Am Anfang sollte man sich im klaren sein, dass der Weg das Ziel ist und ein perfektes Messer nur durch viel testen, "Fehlkäufe" und Sammlung weiterer Erfahrungswerte langsam ein inneres Bild bekommt.
Das kann ich nur unterstreichen. Besonders Anfänger, die in die Messerwelt eintreten, dass heißt anfangen sich ernsthaft zu informieren und feststellen, ist "alles so schön bunt hier" haben manchmal die Tendenz alles theoretisch vorwegnehmen zu wollen. (Kommt wahrscheinlich daher, weil Messer nicht gerade billig sind.) Das geht aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Zum Begreifen gehört eben das sinnlich reale Greifen dazu. Wer normale Messer nach Solinger oder Chinastandard gewohnt ist, für den kann ein Herder eine Offenbarung sein. Der versteht erst, worüber wir hier reden. Wenn hier dann einige von eher robusten Geometrien reden, dann meinen sie oft nicht normale Standardgeometrien, dick hinter der Wate und Anschliff bis zum Rücken, sondern Messer die trotzdem noch dünn ausgeschliffen sind, aber schneller an Dicke gewinnen und trotzdem an der Spitze dünn sind.
Allerdings habe ich auf meinem Messerweg recht früh begriffen, dass ich mir das für mich ideale Messer nicht kaufen, sondern erschleifen muss. Ich wollte mir nicht immer ein neues Messer kaufen, bloß weil das alte dann doch nicht genau das war, was ich mir vorgestellt habe. Ganz selten hab ich mal ein Messer erwischt, dass von Anfang an gut war. M.E. lernt man auf diese Weise recht schnell worauf es ankommt und worauf weniger.
Sobald mir ein Messer von den Schneideigenschaften zusagt, höre ich auf die Geometrie zu verändern und nutze es. Weil die Anfangseigenschaften unterschiedlich sind kommen dabei unterschiedliche Messergeometrien zustande und immer lerne ich dazu.
Ich greife nicht in die Klinge über. d.h. Abrundung und Dicke des Klingenrückens spielen für mich keine Rolle. Auch der Kehl muss nicht rund sein, obwohl ich Grate natürlich entferne. Das ist mit Schleifpapier schnell erledigt. Der Griff ist mir wichtig. Mit einem sechseckigen Wa-Griff kann ich mich auch anfreunden. Abgesehen vom Griff muss das Messer
gut schneiden. Die Spitze muss dünn sein, aber auch nicht so dünn dass sie sich bei leichter Berührung mit einem harten Gegenstand umlegt oder abbricht. Die Schneide muss dünn ausgeschliffen sein 0,1- 0,2 mm oder leicht darüber. Alles unter 0,1 ist doch sehr empfindlich. Schnittgutfreisetzung ist schön, aber nicht elementar. Der Schnittgutfreisetzung kann auf verschiedene Weisen Rechnung getragen werden. Polierte Oberflächen funktionieren bei saftigem, frischem Schnittgut gut. Für mich ist das wichtige Kriterium nicht unbedingt das Abfallen des Schnittguts von der Klinge, sondern das leichte Abstreifen. Das heißt auch, dass das an der Klinge hartnäckig anhaftende Gemüse nicht den Schnitt behindern darf. Verschiedene Oberflächenstrukturen können dem Ankleben entgegenwirken. Jedoch wirken sie erst wenn der unstrukturierte Anschliff überwunden ist und das heißt wiederum, dass der Anschliff, weil er nicht bis zum Rücken geht steiler sein muss. Das hat also Konsequenzen - jedenfalls bei industrieller Fertigung, wenn die Struktur auf ein Blech aufgebracht wird. Beim Schmieden könnte theoretisch die Klinge zur Schneide hin dünner geschmiedet werden und trotzdem Hammerschlagstruktur auf der Klinge vorhanden sein. Jedoch ist der prinzipielle Widerspruch nicht auszuhebeln. Tiefe Struktur braucht Klingendicke und Klingendicke wirkt sich negativ auf die Schneidfreude aus. Das kann man nur ausbalancieren. Es gibt also immer einen Kompromiss zwischen Schnittgutfreisetzung und Schneidfreude. Auch durch Schleifen lässt sich Struktur herstellen. Das wären dann z.B. die Kullen oder die Hohlkehlen, beidseitig oder einseitig. Eine weitere Möglichkeit eine bessere Schnittgutfreisetzung zu erreichen ist der ballige Anschliff.
Die meines Erachtens einfachste Möglichkeit aus einem ärgerlichen Mistmesser mit 0,6 mm und mehr an der Wate ein gutes Messer zu machen ist, es ballig auf null zu schleifen und abzuziehen (mikrofase). Das weist dann in der Regel eine ordentliche Schnittgutfreisetzung auf und die Schneidfähigkeit ist so gut, dass man es gern in die Hand nimmt. Auch das Scharfhalten mit dem Wetzstahl geht dann einfacher. Das wäre sozusagen mein Minimal-Verbesserungsvorschlag an Solinger Messerhersteller. Besser geht dann immer noch. Bessere Stähle, ausgewogene Geometrien usw. schöne Griffe.
Wichtig ist auch noch der Schneidenschwung/kurve beim Kochmesser. Zuviel Bauch ist nicht gut und zu wenig auch nicht. Die Kurve darf auch kein Kreisausschnitt sein. Am besten zunehmend mehr Krümmung Richtung Spitze und Richtung Griff, fast gerade aber nicht ganz.