White River Firecraft 3.5 Pro Review

Fabsel

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Hallo,

ich möchte euch hier das White River Firecraft 3.5 Pro vorstellen. Ende Mai bin ich auf dieses Messer aufmerksam geworden und besitze es nun seit einem knappen Monat.
Die Stahlwahl, die Größe und die Klingenform haben mich neugierig gemacht und dafür gesorgt, dass ich mal wieder seit langem ein Messer gekauft habe. Eines direkt vorweg, der anfänglichen Euphorie ist Ernüchterung gewichen. Warum möchte ich nun erklären.

Aber zuerst einmal ein paar Fakten:

Stahl: CPM-S35V, gehärtet auf 60 HRC
Gesamtlänge: 19,8 cm
Klingenlänge:8,7 cm
Klingendicke:3,28 mm
Klingendicke nach der Schneide: 0,52 mm (edit: siehe Post Nr 4 )
Lochdurchmesser: 22,72 mm
Gewicht: 102g
Gewicht mit Scheide und Feuerstahl: 184g



Wie ich bereits erwähnte war ich auch wegen der Form gespannt auf das Messer. Es erinnerte mich stark an mein geliebtes SK01, nur ein bisschen länger. Diese Form hat sich für mich bei leichten Camparbeiten (Lebensmittelzubereitung und Schnitzen) als sehr angenehm herausgestellt. Und da es ziemlich genau die Hälfte vom SK01 kostet (und mit Paracordgriff noch günstiger), wollte ich es mal ausprobiert haben, um eine mögliche günstigere Alternative zu finden.

Mir hat sich nun in diesem knappen Monat das Konzept dieses Messers nicht erschlossen. Der Name Firecraft soll andeuten das mit Feuer bzw. Holz für die Erzeugen eben dieses Feuers gearbeitet werden kann/soll. Dafür spricht auch der Feuerstarter der dabei ist(dazu später noch ein paar Worte).


Allerdings ist für sicheres Arbeiten an Holz ein Griff erforderlich, bei dem man feste zupacken kann. Nun gut, das hätte ich vorher ahnen können, die Bilder im Netz zeigen einen filigranen Griff mit verhältnismäßig fetter Klinge. Auch meine großen Hände (Handschuhgröße 11-12) machen es dann nicht einfacher. Aber auch Menschen mit kleineren Händen hatten beim feste zupacken für kräftige Schnitte wenig Spaß am Griff (Messer mit Schneide von Körperweg aber nah festhalten, Holz mit Kraft über die Schneide zum Körper ziehen. Dies soll schnell viel Material abtragen. Sicherlich eine bekannte Technik, keine Ahnung wie sie heißt). Fast wie ein dünnes Rohr in der Hand hatte das Messer jede Menge Spiel und es rutschte in der Hand herum. Dies führte bei unerfahrenen Nutzern zu weiteren Unsicherheiten.


Ich vermute der Ring am Ende sollte einfach dafür sein, dass das Messer am Ende nicht so dürr aussieht. Mehr Komfort oder einen richtigen Nutzen bietet er zumindest nicht.

Er ist allerdings ein ganz hervorragendes Mittel um mit dem Messer herumzuspielen und tolle Kunststücke zu machen. Das war tatsächlich zeitweilig einer meiner Lieblingsbeschäftigungen (wer braucht schon diese Fidget Dinger).


Für die Lebensmittelzubereitung auf einer Schneidunterlage muss ich meine Hand unbequem verrenken. Auch dies ist dem zu dünnen Griff geschuldet. Mit etwas mehr Volumen könnte ich dort besser arbeiten.

Die G10 Griffschalen sind sehr rau und bei einem Klappmesser würde ich diese wegen Hosenfressergefahr mit Schleifpapier bearbeiten. Hier geht das aber noch klar.
Die Schrauben scheinen Inbus zu sein, mit einem Torx T10 bekam ich sie aber auch gelöst. Die Schrauben sind übrigens das einzige am Messer, was weniger wertig wirkt. Diese hatten einen leichten Grat und auch noch Verarbeitungsspuren.


Ich hatte erwartet das dieses Messer zum Schneiden für Lebensmittel gut geeignet ist. Die Klinge ist ja im Vergleich zu aktuell anderen Serienmesser schon fast als dünn zu bezeichnen.
Dennoch war das Schneiden von Obst und Gemüse nicht so erfreulich wie erhofft. Geschnitten wurde alles, das wenigste gespalten. Dennoch hatte man immer das Gefühl nah an der Grenze zu sein dass es gleich gespalten wird und somit einen leicht erhöhten Widerstand. Ein leichter Hohlschliff hätte hier sicherlich gut getan.
Die Jimpings sind sehr angenehm gestaltet und an der richtigen Stelle für meinen Daumen.

Die Kerbe auf dem Klingenrücken für den Feuerstarter tut was sie soll. Für mich hätte es aber auch ein teils nicht entgrateter Klingenrücken getan. Was ich dann allerdings nicht verstehe, warum ist der restliche Klingenrücken dann immer noch so scharfkantig wenn doch besagte Feuerstahl-Kerbe vorhanden ist. Derartig scharfkantige Klingenrücken sind bei mir nicht sonderlich gern gesehen, da ich gerne zum Schnitzen den Daumen meiner zweiten Hand zur Hilfe nehme um damit leichten Druck auszuüben. Dies ist bei einem scharfkantigen Klingenrücken nicht sehr angenehm und auf dauer schmerzhaft.

Die Stonewash-Oberfläche der Klinge ist gut gemacht und zeigt mir bisher auch noch keine Spuren von Kratzern.

Ein paar Löckchen an Holz zu erzeugen (Feathersticks) sind nach einiger Übung und ohne Hilfsdaumen auch möglich gewesen:

Allerdings auch hier immer dieses Gefühl, dass da *eigentlich* etwas zuviel Stahl direkt nach der Schneide ist.

Die Schnitthaltigkeit ist bisher sehr gut. Nachgeschärft habe ich es bisher nur einmal, und nicht weil es sein musste, sondern weil ich es wollte. Auf meiner üblichen Naniwa Pro Kombi (1000, 3000, 5000) lies dieses Messer sich sehr angenehm schleifen. Da hat sich für mich auch wieder die Nützlichkeit einer Schleifkerbe bewiesen.


Die Scheide ist solide verarbeitet. Kein handwerkliches Kunstwerk (die großen Abstände zwischen den Nieten sorgen dafür, das Spalte zwischen den beiden Kydexschichten entstehen), dafür ist sie aber so schlank gehalten das ich es problemlos quer am Gürtel tragen kann (auf ca. 1 Uhr). Diese Tragweise ist auch vom Hersteller so vorgesehen mit der Kydexschlaufe.
Die Kydex-Gürtelschlaufe die dabei war wurde aber von einem Spyderco G-Clip ausgetauscht. Einfach weil man den Clip auch bei geschlossenem Gürtel noch auf eben diesen drauf bekommt.
Es klappert nichts.

Leider habe ich verpennt nochmal extra Bilder vom Feuerstarter zu machen. Weiter oben kann man diesen zumindest in der Scheide nochmal sehen.
Ein tolles Stück, das mit wenig Kraft viele Funken erzeugt. Da wird es dem "Fire" im Namen gerecht. Der Micarta Griff trägt zur Wertigkeit bei. Der Gummibändchen sorgt dafür, dass der Feuerstarter nicht herausfällt, was aber zumindest im neuen Zustand unmöglich ist, da er wirklich eng in seiner Kydexhalterung steckt.

Geliefert wurde das ganze übrigens in einer einfachen, aber sehr schönen Holzbox(wieder verpennt...).

Fazit. Das ist das Problem mit hohen Erwartungen. Man malt sich alles Mögliche im Geiste aus, was das Messer alles Tolles kann, und dann wird es schwierig diesen Vorstellungen gerecht zu werden.
Nichtsdestotrotz ist diese Griff-Klingen Kombination mir weiterhin ein Rätsel. Entweder mehr Griff oder weniger Klinge (in mehreren Dimensionen). So ist das Messer für meine Hände kaum zu gebrauchen.
Die Verarbeitungsqualität des Messers ist sehr gut (Schrauben außen vor). Die der Scheide ist Mittelmaß.


Wie immer, ein paar Vergleichsfotos:

v.l.n.r:
TRC Splinter XS, MDK SK03, White River Firecraft 3.5 Pro, MDK SK01, Linder Karelia Hunter


v.l.n.r:
Linder Karelia Hunter, MDK SK03, White River Firecraft 3.5 Pro, MDK SK01, TRC Splinter XS


v.o.n.u:
Linder Karelia Hunter, MDK SK03, White River Firecraft 3.5 Pro, MDK SK01, TRC Splinter XS



Danke fürs Lesen, bei Fragen oder Anregungen einfach melden.

