Wer bin ich, woher komm ich? Zwei Nüsse für Experten…

Abu

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Nachdem Aschenblödel ihre weihnachtlichen drei Haselnüsse geknackt hat, klappt es hoffentlich auch mit Eurer Expertise für nur zwei, allerdings harte Nüsse.

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Das Messer kam aus Frankreich zu mir. Und die Fülle an Verzierungen legt den französischen Geschmack nahe. Schaut euch den Klingenrücken an, dazu alle Platinen, Federn etc - alles schön hübsch gemacht.
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Allerdings hat sich jemand vermutlich einige Mühe gegeben, Identitätsmerkmale im Bereich zum Griff auszuradieren. Auf der Rückseite ist imho bei einem gewissen Lichteinfall so etwas wie „Waf…“ zu lesen, leider kaum zu fotografieren. Könnte ja dann die deutsch-frz. Grenzregion als Herkunft in Frage kommen.
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Optisch war mein erster Eindruck natürlich deutscher „Nicker“. Aber welcher Weidmann würde diesen Zierrat und die Schächte der Werkzeuge „roter Arbeit“, besser gesagt: blutiger Sauerei aussetzen?

Also ein Fuhrmannsmesser, wie vom Verkäufer angeboten?
Dazu passen evtl. die Werkzeuge. Die Gabel ist im Griff fest platziert, das Messer nicht teilbar. Eine eigentümliche Anordnung für Speisen. Mir fällt da höchstens noch Kautabak ein, diese klebrigen, schwarzen Rollen habe ich in meiner Ahnengalerie noch erlebt.
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Der Korkenzieher wäre von den Dimensionen eher was für den hochprozentigen „Kutscherschluck“ in den kleinen verkorkten Medizinflaschen.

Aber wozu die Säge? Für harte Arbeit am Wild scheint sie nicht stabil genug, könnte ein Kutscher sowas nutzen?


Bin gespannt auf Eure Meinung!

Wenn sich nichts Belastbares findet, plädiere ich auf das originale Kutschermesser vom „Eisernen Gustav“, der 1928 mit seiner Droschke von Berlin nach Paris und zurück kutschierte. Französisches Messer! Und daß er auf der Tour angeblich 21 kg Gewicht einbüßte, ließe sich mit den minimalistischen „Gabelhappen“ erklären.😜

Abu
 
Die "Gabel" weist m.E. in Richtung Kautabak, wie Du vermutest; ich meine, sowas in dem Zusammenhang schon gesehen zu haben. Ansonsten scheint es mit irgendwie "overstyled" zu sein. Hier kam sowas schon mal vor ... vielleicht auch ein Gäbelchen zum zigarrenzuenderauchen ...?
 
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Die Gabel hat 2 Platinen also sollte sie sich durch schieben nach hinten lösen lassen wie bei den Klapp-Bestecken würde ich meinen. Denkbar wäre den Hersteller in Baden Württemberg oder Böhmen zu suchen, mit Kutscher bzw. Fuhrmannsmesser stimme ich dir zu.
Gruß Stefan
 
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@Shoeger Danke für deine Einschätzungen, helfen mir bei der Meinungsbildung.
Das Messer ist definitiv nicht teilbar, was ich ebenfalls erwartet hätte. Die Backen am Griffende lassen kein Verschieben zu, die Pins ebenso.

Abu
 
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Aber wozu die Säge? Für harte Arbeit am Wild scheint sie nicht stabil genug, könnte ein Kutscher sowas nutzen?
Wenn das ein Kutscher- oder Fuhrmannsmesser ist, liegt es doch auf der Hand, dass sich der Fuhrmann ggf. auch mal unterwegs etwas Feuerholz oder einfach den Weg freisägen musste. Es müssen nicht immer ganze Bäume gewesen sein, die den Weg versperren. Totholz oder Wind-/Schneebruch wird trotzdem ab und zu mal gefallen sein.
 
