ein bißchen in der Zwickmühle: Solange noch genügend Karbide ungelöst vorliegen, behindern sie das Kornwachstum, sorgen also für eine ordentliche Struktur der Matrix.
Kommt man nun in den Temperaturbereich der völligen Karbidlösung, so setzt das Kornwachstum der Matrix ungehindert ein und man erhält ein grobes, sprödes Grundgefüge.

Bleibt man im Bereich unterhalb der völligen Karbidlösung, so bleibt das Matrixkorn fein, es besteht aber die Möglichkeit, daß ungünstig angeordnete und grobe Karbide stehen bleiben.

In der Praxis vermeidet man bei hoch kohlenstoffhaltigen Stählen die völlige Karbidlösung und nimmt zugunsten einer feinen und zähen Matrix eine möglicherweise nicht optimale Größe und Lage der Karbide in Kauf.

Dem sind wir aber nicht hilflos ausgeliefert:
Beim Schmieden wird die Temperatur der Karbidlösung deutlich überschritten. Durch kräftiges Überschmieden der gesamten erwärmten Zone kann sowohl das Wachstum der Matrix, wie auch das Zusammenballen der Karbide zu größeren Formen verhindert werden.
Bei tüchtigen Schmieden findet ein Normalisieren also schon beim letzten- oder eigentlich bei jedem- Schmiedevorgang statt.
Zur Sicherheit ist es aber ratsam, zur Kornfeinung im gesamten Werkstück zu normalisieren und zur besseren Bearbeitbarkeit weichzuglühen.

b) Verschärft wird die Situation bei Vorliegen von Legierungselementen, die Sonderkarbide bilden.
Diese Karbide sind schwerer in Lösung zu bringen. Vanadiumkarbid etwa würde über 1100 Grad brauchen. Da hofft man am besten, daß das Karbid schon beim Gießen und Walzen hinreichend klein gehalten wurde und nimmt den vorgegebenen Zustand in Kauf.
Dazu muß allerdings gesagt werden, daß Vanadiumkarbid ganz überwiegend bei den Schnellarbeitsstählen auftritt, die ohnehin ledeburitisch sind, deren Karbide also durch Wärmebehandlungen allein nicht mehr vollständig verfeinert werden können.
Diese Stähle stehen hier aber nicht zur Debatte.

Bei normalen Werkzeugstählen wird Vanadium nur in geringen Mengen zur Kornfeinung schon beim Gießen zugesetzt und diese geringen Anteile spielen dementsprechend nur eine geringe Rolle für die Karbidbildung.
Immerhin ist der als Ersatz für die Wolframriffelstähle gedachte 1.2838 mit 3 % Vanadium legiert und zeigt unerfreulich große Karbide.

c) Ganz schlecht wäre die Situation bei "totgeglühten" Wolframstählen.
Da kann sich bei langem, intensivem Weichglühen das Karbid WC bilden, das so gut wie nicht mehr lösbar ist.
Das würde dazu führen, daß der im Karbid gebundene Kohlenstoff für die Härtung nicht mehr genutzt werden kann und das grobe und möglicherweise ungünstig gelagerte Karbid nicht mehr verfeinert werden kann.

Die Antwort auf die Ausgangsfrage ist also, wie meist: "Es kommt darauf an".

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück