Virgil4
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... Wert beim Verhältnis von Griff zu Klinge beim Klappmesser? Was sonst!?
D. h. wieviel Klingenlänge im Verhältnis zum Griff lässt sich maximal herausholen?
Diese Frage war schon als potentieller Wettbewerb notiert, kommt aber nach Rücksprache mit Cheffe wegen Zeitmangels gerade nicht in die Umsetzungsphase.
Da mich das Thema aber bei verschieden Messerkonstruktionen beschäftigt hat, wollte ich hier mal meine Überlegungen teilen, um zu sehen, ob man gemeinsam nicht noch mehr herauskitzeln könnte.
Ein paar Randbedingungen habe ich mir selbst gesetzt, um das Ganze etwas einzugrenzen.
Soweit die Grundlagen.
Nun zu den Überlegungen, bis wohin man die Klingenlänge ausreizen kann, angewendet auf ein paar gängige Verriegelungssysteme.
1) Liner-/Framelock
Grundformel für das maximale Verhältnis: sichtbare Klingenlänge (KL) = Grifflänge (GL) - Washer-Durchmesser (WD)
Bei einem Messer mit 100 mm GL und einem WD von 10 mm ergäbe daraus sich ein Verhältnis von Klinge zu Griff (VKG) von 0,9 bzw. eine Verhältnis von Griff- zu Klingenlänge (VGK) von 1,11.
Als Zugeständnis an eine "gefällige" Lösung könnte man noch 2 mm "Sichtfaktor" (SF) abziehen, damit der Washer im geschlossenen Zustand nicht zu sehr sichtbar ist.
KL = GL – WD – SF
VKG = 0,88
VGK = 1,14
Beim klassischen Aufbau mit Detent hinter dem Washer muss konstruktionsbedingt noch die Laufbahndurchmesser (LD) des Detent und das Loch in Klinge (= Detentballdurchmesser (DD)) berücksichtigt werden, d. h. die Formel wird etwas komplizierter:
KL = GL – (LD + DD)
In meinem Beispiel muss ich deswegen die Grifflänge auf 103 mm erhöhen und bei 13 mm LD (ist schon sehr knapp) und 1,5 mm DD ergibt sich folgendes:
VKG = (GL – (LD + DD))/GL --> 0,86 = (103-(13+1,5))/103)
VGK = GL/(GL – (LD + DD)) --> 1,16 = (103-(13+1,5))/103)
Eine Lock-Konstruktion, bei der der Detent vor der "Washerlinie" sitzt, wie zum Beispiel bei einigen Perceval-Messern (ähnlich hier), bringt ein besseres Ergebnis, da das Detentloch in der geschlossenen Position im Griff verschwindet (A)
D. h. hier gilt dann wieder die Grundformel.
2) Compression-Lock
Je nach Ausführung, liegt hier der Detentball vor der Washer-Linie und über der Achse. Damit läuft er sozusagen hinten rum, und man könnte die Grundformel verwenden.
Beispiel hier, das Bild rechts oben.
3) Backlock
Auch hier gilt die Grundformel, allerdings muss ich beim Lock einige Kompromisse machen, da die Laufbahn des Hammers nicht grösser sein darf als der WD, sonst steht die Klingenwurzel im geschlossenen Zustand hervor. Ausserdem muss der Hammer im Bereich der Washer beidseitig angeschrägt sein, damit er nicht an den Scheiben hakelt.
Prinzipzeichung (nicht auskonstruiert)
4) Friction-Folder
Grundformel passt, da keine Verrieglung in die Quere kommt.
5) Next level
Kleinere Washer, Stahlplatinen mit freigefrästen Auflageflächen für die Klinge wären beides Massnahmen, die die Achse weiter nach vorne bringen und damit die VKG/VGK positiv beeinflussen. Allerdings auf Kosten der Stabilität ...
Kugellager könnten je nach Geometrie vielleicht noch etwas bringen, allerdings nur, wenn die Käfigmasse kleiner als die des Washers sind + etwas Material ums Lager herum.
Und sonst ... ???
6) Zusammenfassung
Einflussfaktoren
Man kann das Ganze bis ans theoretisch Machbare treiben, muss dies aber teilweise mit kniffeligen Einschränkungen bezahlen, die die Schrottrate in der manuellen Produktion mal schnell hochjagen können.
Deswegen meine Empfehlung: nicht bis an den Anschlag gehen, 1,25 für's Verhältnis Griff/Klinge ist schon ein guter Wert - und ein gutes Design ist wichtiger!
So, nun bin ich gespannt was ihr dazu meint, und wo ich die eine oder andere Lösung bzw. Ausnahme nicht bedacht habe.
Eine Universalformel wird es wohl nicht geben, dafür ist das Thema Folder-Mechanik zu weitläufig. Folderbau ist und bleibt eine Anhäufung von Kompromissen ...
Zum Glück, denn so bleibt noch genug zu tüfteln, probieren und bauen für die nächsten paar Jahre ...
Mein bisher erreichtes Optimum (ohne sichtbares Detentloch) habe ich hiermit erreicht: VGK 1,20
Aber theoretisch muss da noch was gehen – s. o.
Schönen Restsonntag noch!
Virgil
PS: ja, es wäre geschickter, die Bilder in gross im Text zu haben - hab's auf diverse Arten versucht (ausser externer Bilder-Uploader - nicht noch ein Ding zum Verwalten), bin aber kläglich gescheitert
D. h. wieviel Klingenlänge im Verhältnis zum Griff lässt sich maximal herausholen?
Diese Frage war schon als potentieller Wettbewerb notiert, kommt aber nach Rücksprache mit Cheffe wegen Zeitmangels gerade nicht in die Umsetzungsphase.
Da mich das Thema aber bei verschieden Messerkonstruktionen beschäftigt hat, wollte ich hier mal meine Überlegungen teilen, um zu sehen, ob man gemeinsam nicht noch mehr herauskitzeln könnte.
Ein paar Randbedingungen habe ich mir selbst gesetzt, um das Ganze etwas einzugrenzen.
- Es geht um Klappmesser mit eine Gelenk und nicht variablen Griff. D. h. so geniale Lösungen wie beim BM 10100 LFK oder gar dem Shapeshifter sind hier nicht berücksichtigt.
- Weiterhin sollten die Lösungen noch gewissen ästhetischen Ansprüchen genügen, die Bohrung des Dententball sollte z. B. nicht sichtbar sein, aber hervorstehende Klingenrampen sind ausdrücklich "erlaubt" .
- Das Endstück des Griff sollte so designt (huuh, such a nice Denglish) sein, dass es die Klingenspitze gerade abdeckt – muss nicht unbedingt die schönste Form ergeben.
Soweit die Grundlagen.
Nun zu den Überlegungen, bis wohin man die Klingenlänge ausreizen kann, angewendet auf ein paar gängige Verriegelungssysteme.
1) Liner-/Framelock
Grundformel für das maximale Verhältnis: sichtbare Klingenlänge (KL) = Grifflänge (GL) - Washer-Durchmesser (WD)
Bei einem Messer mit 100 mm GL und einem WD von 10 mm ergäbe daraus sich ein Verhältnis von Klinge zu Griff (VKG) von 0,9 bzw. eine Verhältnis von Griff- zu Klingenlänge (VGK) von 1,11.
Als Zugeständnis an eine "gefällige" Lösung könnte man noch 2 mm "Sichtfaktor" (SF) abziehen, damit der Washer im geschlossenen Zustand nicht zu sehr sichtbar ist.
KL = GL – WD – SF
VKG = 0,88
VGK = 1,14
Beim klassischen Aufbau mit Detent hinter dem Washer muss konstruktionsbedingt noch die Laufbahndurchmesser (LD) des Detent und das Loch in Klinge (= Detentballdurchmesser (DD)) berücksichtigt werden, d. h. die Formel wird etwas komplizierter:
KL = GL – (LD + DD)
In meinem Beispiel muss ich deswegen die Grifflänge auf 103 mm erhöhen und bei 13 mm LD (ist schon sehr knapp) und 1,5 mm DD ergibt sich folgendes:
VKG = (GL – (LD + DD))/GL --> 0,86 = (103-(13+1,5))/103)
VGK = GL/(GL – (LD + DD)) --> 1,16 = (103-(13+1,5))/103)
Eine Lock-Konstruktion, bei der der Detent vor der "Washerlinie" sitzt, wie zum Beispiel bei einigen Perceval-Messern (ähnlich hier), bringt ein besseres Ergebnis, da das Detentloch in der geschlossenen Position im Griff verschwindet (A)
D. h. hier gilt dann wieder die Grundformel.
2) Compression-Lock
Je nach Ausführung, liegt hier der Detentball vor der Washer-Linie und über der Achse. Damit läuft er sozusagen hinten rum, und man könnte die Grundformel verwenden.
Beispiel hier, das Bild rechts oben.
3) Backlock
Auch hier gilt die Grundformel, allerdings muss ich beim Lock einige Kompromisse machen, da die Laufbahn des Hammers nicht grösser sein darf als der WD, sonst steht die Klingenwurzel im geschlossenen Zustand hervor. Ausserdem muss der Hammer im Bereich der Washer beidseitig angeschrägt sein, damit er nicht an den Scheiben hakelt.
Prinzipzeichung (nicht auskonstruiert)
4) Friction-Folder
Grundformel passt, da keine Verrieglung in die Quere kommt.
5) Next level
Kleinere Washer, Stahlplatinen mit freigefrästen Auflageflächen für die Klinge wären beides Massnahmen, die die Achse weiter nach vorne bringen und damit die VKG/VGK positiv beeinflussen. Allerdings auf Kosten der Stabilität ...
Kugellager könnten je nach Geometrie vielleicht noch etwas bringen, allerdings nur, wenn die Käfigmasse kleiner als die des Washers sind + etwas Material ums Lager herum.
Und sonst ... ???
6) Zusammenfassung
Einflussfaktoren
- Gesamtlänge des Messers: je länger desto besser, da der begrenzende Faktor (Washerdurchmesser) gleich bleibt
- Grösse des Washerdurchmesser
- Verwendetes Lock-System
- Grösse und Position des Detentball
Man kann das Ganze bis ans theoretisch Machbare treiben, muss dies aber teilweise mit kniffeligen Einschränkungen bezahlen, die die Schrottrate in der manuellen Produktion mal schnell hochjagen können.
Deswegen meine Empfehlung: nicht bis an den Anschlag gehen, 1,25 für's Verhältnis Griff/Klinge ist schon ein guter Wert - und ein gutes Design ist wichtiger!
So, nun bin ich gespannt was ihr dazu meint, und wo ich die eine oder andere Lösung bzw. Ausnahme nicht bedacht habe.
Eine Universalformel wird es wohl nicht geben, dafür ist das Thema Folder-Mechanik zu weitläufig. Folderbau ist und bleibt eine Anhäufung von Kompromissen ...
Zum Glück, denn so bleibt noch genug zu tüfteln, probieren und bauen für die nächsten paar Jahre ...
Mein bisher erreichtes Optimum (ohne sichtbares Detentloch) habe ich hiermit erreicht: VGK 1,20
Aber theoretisch muss da noch was gehen – s. o.
Schönen Restsonntag noch!
Virgil
PS: ja, es wäre geschickter, die Bilder in gross im Text zu haben - hab's auf diverse Arten versucht (ausser externer Bilder-Uploader - nicht noch ein Ding zum Verwalten), bin aber kläglich gescheitert
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