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Sieht für mich wie ein schönes Souvenir aus. Gibt es in der Messergeschichte so etwas wie den Historismus ? Die Gabel nur schön, die Säge zu neuzeitlich, der Korkenzieher auch nicht so der Brüller. Ich hab ein Laguiole,das über hundert Jahre alt ist, da ist der Zieher brauchbar. Aber nur meine Ansicht. Gruß Ingo
 
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Vielleicht hat es sich schon zu der damaligen Zeit einfach Kunden gegeben, die sich ein custom haben bauen lassen um ein ungewöhnliches Stück zu haben. Features, die über eine reine Zweckmässigkeit hinaus gehen, hat es schon immer gegeben.
 
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Ich vermute die Gabel ist/war abnehmbar, auch wenn es momentan nicht möglich ist.

Es könnt vielleicht so gedacht sein, wie bei diesem Modell:

Nicker mit Gabel

Mit einer Klappsäge Windbruch, welcher einer Kutsche was anhaben könnte, bearbeiten zu wollen, halte ich für unrealistisch. Über derart dünne Äste für welche diese kurze Säge reichen würde, fährt jede Kutsche drüber…

Als klassische Knochensäge zum Schloss-Öffnen im jagdlichen Sinn taugt sie allerdings in der vorliegenden Größe durchaus;

Man könnte sich fragen, ab wann wurden Sägen an feststehenden Jagdmessern aktuell…?

BGC
 
Zuletzt bearbeitet:
Glückwunsch zu dem schönen und interessanten Stück.
Ich vermute ein Jagdmesser mit Trachtenbezug. Kutscher oder Fuhrmänner waren einfache Leute, bei Wind und Wetter mit eher groben Aufgaben konfrontiert. Da macht ein so feines, verziertes Messer kaum Sinn, man hätte es sich wohl auch nicht leisten können. Es handelt sich um m.E. um einen Nicker, bzw. ein Brotzeitmesser. Gejagt wurde bis in die höchsten Gesellschaftsschichten. Bei so einer „gehobenen“ Gesellschaftsjagd sehe ich das Messer in der Hand eines Adligen, dem ein Gehilfe das Gewehr geladen hat. Der edle Herr hat das Wild erlegt und macht sich nun nicht die Hände schmutzig. Allerdings sind die gereichten Häppchen zu vertilgen und der Kräuterschnaps zu öffnen. Und ein wenig Statussymbol schadet da auch nicht.
 
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Mit einer Klappsäge Windbruch, welcher einer Kutsche was anhaben könnte, bearbeiten zu wollen, halte ich für unrealistisch. Über derart dünne Äste für welche diese kurze Säge reichen würde,
Woher weißt du, wie dünn oder dick Windbruch normalerweise ist, ist der standardisiert? Das reicht von Finger- bis Unterarmdick oder größer. Für unterarmdick reicht die Säge. Vor so eine Kutsche waren meist auch noch Pferde gespannt... Über unteramdicken Windbruch fahren Manche heutzutage nichtmal mit SUV bedenkenlos drüber, das ist auch heute nicht unbedingt besenstielgerade... Eine plausiblere erklärung als das Freisägen von Windbruch durch einen Kutscher habe ich bisher noch nicht gelesen.

Unrealistisch halte ich es eher, dass das ein rein "custommotiviertes Stück" sein soll. Custom ist Luxus. Für sowas hatten einfache Leute vor 200 Jahren weder Zeit noch Geld, die waren praktisch orientiert. Gekostet hat die Handfertigung auch damals schon. So eine Investition hat der Besitzer nicht zum Spaß in Auftrag gegeben oder gekauft.
 
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Heureka“ - „Ich habe es gefunden“, angeblich in der Badewanne fand Archimedes die Lösung eines physikalischen Problems.
Mein „Heureka“ lag nicht in der Wanne, sondern im mehrfachen Betrachten des Messers. Dank eurer Anstöße und Überlegungen, die mir keine Ruhe ließen! Die Aussicht auf ein Custom (@thomas hauschild ) oder eines Adligen (@fshamburg) trieb mich an.