Gruß
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Fabsel,

vielen Dank für Dein informatives Review.:super:

Hast Du eine Erklärung für die "gedämpfte" Schneidfreudigkeit?
Von den von Dir aufgeführten technischen Daten her (Klingenstärke 3,28 mm, 0,52 mm hinter der Schneidfase) sollte das Messer doch eigentlich in Richtung Schneidteufel (dafür, dass es ein Outdoormesser ist) gehen.
Zumal der Flachschliff sehr weit hochgezogen ist, und das bei einer Klingenhöhe von ... geschätzt ... 3 cm?

Oder kann das ein "gefühlter" Effekt des zu schmalen Griffes sein?

LG Michael
 
Hallo Fabsel,
Ein ehrlicher Einblick in die pros & cons einer letztlich enttäuschten Erwartung. Der Ring wäre für mich schon optisch Ausschlusskriterium gewesen. Sein Nutzen erschließt sich für mich beim Stil dieser Klinge aber erst recht nicht, soweit ich hier mal Mike Stewart von BARK River folge...

Gruß
Abu

https://youtu.be/bxsIi7RW7rk
 
vielen Dank für Dein informatives Review.:super:

danke :)

Hast Du eine Erklärung für die "gedämpfte" Schneidfreudigkeit?
Von den von Dir aufgeführten technischen Daten her (Klingenstärke 3,28 mm, 0,52 mm hinter der Schneidfase) sollte das Messer doch eigentlich in Richtung Schneidteufel (dafür, dass es ein Outdoormesser ist) gehen.
ich habe nochmal nachgemessen. Die oben genannten 0,52mm hinter der Schneidfase gelten für exakt die Mitte der Klinge.

2mm nach Schleifkerbe: 0,65 mm
3mm vor Spitze: 0,81 mm
Gesamter "Bauchbereich": 0,7-0,75 mm hin zur Spitze

Das sind die Werte die ich gerade nochmal gemessen habe. Diese seltsamen Werte lassen mich noch skeptischer werden und bestätigen Zugleich auch meine Erfahrungen. Im Griff nahen Bereich arbeite ich z.B. um an einem Kienspan dünne Flocken heraus zu schnitzen, im vorderen Bauchbereich fange ich bei Lebensmitteln an zu schneiden. Ich denke ich habe hier einen Teil der Antwort gefunden.

Zumal der Flachschliff sehr weit hochgezogen ist, und das bei einer Klingenhöhe von ... geschätzt ... 3 cm?
gut geschätzt, es sind 3,1cm.

Oder kann das ein "gefühlter" Effekt des zu schmalen Griffes sein?
möglich, dennoch merkt man sobald man etwas schneiden will, das es schwergängier ist. Eine 100% Objektivität kann man da als menschliches Wesen natürlich nicht haben.

Gruß
 
Servus,

Das sind die Werte die ich gerade nochmal gemessen habe. Diese seltsamen Werte lassen mich noch skeptischer werden und bestätigen Zugleich auch meine Erfahrungen.

diese Messwerte belegen einen schlechten Schliff. Es mag wohl Hersteller geben, die an der Spitze mehr Material über der Wate stehen lassen, um diese besonders robust zu halten, aber dann sollte das in der Produktbeschreibung als gewollt und als Feature ausgeschrieben sein und nicht eine verschliffene Klingengeometrie. Es muss ja nicht jedes Messer über der Wate zur Spitze hin exakt getapert sein, aber zumindest eine durchgehend gleichbleibende Dicke über der Schneide darf man erwarten können, sonst funktioniert eine Klinge nur bedingt. Ich habe mir schon genügend Fixed von Jürgen Schanz ausdünnen lassen, mit dem Ziel von 0,3-0,35mm über der Schneidfacette. Eine solche Schneidfase darf bei einem Outdoormesser auch gerne bis an die 0,50mm breit sein und gut 20° Schleifwinkel haben und taugt dann immer noch für die Feldküche, aber 0,70mm in der Mitte und 0,80mm an der Spitze ist ein für Schneid und Schnitzaufgaben gekauftes Messer völlig spaßbefreit.

Entweder moderat ausdünnen lassen, oder nur für gröbste Zwecke benutzen, oder beanstanden.

Gruß, güNef
 
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