Der Schlüssel der Erkenntnis liegt in der Gabel: Der Anschlag ins Nichts (s. Markierungen) oder auch die vorstehende Platine bei 90Grad konnten bei der ansonsten hochwertigen Arbeit unmöglich das Ergebnis sein.
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Also ordentlich Öl zwischen die Platinen gesprüht, ein Stück Weichholz als Dorn angespitzt, an der vorstehenden Plantine angesetzt und mit dem Gummihammer leicht geklopft. „Und sie bewegt sich doch“ Gallilei meinte die Erde, bei mir war es die Griffschale mit der Gabel.
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Rost und Schmodder hatten sie ordentlich festgesetzt. Glücklicher Zufall für mich, dass ich die Gabel dabei auf 90Grad Winkel hatte, denn nur so ließ sie sich lösen.

Beim Schließen der Gabel arretiert sie die Griffschale am Sockel des Pins - großartig!
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Zum Vergleich mit einem Böhmischen: Durch einfaches Verschieben lassen sich dort die beiden Teile trennen.
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Was soll ich sagen: Ich bin begeistert von diesem nun vollständigen Schmuckstück, dem ich gern hoch-herrschaftliche Attitüden zuspreche!

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Die Ausgangsfragen „wer“ und „woher“ sind noch nicht ganz gelöst. Aus direkten Mails zweier Sammler tendiert die Meinung nach D oder Böhmen.

Beim Dreck unter den Platinen scheint ein jagdlicher Gebrauch mir jetzt doch naheliegend.
Danke nochmals für die eifrigen Beiträge und PM‘s, die mich weitergebracht haben! 👍👍👍

Abu
 
Heureka“ - „Ich habe es gefunden“, angeblich in der Badewanne fand Archimedes die Lösung eines physikalischen Problems.
Mein „Heureka“ lag nicht in der Wanne, sondern im mehrfachen Betrachten des Messers. Dank eurer Anstöße und Überlegungen, die mir keine Ruhe ließen! Die Aussicht auf ein Custom (@thomas hauschild ) oder eines Adligen (@fshamburg) trieb mich an.

Der Schlüssel der Erkenntnis liegt in der Gabel: Der Anschlag ins Nichts (s. Markierungen) oder auch die vorstehende Platine bei 90Grad konnten bei der ansonsten hochwertigen Arbeit unmöglich das Ergebnis sein.
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Also ordentlich Öl zwischen die Platinen gesprüht, ein Stück Weichholz als Dorn angespitzt, an der vorstehenden Plantine angesetzt und mit dem Gummihammer leicht geklopft. „Und sie bewegt sich doch“ Gallilei meinte die Erde, bei mir war es die Griffschale mit der Gabel.
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Rost und Schmodder hatten sie ordentlich festgesetzt. Glücklicher Zufall für mich, dass ich die Gabel dabei auf 90Grad Winkel hatte, denn nur so ließ sie sich lösen.

Beim Schließen der Gabel arretiert sie die Griffschale am Sockel des Pins - großartig!
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Zum Vergleich mit einem Böhmischen: Durch einfaches Verschieben lassen sich dort die beiden Teile trennen.
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Was soll ich sagen: Ich bin begeistert von diesem nun vollständigen Schmuckstück, dem ich gern hoch-herrschaftliche Attitüden zuspreche!

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Die Ausgangsfragen „wer“ und „woher“ sind noch nicht ganz gelöst. Aus direkten Mails zweier Sammler tendiert die Meinung nach D oder Böhmen.

Beim Dreck unter den Platinen scheint ein jagdlicher Gebrauch mir jetzt doch naheliegend.
Danke nochmals für die eifrigen Beiträge und PM‘s, die mich weitergebracht haben! 👍👍👍

Abu
Sehr schön!! Deine Freunde über dieses außergewöhliche Stück kann ich durchaus nachvollziehen. Nochmals Glückwunsch zu dem Fang!
 
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Ob wir derartige Erfolge künftig mit „Abu im Bottich“ bezeichnen, weiß ich nicht.

Aber, ich kenne dieses wohlselige Glücksgefühl, wenn sich ein mechanisches Rätsel zu Erkennen gibt und dabei nicht zerstört wird.

Meinen herzlichen Glückwunsch!

grüsse, pebe
 
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